2:2 – FC Bayern und Real Madrid verschieben die Entscheidung ins Bernabeu
So falsch die Rufe nach einem “Klassiker” in der Bundesliga bei Duellen zwischen den Bayern und Borussia Dortmund auch sein mögen, in der Champions League gibt es so ein Duell tatsächlich. Der FC Bayern München gegen Real Madrid. Das klingt nach Champions League. Das schmeckt nach Top-Spiel. Das ist Fußballgeschichte.
Da ist dann auch die Ligaverfassung schnurzpiepegal. Bayern kein Favorit, weil sie in der Liga weit abgeschlagen die Meisterschaft vergeigt haben? Real Favorit, weil sie wiederum kurz vor der spanischen Meisterschaft stehen? Davon war in der Allianz Arena nichts zu spüren.
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Die Aufstellungen
Thomas Tuchel musste wie schon die ganze Saison erneut mit neuen Verletzungen kämpfen. Abwehrchef Matthijs de Ligt fiel nach dem Spiel gegen Eintracht Frankfurt aus, saß nicht mal auf der Bank. Für ihn rückte Kim in die Anfangself, wohlwissend, dass die Dämonen seiner bislang so schwachen Rückrunde heute ausgetrieben werden mussten.
Die Fragezeichen hinter Konrad Laimer, Leroy Sané und Jamal Musiala wurden mit Ausrufezeichen beantwortet. Interessant hierbei, dass Thomas Tuchel dem Arsenal-Rezept vertraute und den Kämpfer Laimer vor dem wiedergenesenen Pavlović vertraute.
Zur Überraschung aller hatte Tuchel allerdings doch einen waschechten Startelfschock im petto. Thomas Müller begann die Partie auf der 10, nachdem er gegen Arsenal keine einzige Sekunde auf dem Platz stehen durfte. Der zuletzt so spielstarke Raphaël Guerreiro fand sich auf der Bank wieder, auf der auch weiterhin in der Königsklasse der vom Gegner so umworbene Davies saß.
Carlo Ancelotti schickte genau die Elf auf dem Platz, mit der zu rechnen war. Lunin erhielt weiterhin den Vortritt vor Courtois und Kepa (der den Bayern vor der Saison noch absagte, um bei Real Nummer 1 zu sein, tja). Vasquez vertrat den gesperrten Carvajal, die Mittelfeldraute war der gewohnte Mix aus Tchouaméni, Kroos, Valverde und Bellingham. Vorne stürmte der gewohnte fluide brasilianische Doppelsturm.
Der Spielverlauf
Es begann mit einer wunderschönen Choreographie zu Ehren Franz Beckenbauers. Trotz der Alle-in-Rot-Initiative begann der FC Bayern in weiß-rot. Wie die Feuerwehr startete man trotzdem. Schon in der allerersten Spielminute kam Leroy Sané zu einem freien Abschluss vor Lunin, schoss jedoch zu zentral. Es folgten gute Möglichkeiten von unter anderem Kane und Musiala. Real fand in den ersten Minuten gar nicht statt.
Nach diesem Start ließ Kroos sich mehr fallen und Real kam besser ins Spiel und traf schließlich auch mit der allerersten Chance. Toni Kroos wurde zu viel Raum zu Teil, Vinícius lockte Kim zu weit raus, war dann auf und davon und nutzte den freien Abschluss vor Neuer (24.).
Danach war es endgültig Reals Spiel. Bayern sah man die Zweifel bei jeder Ballannahme. Das Selbstvertrauen des Spielstarts war gänzlich verschwunden. Große Real-Chancen kamen nicht noch dazu, trotzdem wäre die Beschreibung nicht falsch, dass der FC Bayern sich in die Halbzeitpause retten musste.
Die zweite Halbzeit begann wie die erste endete. Die Schultern waren tief, das Kreuz gebeugt. Die Zweikämpfe gingen verloren, die Ideen nach vorne erloschen. Real konterte bis Kroos Neuer zu einer Oliver-Kahn-Flugparade zwang.
Da ging er dahin, Bayerns Champions-League-Traum. Dachte man. Dachten wahrscheinlich die Spieler, dachte sicherlich Real Madrid. Dachte nicht Leroy Sané.
Zur Halbzeit mit Musiala die Seiten getauscht, brach er rechts durch, versenkte Mendy und zog dann zum Entsetzen Lunins auf den kurzen Pfosten unhaltbar durch (53.).
Das Stadion explodierte, die Bayern lebten wieder, doch es kam noch besser. Vasquez traf im Strafraum klar Musiala, Kane blieb cool wie immer, aus dem gar Nichts drehten die Bayern das Spiel in nur vier Minuten!
Die Bayern hatten nun wieder Oberwasser, doch Real versteckte sich nicht. Es kam zu Chancen auf beiden Seiten, ab der 80. beging Kim noch zwei Fehler. Den ersten bereinigte Neuer mit einer Spitzenparade, beim zweiten zeigte Turpin völlig zurecht auf den Punkt. Rodrygo war niedergerungen worden. Vinícius verlud Neuer (83.).
Ein wenig wirkte es, als hätten die beiden Teams sich daraufhin auf das Remis geeinigt. In acht Tagen geht es in die Hölle des Bernabeus.
FC Bayern: Fünf Dinge, die auffielen
1. Kroos kontert Bayerns Anfangseuphorie
Thomas Tuchel unkte vor dem Spiel bei Real Zonen ausgemacht zu haben, in denen man ihnen weh tun konnte. Höchstwahrscheinlich meinte er damit die Außenverteidiger mitsamt der eigenen rechten Seite. Dafür stellte er Musiala auf rechts und Sané auf links.
Ziel war es in die Zwischenräume zu kommen. In den Anfangsphasen beider Halbzeiten gelang dies am besten. In der zweiten wenn auch erst so richtig sukzessive nach Sanés Einzelleistung zum Ausgleich.
Im ersten Spielabschnitt legten die Bayern direkt gut los, brachen immer wieder über die Seiten durch. Entscheidend allerdings war das sehr griffige Pressing, sodass Real gar nicht erst zu kontern kam. Mazraoui, Musiala, Laimer waren an verschiedenen Stellen extrem griffig, Real kam gar nicht zum Atmen.
Dann hatte Toni Kroos genug vom Chaos und ließ sich zwischen die Innenverteidiger fallen. Real sammelte Ballbesitzphasen und kam ins Spiel zurück, ehe sie den Bayern komplett ihr Spiel aufdrückten.
In der gesamten ersten Hälfte hatte Real nur einen Torschuss, doch Bayern schien ihnen an der Angel zu hängen. Das Selbstvertrauen mit dem sie vorher noch auf der Mittellinie die Madrilenen wegcheckten war gänzlich weg.
In gewisser Weise war Reals Dominanz nur eine Scheindominanz, doch wenn bei 22 Mann der Schein trügt, was ist da noch Schein, was Wirklichkeit?
2. Vollspann, die Herren!
Freigespielt werden ist das eine, aber manchmal muss man auch einfach besser schießen. Manchmal genauer, manchmal aber auch einfach kraftvoller.
Der FC Bayern kam insbesondere in der ersten Hälfte zu sehr guten Abschlussmöglichkeiten, aber eben nicht zu sehr guten Schüssen. Leroy Sané hätte direkt in der ersten Minute so viel mehr aus seinem Duell mit Lunin machen können. Kane kam insgesamt zu zwei Abschlüssen, die am Ende ein wenig abgefälscht, ein wenig schwächlich waren. In jedem Fall zog Kane nicht voll durch.
Doch das muss man manchmal. Dem Gegner gar nicht erst die Reaktion gewähren lassen. Sei es zum Abfälschen oder einer Torwartparade.
Sané machte es am Anfang mies, in der 53. aber so viel besser. Er nahm nicht den Innenrist, zog nicht den Schlenzer. Nein, manchmal musst du einfach eine Rakete mit dem Spann abfeuern. Insgesamt hat Bayern wahrscheinlich einen Tick zu vieler dieser Innenristschlenzer im Kader.
3. Laimer mit Martínez-Vibes
2013 mit Martínez, 2016 mit Vidal. Zu epischen Champions-League-Runs bei Bayern gehören immer wieder gladiatorenartige Schlachten neuer Sechser.
Konrad Laimer hatte eine merkwürdige Saison hinter sich, mal Rechtsverteidiger, mal Mittelfeldspieler, oft auf der Bank. Aber nun, in der Königsklasse, blüht er auf. Während Goretzka seine gute Form nicht bestätigen konnte, schmiss Laimer alles rein, ließ das berühmte Herz auf dem Feld.
Bestechend indes ist seine Passquote, für die er ja eigentlich gar nicht bekannt ist. 97% beträgt sie am Ende, gerade einmal zwei Pässe fanden den Gegner. Die guten Phasen der Bayern waren eng mit seinem Namen bestückt. Sein Scorerpunkt für Sanés 1:1 ist eine schöne Belohnung.
4. Kimmichs Ecken werden nicht belohnt
Joshua Kimmichs Standards werden immer wieder angegriffen. Hier und da ein schlechter Standard gehört dazu, meist ist die Kritik überhöht.
Heute konnte der FC Bayern kein Kapital aus den ruhenden Bällen schlagen, doch lag das mitnichten an Kimmich. Seine Flanken kamen, fanden Kane, fanden Dier, diesen gleich zweifach. Doch diese verpassten immer wieder den Abschluss. Insbesondere Diers vergebener freier Kopfball in der 67. Minute hat das Zeug, die Bayern noch zu verfolgen.
Toni Kroos gilt als bester Standardschütze der letzten 10 Jahre. Heute gewann das Duell jedoch Kimmich, auch wenn die Tore leider ausblieben.
5. Kim Min-jae
Eigentlich war vieles so gut an Kims Spiel. Er geweann seine Duelle, köpfte was das Zeug hielt, ließ sich nicht pressen und behielt im Aufbau die Ruhe. Der Linienbrechende Pre-Assist zum Elfmeter kam vom Koreaner.
Doch dann sind da eben diese drei Fehler, von denen zwei zu Gegentoren führen. Gleich zweimal lässt er sich von Vinícius schulbuchmäßig herauslocken, Neuer kann hier nur einmal retten. Gegen Rodrygo verteidigt er die Außenseite, kann die Innenseite nur noch mit Foulspiel schützen.
In gewisser Weise war es eine selbsterfüllende Prophezeiung. Kim hat eine grundsolide Hinrunde gespielt, nach der manche etwas verfrüht vom neuen Abwehrchef, nein Abwehrmonster Kim sprachen. Dann flog er nach Katar zur Asienmeisterschaft und kam nie ganz wieder.
Es folgten Fehler auf Fehler, seit dem Spiel gegen Leverkusen ist er seinen Stammplatz vollends los. Dass er jetzt ohne Flow und Form gegen Real Madrid aus Verletzungsgründen anderer ins kalte Wasser geworfen wurde, konnte fast nur im Desaster enden.
Dabei war vieles an seinem Spiel ja wirklich gar nicht so desaströs, doch in diesen entscheidenden Momenten vergisst er das Fußball 1×1. Lässt sich locken, wo man sich nicht locken lassen sollte, verteidigt bei der Elfmetersituation die Außenbahn, statt den Kanal nach Innen dichtzumachen.
Kim ist ein vorwärtsdenkender Verteidiger. Er verteidigt immer nach vorne, doch muss er in sein Spiel auch ein gelassenes, solides Element einfügen. Manchmal kann man vieles mit Rausrücken abfangen, doch manchmal muss man auch einfach seinen inneren Eric Dier kanalysieren und hinten den Gegner empfangen und einen ruhigen Kopf bewahren.
Die Daten zum Spiel:
Tore: Vinícius (24.) Sané (53.), Kane (FE, 57.), Vinícius (FE, 83.)
Gelbe Karten: Mazraoui (43.), Kroos (64.), Kim (81.), Vasquez (90.)
Aufstellung FC Bayern München: Neuer – Kimmich, Kim, Dier, Mazraoui – Laimer, Goretzka (46. Guerreiro), Sané (87. Davies), Müller (80. Gnabry), Musiala – Kane
Aufstellung Real Madrid: Lunin – Vazquez, Rüdiger, Nacho (65. Camavinga), F. Mendy – Tchouaméni, Kroos (76. Modrić, Fede Valverde, Bellingham (76. Díaz) – Vinícius Júnior, Rodrygo (87. Joselu)
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