Chaos beim Heidenheimsieg – FC Bayern München siegt 4:2
Thomas Tuchel rotierte vergleichsweise kräftig zum Abschluss dieses Bundesliga-Fensters, bevor es zu den Nationalmannschaften wieder ging. Dayot Upamecano begann überraschenderweise abermals, weil sein planmäßiger Ersatz Leon Goretzka ausfiel. Im Mittelfeld feierte dafür Aleksandar Pavlović sein Profi-Startelfdebüt. Dazu bekam Davies eine Pause, der vergessene Bouna Sarr bekam dafür eine Startelfgelegenheit. Zudem begannen Gnabry und Müller für den geschonten Coman und verletzten Musiala.
FC Bayern München vs. 1. FC Heidenheim: Der Spielverlauf
Erinnerte die Partie auf dem Papier noch frappierend an das spektakuläre Duell mit dem SV Darmstadt zwei Wochen zuvor, begann sie indes deutlich ereignisärmer. Heidenheim empfing den Meister mitteltief in der eigenen Hälfte. Dem FC Bayern fielen die Chancen nicht einfach in den Schoß, die allererste nutzten sie dann allerdings trotzdem zur Führung.
Abermals zeichnete sich die Kombination aus Leroy Sané und Harry Kane aus. Sané dribbelte von der rechten Außenlinie ins Zentrum, gab ab zu Kane, der umringt von drei Gegenspielern den Ball mit dem Rücken zum Tor kontrollierte, noch zwei Kontakte nahm, um dann sogleich aus der Drehung in den Winkel abzuschließen (14.).
Sechs Minuten später zeigte sich frappierend Heidenheims Frische auf diesem Niveau. Ungeahnt bekam Kleindienst die Chance auf ein Eins-gegen-Eins mit Manuel Neuer, ließ sich allerdings von Upamecano von hinten nach außen abdrängen. Am Ende kam ein recht kläglicher Kullerball ins Aus zustande.
Lange Zeit passierte abseits einer vergebenen Großchance Sanés dann nichts mehr. In der 43. explodierte Bayerns zuvor schlafende linke Seite auf überragende Weise. Sarr und vor allem Gnabry befreiten sich aus Heidenheims Angriffspressing, trugen den Ball tief bis zum Fünfmeterraum des Gegners, wo ausgerechnet der gut mitgelaufene Bouna Sarr vergab. Die anschließende Ecke allerdings fand jemand mit einem besseren Abschluss. Sané flankte weit vom Tor weg, wo Kane und Upamecano bemerkenswert frei standen. Kane wuchtete den Kopfball aus über elf Metern ins Netz.
Auch nach der Pause trudelte die Partie vor sich hin. Es wirkte wie eine Frage der Zeit, dass der Meister hier das dritte Tor macht und das Spiel austrudelt. Anstandslos und vollkommen ohne Vorzeichen wurde aus diesem gemächlichen Bundesliganachmittag ein völliges Chaos-Spiel. Im Mittelpunkt hier war Kim Min-Jae. Erst fälschte er Dinkcis Flanke nach Ballverlust Choupo-Motings ab, sodass Kleindienst nur noch einschieben brauchte (67.). Dann gab er völlig ohne Druck zentral beim Spielverlauf den Ball zu Beste, der sein Glück kaum fassen konnte. Kim fälschte abermals ab, Neuer hatte keine Chance und auf einmal war die komfortable 2:0-Führung gänzlich weg.
Die fünf Minuten des Wahnsinns waren allerdings noch nicht vorbei, denn der FC Bayern meldete sich sofort zurück. Laimer tankte sich über rechts durch, den ersten Abschluss hielt Heidenheims Müller noch, der zweite vom eingewechselten Guerreiro trudelte allerdings widerstandslos im Netz ein.
Die alte Zwei-Tore-Führung kam in der 85. Minute schließlich doch wieder. Tel setzte sich am rechten Strafraumeck fest, brach seinen Flankenversuch allerdings wohlüberlegt mehrfach ab, ehe sie dann doch perfekt auf Choupo-Moting kam, der genauso herrausragend ins lange Eck weiterleitete. Mit 4:2 trudelte dieses streckenweise seltsam-spektakuläre Spiel aus.
FC Bayern München vs. 1. FC Heidenheim: Das fiel auf
Rechts vor Links gilt derzeit nicht nur im Straßenverkehr. Ohne die formstarken Coman und ja, auch Davies, wirkte die Seite genauso ausgewechselt, wie sie es tatsächlich auch war. Erst in der 43. Spielminute schaltete sich die Seite erstmals wirklich gewinnbringend ein. Davor und danach war von beiden wenig zu sehen. Gnabry ist erkennbar nicht in Form. Größtenteils muss hier seine Verletzung angebracht werden, aus der er gerade kommt. Zur Wahrheit gehört jedoch auch, dass er schon vor dieser lange Zeit nach seiner Form suchte.
Bouna Sarr mag man für den Mangel an Offensivimpulsen keinen Strick drehen. Immerhin war er in den letzten zwei Jahren nicht einmal auf geringfügiger Basis Profi-Fußballer (zu allerdings alles andere als Mini-Job-Bezügen). Dass Sarr 90 Minuten ohne katastrophale Fehlpässe oder schlimme Zweikampfverluste auskam, ist hier schon als positives Zeichen zu werten.
Nicht wirklich auffallen tat übrigens Aleksandar Pavlović. Als tiefer Sechser verstand er das Spiel des kurzen Balls. In dieser Funktion war er ein guter Ruhepol, von diesen Kurzpässen allerdings abgesehen, war nicht allzu viel zu sehen. Heidenheim suchte ihn überraschenderweise auch nicht wirklich im Pressing mehr als andere Spieler.
Spieler des Spiels: Lerry Kané (Larry Sane)
Lerry Kané? Larry Sane? Bedauerlicherweise gibt es keine wirklich gut klingende und somit logische Fusion der beiden besten Offensiven der Bayern-Saison. Diese linguistische Problematik, ist indes auch das einzige Problem beim Duo Leroy Sané und Harry Kane. Abermals servierte Sané gleich zwei starke Assists zu seinem kongenialen Sturmpartner, der nun nicht nur schon am 11. Spieltag bereits mehr Tore als die Torschützenkönige der letzten Saison hat, sondern Lewandowskis 41-Tore-Marke mit Fug und Recht ins Auge nehmen darf. Man vergisst ja gut und gerne, dass Lewandowski in der damaligen Rückrunde mehrere Spiele verletzt fehlte und so nur ganz knapp den Rekord brach, eigentlich war er nämlich nicht auf Kurs Rekordbruch, sondern Pulverisierung. Verletzungsfrei wäre er der 50er Marke deutlich näher gekommen, als einfach die 40 knapp zu überbieten.
Wie dem auch sei, Kane ist und bleibt ein Phänomen. Sein erstes Tor erinnert an den allerbesten Lewandowski, dessen Drehschüsse fast so etwas wie ein signature move waren und nicht selten ebenfalls genau die gleiche Kurve nahmen. Und doch sah man ihn mitunter auch mal auf Höhe des Linksverteidigers. Kane ist stets überall, wenn es drauf ankommt, allerdings auch immer da wo er muss. Hier unterscheidet er sich auch ein Stück weit von früheren mitspielenden Stürmern, die es gerne mal übertrieben und im entscheidenden Moment nicht in der Box zu finden waren (ein klassisches Miroslav-Klose-Problem).
Leroy Sané riss das Spiel weniger an sich als in den vergangenen Wochen, bestach dafür allerdings mit harten Scorerpunkten. Zwei Vorlagen, das heißt automatisch: Gute Leistung.
Enttäuschung des Spiels: Tuchels Wechsel
Das Chaos der schlimmen drei Minuten des Heidenheimer Doppelschlags lässt sich nicht auf eine einfache Lösung herunterbrechen. Fest steht allerdings, dass Tuchels Dreifachwechsel in der 61. Spielminute nicht halfen und das völlig unabhängig von Choupo-Motings Fehlpass vor dem 1:2. Eine so noch nie zusammenspielende Elf mitten im Spiel gleichzeitig auf drei Positionen zu verändern, ist einfach sehr risikobehaftet und unruhestiftend. Besser wäre es zunächst nur Upamecano, und erst später den ebenfalls zentralen Müller vom Feld zu nehmen. Zur Wahrheit gehört allerdings auch, dass es diese Joker waren, die die entscheidenden Tore in der 2. Spielhälfte schossen.
Die Daten zum Spiel:
Tore: 1:0, 2:0 Kane (14., 44.), 2:1 Kleindienst (67.), 2:2 Beste (70.), 3:2 Guerreiro (72.), 4:2 Choupo-Moting (85.)
Gelbe Karte: Mazraoui (3.)
Aufstellung FC Bayern München: Neuer – Mazraoui , Upamecano (Guerreiro, 61.), M.-J. Kim, Sarr – Laimer, Pavlovic (Davies, 75.), L. Sané, T. Müller (Choupo-Moting, 61.) , Gnabry (Tel, 61.) – Kane
Aufstellung 1. FC Heidenheim: Ke. Müller – Traoré, P. Mainka, Gimber (Schimmer, 83.), Föhrenbach – Maloney (Sessa, 61.), Theuerkauf (Beck, 61.), Dinkci (Pick, 83.), Schöppner, Beste (Thomalla, 90.) – Kleindienst