Unnötige Elfmeter: FC Bayern München verliert gegen Leverkusen und die Tabellenführung

Daniel Trenner 19.03.2023

Falls Ihr es verpasst habt

Die Aufstellung 

Die Bayern starteten im bekannten Dreierkette-System, nahmen allerdings einige verletzungs- und rotationsbedingte Änderungen vor. Coman und Musiala nahmen auf der Bank Platz, Choupo-Moting war nicht einmal im Kader. Auf Rechts startete erneut Cancelo, im Mittelfeld bekam Sané wieder die Chance. Vorne stürmte Sadio Mané.

Xabi Alonsos Formation war der Julian Nagelsmanns nicht unähnlich. Hinten in einer Dreierkette formiert, vorne ohne echten Neuner. Robert Andrich spielte tiefer als gewöhnlich, Wirtz war Mittelstürmer.

1. Halbzeit

Die Partie begann ungewöhnlich ballbesitzarm für den FC Bayern. In den ersten elf Minuten hatte man nur 32% der Zeit den Ball. Top-Chancen konnte sich die Werkself nicht erspielen, doch am Drücker waren sie. Bayern war das jedoch vollkommen egal. In der 24. Minute kamen sie direkt mit dem ersten Angriff in Führung. Zum ersten Mal konnten sie Cancelos rechte Seite offensiv mitnehmen, bei dessen Flanke in den Strafraum waren 5 weiße Shirts im Sechzehner. Goretzka legte auf Kimmich ab, dessen abgefälschter Schuss in den Kasten fiel.

So minimalistisch blieb es auch in Folge. Fouls statt Offensivläufe dominierten das Geschehen. Mit einer 1:0-Pausenführung ging es in die Katakomben.

2. Halbzeit 

Julian Nagelsmann wechselte gleich dreifach zur Pause. Cancelo, Müller und Mané blieben in der Kabine, Coman, Musiala und Gnabry waren neu auf dem Feld.

In der 53. Minute stieg Pavard Amine Adli auf den Fuß, nach kurzer VAR-Intervention entschied Referee Tobias Stieler zurecht auf Foulelfmeter. Palacios blieb cool, Nagelsmann wechselte noch während des Torjubels den Übeltäter für Josip Stanišić aus.

Bayern war nun griffiger, offensivfreudiger, gerade Musiala und Coman belebten die Offensive. Ein Regen an Torabschlüssen blieb jedoch aus.

In der 71. Minute wurde es ein wenig historisch in der BayArena. Exakt wie vor dem ersten Elfmeter, kam Adli zu Fall und wurde für eine vermeintliche Schwalbe verwarnt. Exakt wie vor dem ersten Elfmeter, schritt der VAR ein und Stieler kassierte die gelbe Karte nach kurzem Video-Review. Exakt wie vor dem ersten Elfmeter, zeigte Stieler auch hier auf den Punkt. Exakt wie beim ersten Elfmeter, blieb Palacios auch hier eiskalt.

Von der Wut gepackt, wachte Bayern nun ein wenig auf, spielten mehr nach vorne, ließen hinten mehr zu. Ein Tor konnten sie jedoch nicht mehr erzielen.

Mit 1:2 verliert der FC Bayern nicht nur bei Bayer Leverkusen, sondern auch die Tabellenführung, die sie nach der Länderspielpause im direkten Duell mit dem BVB wiedererlangen kann.

Dinge, die auffielen

1. Resignierende Passivität

Im Rückspiel gegen PSG überraschte der FC Bayern mit einem ziemlich passiv defensiven Ansatz. Vielleicht bot der Erfolg aus dem Spiel Inspiration. Gegen Paris glänzte die Endverteidigung, alle Spieler hatten ihre Highlights an Klärungen und Zweikämpfen. Heute war alles eine Nummer kleiner, extensive Clips zu de Ligt, Upamecano und Pavards Defensivaktionen wird es kaum geben, doch trotz der Niederlage war das Ergebnis über weite Strecken ähnlich.

Man sammelte noch weniger Ballbesitz, doch der Gegner machte kaum etwas daraus. Der FC Bayern ließ Leverkusen zwar über weite Strecken des Feldes spielen, bis zum 1:2 war in Bayerns Hälfte allerdings meist Schluss mit lustig. Da packten die Innen-, Flügelverteidiger und Mittelfeldspieler an. Obwohl Leverkusen besser war, kamen sie kaum zu Torchancen. Insbesondere die brache erste Spielhälfte war ein Resultat dieses Bayern-Ansatzes.

Es wirkt ein wenig, als sei das alte Defensivproblem des FC Bayerns einem Grundvertrauen der Mannschaft in die eigene Defensivstärke gewichen zu sein. Treffender wäre womöglich jedoch nicht von Grundvertrauen zu sprechen, sondern Arroganz. Der Trainer jedenfalls schien alles andere als zufrieden zu sein, wechselte ungewöhnlich schnell am heutigen Nachmittag.

Nagelsmann wechselt normalerweise eher mal zu spät als zu früh, heute jedoch kamen direkt drei Wechsel zur Pause und selbst Benjamin Pavard durfte nach seinem Fauxpas keine Wiedergutmachung betreiben, musste direkt runter.

Es wirkte, als wollten die Spieler gerade mit Ball nicht mehr als nötig tun und tatsächlich sollte der erste Spielabschnitt sie in dieser zweifelhaften Herangehensweise auch bestätigen. Leverkusen ist bekannt für defensive Lapsi, die Bayern vertrauten also, dass vorne schon die eine Chance schon kommen würde. Die kam und wurde auch gekonnt genutzt, gepaart mit der durchaus vorhandenen defensiven Klasse am heutigen Tag, hört sich also alles nach einem 1:0-Arbeitssieg an, wenn da nicht… 

2. Bayern verursacht zu viele Elfmeter

Die zwei verschenkten Elfmeter brachten die Bayern um den zweifelhaften Lohn der unverdienten Arbeit am heutigen Nachmittag. Es ist dabei die einfachste Fußball-Weisheit: Wenn man schon vorne kaum Torgefahr kreiert, darf man hinten nicht viel zulassen. Aus dem Spiel gelang das auch 70 Minuten lang, mit dem Unterschied, dass man zwei Elfmeter verschenkte.

Beide gelbe Karten für Adli wurden annuliert.
(Foto: Ina Fassbender / AFP via Getty Images)

Der Kontext, das Stieler beide Male zunächst auf Täuschungsversuch entschied, kann für den FC Bayern irrelevant sein. Wichtiger ist, dass der FC Bayern zweimal an der Strafraumgrenze aus eher recht ungefährlicher Situation Adli regelwidrig zu Fall bringt. Beim ersten Foul muss Pavard dem Angreifer nicht auf den Fuß treten, andere Verteidiger waren in der Nähe.

Upamecanos Foulspiel beim zweiten Elfmeter schafft es dabei noch unnötiger zu sein. Adli ist gerade im Begriff in den Strafraum zu gelangen, Gefahr ist eigentlich keine im Verzug, da rauscht Upamecano mit einer Grätsche heran und schenkt Leverkusen aus dem Nichts einen Strafstoß.

Sicher ist bei der Kritik viel ex-post dran, spielt Upamecano den Ball, ist seine Entschluss zur Grätsche im Nachhinein fast unkritisierbar. Aber es ist, wie es ist. Erst Upamecano erzeugt in dieser Szene Torgefahr für die eigene Mannschaft.

Mit dem Spiel heute hat der FC Bayern nun schon sechs Elfmeter alleine in der Bundesliga verursacht. Nur Leipzig (7) und das abstiegsbedrohte Bochum (12) verursachten mehr. Auffällig ist die Anzahl an Dortmunder Elfmeterpfiffen gegen sich: Null.

Upamecano war in diesem Spiel ein eher ungewöhnlicher Täter: Zuvor war es eher seine Partner de Ligt und Pavard, die unnötige Elfmeter veursachten (siehe etwa: 2:2 gegen Stuttgart im September).

3. Strafraumbesetzung beim Flanken

Das Mittel der Flanke ist in Expertenkreisen oft verpönt. Gern wird es als ultimatives Zeugnis Kreativlosigkeit genommen. Wie es anders sein kann, zeigte sich bei Bayerns zwischenzeitlichem Führungstor. Zum Zeitpunkt von Cancelos Flanke fluteten fünf (!) Bayern-Spieler Leverkusens Box. Das kann man dann kaum verteidigen. Es ist in gewisser Weise zwar Zufall, dass anschließend Goretzka an den Ball kommt und Kimmichs Schuss unhaltbar abgefälscht wird, doch tatsächlich ist die Wurzel all dieser Zufälle die starke Strafraumbesetzung vor der Flanke. Mit genug Angreifern in der Box, ist irgendeiner dann immer frei. Man erzwingt Zufälle so regelrecht.