FC Bayern München – VfB Stuttgart 6:1 (3:1)

Steffen Trenner 02.09.2012

Ein in vielerlei Hinsicht bemerkenswertes Spiel zwischen dem FC Bayern München und dem VfB Stuttgart. Javi Martinez ist da und spielt doch nur eine Nebenrolle. Bastian Schweinsteiger ist eindrucksvoll zurück in der Startelf und Luiz Gustavo liefert die vielleicht besten 90 Bundesliga-Minuten im Trikot der Roten. Das 6:1 (3:1) war am Ende auch in der Höhe verdient und der FCB kann sich damit vor der Länderspielpause über einen gelungen Saisonstart freuen.

Im Vergleich zum Saisonauftakt gegen Fürth rückte Bastian Schweinsteiger für Arjen Robben und Franck Ribery für Xherdan Shaqiri in die Startelf. Stuttgart begann eindrucksvoll mit hohem Druck gegen den Ball und einigen gefälligen Offensivaktionen, wie einem Schuss von Harnik (3.), den Neuer in herausragender Manier an die Latte lenkte. Bayern befreite sich zusehends, sodass das Stuttgarter 1:0 durch Harnik (25.)  nach einem Freistoß eher überraschend fiel. Bayern antwortete wütend und drehte noch vor der Pause durch drei sehenswerte Treffer von Müller (32.), Kroos (33.) und Luiz Gustavo (43.) die Partie. Nach dem Spiel lies Bayern Ball und Gegner laufen und nahm Stuttgart am Ende auseinander.

Das fiel auf: 

– Das Spiel wurde zwischen der 30. und 45. Minute entschieden. Bayern lies sich vom Rückstand in keiner Weise beeindrucken und reagierte mit viel Selbstbewusstsein und dem unbedingten Willen zur Dominanz. Herausragend in dieser am Ende spielentscheidenden Viertelstunde nach dem 0:1 war die Doppelsechs mit Gustavo und Schweinsteiger. Während der Brasilianer durch das Abfangen langer Bälle auf Harnik, Ibisevic oder Okazaki den Druck auf die Stuttgarter Hintermannschaft erhöhte, war Schweinsteiger in fast jeder Situation des Spiels präsent als Anspielstation, Ballverteiler und kreativer Kopf des Spiels. Beide sorgten damit dafür, dass Bayern trotz des Rückstands nicht in alte Muster zurückfiel und den enormen Ballbesitz nicht als Selbstzweck, sondern konstruktiv nutzte. Schweinsteiger und Gustavo waren der Schlüssel zum Sieg und bilden das Rückgrat für das spätere Offensivspektakel.

– Toni Kroos zeigte einmal mehr, dass seine Stärken im Passspiel und der Ballbehauptung im Bereich zwischen Mittellinie und gegnerischem Strafraum wesentlich besser zur Geltung kommen als 20-30 Meter weiter hinten, wenn er auf der Doppelsechs aufläuft. Kroos braucht Raum, um diese Stärken auszuspielen und kann sich diese auf der 10 besser suchen zumal er hier wesentlich weniger Defensivaufgaben zu erfüllen hat. Wird sich in Zukunft mit dem noch torgefährlicheren Müller um diesen Platz streiten.

Einzelkritik: 

Manuel Neuer: Herausragend seine Parade in der 3. Minute gegen Harnik – beim 0:1 unglücklich aber dennoch bei Harniks krummer Direktabnahme ohne Chance. Auch nach der hohen Führung und den wenigen Stuttgarter Chancen stets hellwach. Note: 2,5

Phillip Lahm: Musste in diesem Spiel nicht viel zeigen und blieb deshalb unauffällig. Schaltete sich mit zunehmender Spielzeit Note: 3

Dante: In der hektischen und verbissenen Anfangsphase gewann er viele Zweikämpfe und sorgte damit für mehr Ruhe im Spiel der Bayern. In der zweiten Halbzeit kaum noch gefordert. Note: 2,5

Jerome Boateng: Lag beim 0:1 verletzt draußen – ansonsten in jeder Phase des Spiels engagiert und resolut im Zweikampf. Entnervte mit dieser Spielweise offensichtlich auch Ibisevic. Note: 2,5 

Holger Badstuber: War bei Stuttgarts Großchance in der 3. Minute kurt orientierungslose. Nutzte danach die wenige Beschäftigung um sich viel stärker als Lahm ins Kombinations- und Angriffsspiel der Münchener einzuschalten. Stand in der zweiten Hälfte wie die gesamte Bayern-Defensive sicher. Note: 2,5 

Luiz Gustavo: Ein Spiel wie ein Statement vom Brasilianer, der schon unter der Woche mit bemerkenswerten Worten („Ich bin durch Konkurrenz so stark geworden wie ich heute bin“) auf die Verpflichtung von Javi Martínez reagierte. Gewann in der ersten Hälfte viele Bälle, bereitete so auch das 2:1 vor und erzielte das 3:1 selbst. Verteilte gemeinsam mit Schweinsteiger geschickt die Bälle. Eine Weltklasse-Leistung des Brasilianers. Note: 1 

Bastian Schweinsteiger: Wenn ihm in diesem Spiel überhaupt noch etwas anzumerken war von seinen Verletzungs- und Spritzigkeitsproblemen, dann zeigte sich dies in dem ein oder anderen Defensivzweikampf in der umkämpfte ersten Hälfte. Bei Ballbesitz Bayern sah man über weite Strecken den Schweinsteiger des Jahres 2010 und dem Herbst 2011. Laufstark, mit Zug zum Tor, fast ohne Ballverlust und mit vielen öffnenden Bällen. Muss diese Leistung allerdings in den kommenden Wochen bestätigen. Note: 1,5 

Javi Martínez (ab 77. Minute)Hat eine tolle Präsenz und deutete seine Robustheit und Spielstärke auch in den wenigen Minuten gegen Stuttgart an. Stachelt offenbar Schweinsteiger und Luiz Gustavo zu Höchstleistungen an. Es wird sehr spannend zu sehen sein wie Heynckes die Spielanteile dieser drei Ausnahmespieler im Verlauf der Saison verteilt. Ohne Benotung  

Franck Ribery: Beschäftigte zwar über 90 Minuten die Stuttgarter Hintermannschaft, war lange Zeit aber trotzdem unauffälligster Offensivakteur der Bayern. 6 Bayern-Tore ohne einen Ribery-Scorerpunkt gibt es auch nicht alle Tage – auch das eine Besonderheit dieses Spiels.  Note: 2,5

Xherdan Shakiri (ab 73. Minute): Wirkte ähnlich wie gegen Fürth auch in diesem Kurzeinsatz ein wenig übermotiviert und dadurch in vielen Aktionen überhastet. Seine Entwicklung wird weiter zu beobachten sein. Ohne Benotung  

Toni Kroos: Gab der größer werdenden Schar seiner Kritiker eine deutliche Antwort. Viel torgefährlicher als zuletzt und das gewünschte kreative Element in der Offensiven Zentrale. Leistungen wie diese sind der Maßstab an denen sich ein Spieler seines Talents messen lassen muss. Note: 2

Thomas Müller: Hat seine Torgefährlichkeit wieder gefunden oder sich diese besser gesagt zurückerarbeitet. Lies nämlich auch in schwächeren Phasen in der Vergangenheit nie den Kopf hängen und belohnt sich aktuell selbst dafür – wie sein Tor-Klau gegen Ribery zum 5:1 beweist. Schoss zwei Tore und bereitete zwei Treffer vor. Viel mehr geht nicht – auch für ihn ist die Leistung gegen Stuttgart in Zukunft Maßstab seiner Leistungsfähigkeit. Pennte vor dem 0:1, deshalb: Note: 1,5

Mario Mandzukic: Präsentiert sich weiter als klassischer Mittelstürmer mit Vollstreckerqualitäten. Tut der Mannschaft mit seinen weiten Wegen und Fähigkeiten der Ballverarbeitung auch auf dem Flügel (Beispiel 1:1) gut. Entpuppt sich als hervorragender Einkauf. Note: 2,5 

Claudio Pizarro (ab 69. Minute):  Litt ein wenig unter dem nachlassendem Offensivdrang der Münchener und hatte beim Spielstand von 6:1 keine großen Szenen mehr. Seine Joker-Qualitäten werden in engeren Spielen noch wichtiger werden. Ohne Benotung