FC Bayern: Ist Momoko Tanikawa das fehlende Puzzleteil? „Die beste Spielerin Schwedens“ im Scouting Report
Vieles am Transfer von Momoko Tanikawa erinnert an Georgia Stanway – und das, obwohl vieles auch ganz anders ist. Klar, der Wechsel der Engländerin im Jahr 2022 war eine viel größere Nummer. Sie hatte in der englischen Liga bereits für Aufsehen gesorgt, spielte später eine überragende Heim-Europameisterschaft.
Aber auch Tanikawa war ein echter Statement-Transfer. Nach Informationen von Miasanrot waren neben den Bayern auch Clubs aus England, Spanien und Frankreich an ihr interessiert. Sie entschied sich letztlich für die sportliche Perspektive in München, auch weil der FCB frühzeitig an ihr dran war und man sich im Probetraining gegenseitig beeindruckte. Sie wurde nach dem Transfer erstmal an den FC Rosengard ausgeliehen.
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Dort reifte sie zu einer Top-Spielerin innerhalb der Liga. Laut Alexander Straus sogar zur „besten Spielerin Schwedens“. Für die japanische Nationalelf absolvierte sie bereits acht Länderspiele, traf trotz vielen Kurzeinsätzen dreimal und bereitete ein Tor vor – bei Olympia reichten ihr insgesamt zwölf Minuten Einsatzzeit für ein Tor. Gegen Brasilien wurde sie bei 0:1-Rückstand in der Schlussphase eingewechselt, holte einen Elfmeter heraus und traf dann sehenswert zum Sieg.
Ein Übel im Fußball der Frauen ist die Verfügbarkeit an Informationen. Statistiken, Videomaterial, manchmal sogar simple Dinge wie der starke Fuß, die Körpergröße oder die exakte Position. Wir sind in die Recherche gegangen, haben Hintergrundgespräche mit Expert*innen und Wegbegleiter*innen geführt und stellen die 19-Jährige nun vor.
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FC Bayern: Auf welcher Position spielt Momoko Tanikawa?
Zwei schnelle Informationen bietet das Internet, wenn man die Position von Momoko Tanikawa herausfinden möchte: Sie ist Mittelfeldspielerin und sie erzielte für Rosengard sehr viele Tore: 16 in 20 Ligaspielen. Hinzu kommen drei Vorlagen und drei Tore in fünf Partien im schwedischen Pokal. Die erste Assoziation dürfte also sein: Offensive Mittelfeldspielerin.
Tatsächlich hat Tanikawa auf dieser Position in ihrer noch jungen Karriere schon häufig gespielt. „Obwohl sie eine offensive Mittelfeldspielerin ist, kann sie im Angriff jede Position übernehmen, auch als Sturmspitze“, erklärte Francisco De Sá Fardilha bei der Vorstellung der Nationalspielerin im Januar.
Dann ist das ja geklärt. Wobei. Kurzer Blick auf die Beschreibung von De Sá Fardilha im Miasanrot-Interview vor wenigen Tagen: „Sie wird unsere Optionen erweitern, denn sie kann eine der zwei Positionen auf der Doppelsechs spielen. Im 4-2-3-1 kann sie in jeder Position spielen. Und auch in der Offensivreihe kann sie beinahe jede Position spielen.“
Doppelsechs also? Interessant. Und hier kommt die nächste Parallele zu Stanway ins Spiel: Auch die Engländerin kam als Offensivspielerin zum FC Bayern, wurde dann aber auf der Achterposition eingesetzt, die sie vor allem für England herausragend bekleidete.
Momoko Tanikawa: FC Bayern plant mit ihr im zentralen Mittelfeld, aber …
Die Bayern planen auch mit Tanikawa zunächst im zentralen Mittelfeld – also auf der Doppelsechs und dann vermutlich in einer Achterrolle. Ein großes Problem in dieser Saison ist, dass Stanway zu viel Verantwortung schultern muss. Der Spielaufbau steht und fällt mit ihr.
Sarah Zadrazil und Julia Zigiotti Olme sind eher Abräumerinnen und können der Spielgestaltung nicht viel kreativen Input geben. Auch Sam Kerr ist keine Taktgeberin und Spielgestalterin und hat seit ihrer Ankunft Probleme, ihre Qualitäten zu zeigen. Lena Oberdorf wurde geholt, um das Mittelfeld breiter und fußballerisch besser aufzustellen, verletzte sich aber schwer.
Auch deshalb wird Tanikawa vorerst im zentralen Mittelfeld eingeplant. Sie kann Stanway ersetzen, wenn die Engländerin eine Pause benötigt, sie kann aber auch neben ihr spielen. Hier wird das Zusammenspiel interessant. Stanway hat ebenfalls einen gewissen Offensivdrang in ihrem Spiel, müsste neben Tanikawa aber wohl häufiger die Defensive absichern. Oder Straus stellt auf ein 4-3-3 mit Sechserin und zwei Achterinnen um.
In Stein gemeißelt ist die Rolle für das Top-Talent aber noch nicht. Verletzungen, Rotation und Anpassungen auf den Gegner können auch dazu führen, dass sie unabhängig vom initialen Plan offensiver eingesetzt wird.
Momoko Tanikawa: Was sind ihre Stärken und Schwächen?
Tanikawa spielte bei Rosengard vorrangig auf der Achterposition und zeigte dort, was für einen großen Einfluss sie auf den Ballvortrag haben kann. Mit nur 18 beziehungsweise mittlerweile 19 Jahren schaffte sie es, den Spielaufbau eines Clubs, der normalerweise in der Champions League vertreten ist, sofort auf ein neues Level zu hieven.
In Rosengard gab es im Jahr 2023 nach dem deutlichen Verpassen der Königinnenklasse große Kritik am behäbigen Spielaufbau. Zu langsam, zu vorhersehbar, zu langweilig. Tanikawa hatte großen Anteil daran, dass das im Jahr 2024 kein großes Thema mehr war. Die Japanerin brachte Dynamik und technische Qualität ins Spiel und damit auch Tempo.
Gerade ihre Ballbehandlung ist beeindruckend. Tanikawa machte in der schwedischen Liga kaum Fehler, glänzte mit Handlungsschnelligkeit und guten Entscheidungen unter Druck und zeigte zudem keine Angst davor, mal in kurze Dribblings zu gehen oder einen schwierigen Pass zu spielen. Sie kann das Spiel im richtigen Augenblick mit einem Querpass beruhigen, aber auch mit einem Vertikalpass beschleunigen, wenn es notwendig ist.
Charakteristisch für sie sind kurze schnelle Bewegungen mit Richtungswechseln, wenn sie unter Druck gesetzt wird. Ein Klassiker ist das Zurückziehen des Balls mit der Sohle, um ihn dann an der angreifenden Spielerin vorbeizulegen. Oder das Antäuschen des Vorbeigehens in eine, um dann doch in die andere Richtung zu gehen. Tanikawa hat einen unglaublich tiefen Körperschwerpunkt und ist entsprechend auch in engsten Räumen sehr beweglich.
Hat Tanikawa auch Schwächen?
In Ballbesitz ist sie vom Profil her eine komplette Spielerin, die von der tiefen Spielgestaltung bis zum Erzielen und Vorbereiten von Toren alles kann. Für Rosengard traf sie mehrfach aus der Distanz, brachte aber auch durch Läufe in den Strafraum immer wieder Unruhe in die gegnerische Defensive. Ihr Spielverständnis und die Antizipation von Situationen ragen heraus.
Verbesserungspotenzial gibt es allenfalls in der Arbeit gegen den Ball. Im Anlauf- und Zweikampfverhalten wird sie athletisch und körperlich noch Fortschritte machen müssen, was in dem Alter aber auch nicht besonders überraschend ist. Zumal sie in der schwedischen Liga auch hier bereits ein gutes Grundniveau hatte.
Beim FC Bayern ist man entsprechend optimistisch, dass sie sich relativ schnell an die neue Liga anpassen wird. Und in Schweden ehrte man ihre Leistungen kürzlich: Tanikawa wurde von der Spielerinnenvereinigung „Spelarforeningen“ als Schwedens Spielerin des Jahres ausgezeichnet.
Ein ähnlich großes Upgrade wie einst Stanway?
Der Transfer der vorhandenen Qualitäten auf ein höheres Niveau ist bei jedem Talent der größte Schritt. Auch wenn Tanikawa bereits bei einem Club spielen konnte, der normalerweise den Anspruch hat, in der Champions League zu spielen, wird die Bundesliga ein anderes Niveau sein. Schweden hat eine gute Liga, aber Deutschland eine noch bessere.
Trotzdem kommen die öffentlichen Aussagen der Bayern nicht von ungefähr. „Beste Spielerin Schwedens“ oder auch „eine der besten Nachwuchsspielerinnen weltweit“ (De Sá Fardilha via FC Bayern) – das sind große Vorschusslorbeeren. Bisher macht Tanikawa nicht den Eindruck, als würde Druck ihr etwas ausmachen. Weder auf, noch neben dem Platz.
Ob sie ein ähnlich großes Upgrade für das Mittelfeld wird wie einst Stanway, muss abgewartet werden. Ihre Anlagen sind aber derart vielversprechend, dass man in München nicht mit allzu viel Anlaufzeit rechnet, sondern mit einer Sofortverstärkung. Tanikawa soll schon in der Rückrunde ein wichtiger Bestandteil des Teams werden.
Und auch aus Marketingsicht kann der Transfer zum Coup werden. In Japan hat die junge Spielerin bereits zahlreiche Anhänger*innen. Eine Nation, in der der Fußball der Frauen riesig ist. Das bietet den Bayern zusätzlich zum großen Talent der Spielerin ein enormes Wachstumspotenzial.
Tanikawa, da muss man sich nicht zu weit aus dem Fenster lehnen, ist schon jetzt einer der spannendsten Transfers der letzten Jahre.
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