FC Bayern: Mia San Mia – Fans in Vielfalt vereint

Sophia Trenner 20.07.2024

Sonntag, 17:30 Uhr in Deutschland. Die in schwarz gekleideten Wolfsburger stoßen an. Nach nur vier Minuten Spielzeit jubelt das Stadion, denn Lovro Zvonarek bringt den FC Bayern München früh in Führung. Auch in Argentinien wird gejubelt, die Partie läuft während der Mittagszeit. Nach einem langen und anstrengenden Tag fiebert man in Indien vor dem heimischen Fernseher mit. Länder, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Und doch gibt es eine Gemeinsamkeit, die verbindet: der Fußball.

Kaum eine Wolke war am strahlend blauen Himmel zu sehen, als ich mich zusammen mit meiner Familie aufmachte in Richtung Stadioneingang. Die Sonne glitzerte auf der Bronzestatue von Gerd Müller. Seit ihrer Errichtung im September 2023 wurde sie zum inoffiziellen Treffpunkt vieler Fans.

Aber auch an anderen Orten rund um die Esplanade fanden sich Menschentrauben ein, vor allem die kleinen Transporter, umgebaut zu mobilen Fanshops, waren rege besucht. Andere Besucher setzten ihren Weg in Richtung Einlasskontrolle unbeirrt fort. Dennoch waren fast alle zu diesem Zeitpunkt vereint in der Tatsache, dass sie hier waren, um ein letztes Mal in der Saison 2023/24 ihrem FC Bayern zuzujubeln.

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Doch nicht jeder Fan kann vor Ort sein. Die Allianz Arena bietet Platz für rund 75.000 Anhänger – viel zu wenig, wenn man die Anzahl der Mitglieder betrachtet: 360.000. In mehr als hundert Ländern gibt es knapp 500 offizielle Fanclubs, mit wiederum mehr als 41.600 Fanclub-Mitgliedern.

Auf keinen Fall darf man die Zuschauer vergessen, die vor ihren heimischen Fernsehgeräten sitzen und den Münchnern die Daumen drücken. Oder die, die übers Internet oder die Sportlektüre ihrer Wahl informiert bleiben bezüglich den Geschehnissen rund um den Verein. Wenn man all diese Faktoren mit einbezieht, dann spricht man von mehreren Millionen Fans auf der ganzen Welt. Und sie alle vereint der FC Bayern. 

Internationale Fans des FC Bayern: Viele Geschichten, Eine Verbindung

Cata wohnt in Argentinien und kann sich noch ganz genau an den Moment erinnern, als sie Fan des FC Bayern wurde. Während der Weltmeisterschaft 2018 drückte sie der deutschen Nationalmannschaft die Daumen. Das ruhmlose Abschneiden als Gruppenletzter hielt sie nicht davon ab, sich genauer über die Spieler zu informieren, die ihr während des Turniers aufgefallen waren. Sie fand viel, was ihr gefiel. Vor allem der unerbittliche Siegeswille des FC Bayern sprach sie an.

Dev berichtet von einer ähnlichen Erinnerung. Bei ihm war es die Weltmeisterschaft 2014 – ein famoses Turnier für die deutsche Nationalmannschaft und ihre Anhänger. Während der Partie gegen Portugal stach ihm Philipp Lahm ins Auge. Obwohl das Spiel mit 4:0 souverän gewonnen zu sein schien, mahnte der Kapitän seine Mitspieler zur Konzentration.

Dev lebt in Indien. Einem Land, in dem der Fußball keine große Popularität genießt. Doch als die ersten Fernsehsender ab 2015 begannen, Partien der Bundesliga auszustrahlen, da saß Dev vor dem Bildschirm und beobachtete aufmerksam sein Idol – und somit auch den FC Bayern. 

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Philipp Lahm prägte über viele Jahre hinweg das Spiel des FC Bayern und trat, selbst bei schmerzhaften Niederlagen, mit einer Souveränität auf, die seinesgleichen sucht. Nico aus Großbritannien erinnert sich vor allem an die Szenen nach dem verlorenen Finale Dahoam, als Lahm als Leader auftrat. Doch der FC Bayern definiert sich nicht über ein oder zwei Partien.

Stattdessen greifen die Münchner zurück auf ein prall gefülltes Trophäenkabinett – und eine noch reichere Vereinsgeschichte. Eine Tatsache, die Nico sehr schätzt. Vor allem das Vereinsmotto „Mia San Mia“ ist für ihn besonders, denn Nico ist Teil der „LGBTQIA+“-Gemeinschaft. Wir sind, wer wir sind. Ein Motto mit vielschichtiger Bedeutung. 

Vereinspräsident Herbert Hainer ließ sich erst kürzlich im Vereinsmagazin 51 wie folgt zitieren: „Dass dieser Club für viele Menschen eine Heimat darstellt und sich Menschen auf der ganzen Welt mit ihm und seinen Werten identifizieren können.“ Und weiter: „Jeder Mensch ist beim FC Bayern willkommen, egal welchen Hintergrund er hat: Der FC Bayern vereint die Menschen.“

Mazin kann da nur zustimmen. Als er sechs Jahre alt war, erkrankte ein Familienmitglied schwer. Die Familie verließ den Oman und machte sich auf nach Deutschland, da man sich dort die beste Behandlung versprach. Mazin kehrte bald in seine Heimat zurück, doch jeden Sommer verbrachte er zusammen mit seiner Familie mehrere Wochen in München, selbst als die Behandlung schon lange abgeschlossen war.

Er verliebte sich in die Stadt, die Kultur und die Menschen vor Ort. Zur gleichen Zeit weckte der Fußball sein Interesse. Seine Freunde unterstützten Real Madrid oder den FC Barcelona, doch Mazin wollte einen Verein finden, zu dem er eine wirkliche Verbindung spürt. Eine, die über das Spielfeld hinausgeht. Der FC Bayern schien die logische Wahl zu sein.  

FC Bayern München: Rot und Weiß in der großen weiten Welt

Wie fühlt es sich also an, Teil der Bayern-Familie zu sein? Und kann man sich als Teil des FC Bayern fühlen, selbst wenn man tausende Kilometer entfernt lebt?

Für Mazin gibt es positive Seiten, aber auch negative. Beispielsweise fällt es ihm schwer, Diskussionen rund um den Verein zu folgen, da diese häufig auf Deutsch geführt werden. Manchmal hat er auch Probleme, gewisse Gedanken oder Gefühle zu verstehen. Doch weniger akzeptiert fühlt er sich nicht, ganz im Gegenteil. Viele deutschsprachige Fans übersetzen gerne für ihn und versuchen, ihn bei relevanten Themen auch über andere Wege miteinzubeziehen. 

Victoria lebt in Venezuela und ist mit Herz und Seele Fan des FC Bayern. Am meisten hat sie überrascht, dass sie so viele neue Leute kennenlernen durfte, die alle die gleiche Leidenschaft teilen. Zum Teil sind daraus auch Freundschaften entstanden.

Vor allem als Frau sieht sie das nicht als selbstverständlich an, schließlich gibt es immer noch einen Teil der Gesellschaft, der Frauen im Männerfußball jegliche Kompetenz abspricht. Der FC Bayern ist für Victoria das Herz des deutschen Fußballs. Trotzdem hat sie nicht das Gefühl, dass die internationalen Fans zurückgelassen werden. Victoria spricht von einer Gemeinschaft, wo viele Leute zusammenfinden, um ein großes Gesamtbild zu ergeben. Das „Mia San Mia“-Gefühl eben. 

Der Kampf gegen Vorurteile

Cata geht es ähnlich. Das ständige Hinterfragen ihrer Unterstützung durch andere Fans, die auf diversen Social-Media-Plattformen Anonymität genießen, empfindet sie als schmerzhaft. Teils wirkt es so, als würde sie nie gleichberechtigt sein aufgrund ihrer Herkunft oder ihrem Geschlecht. Es gab eine Zeit, noch gar nicht so lange her, da fühlte Cata sich sogar machtlos. Denn alles was sie von ihrem Zuhause aus tun konnte war Beiträge zu kommentieren.

Rückblick: Ende 2023 trainierte Jérôme Boateng aufgrund des ausgedünnten Kaders (vor allem die Innenverteidigung wurde von Verletzungen schon fast heimgesucht) wieder bei dem Verein, wo er den Großteil seiner Karriere verbrachte. Ein längerfristiges Engagement stand sogar im Raum. Eine Tatsache, die viele nicht gut hießen. Gewalt gegen Frauen sei eben keine private Sache. Miasanrot nahm hierzu eine deutliche Positionierung vor.

Dennoch zweifelte Cata nie an ihrer Verbundenheit mit dem FC Bayern. Teil einer solch großen Gemeinschaft zu sein hat nämlich auch positive Aspekte. Sie knüpfte viele neue Freundschaften. Mit manchen Leuten steht sie gar täglich im Austausch – und das über viele Jahre hinweg. Die Möglichkeit, mit anderen Fans zu diskutieren, die den Verein genauso lieben und auch leben wie sie, empfindet sie als besonders.

Dabei tut es nichts zur Sache, dass sie teilweise die echten Namen oder Gesichter der Fans nicht kennt. Die gemeinsam durchlebten Höhen und Tiefen vereinen. Doch sie profitiert nicht nur auf privater Ebene, auch beruflich öffnete die Verbundenheit zum FC Bayern neue Türen. Cata ist Teil eines Podcasts über die Bundesliga und repräsentiert dort die Ansichten der Bayern-Fans. 

Als einziger Bayern-Fan im Umkreis musste Dev sich schon früh auf dem Platz beweisen. Er trägt das rote Trikot mit Stolz, wenn er und seine Freunde zusammen Fußball spielen. Denn „Mia San Mia“ ist für ihn mehr als nur drei Worte. Es wurde zum Lebensmotto. Respekt. Harte Arbeit. Ausgeglichenheit. All das sind Werte, die für ihn von Bedeutung sind.

Und diese Werte sieht er fast jedes Wochenende in persona Thomas Müller. Mittlerweile wünscht Dev sich nichts sehnlicher, als in ein Flugzeug zu steigen und nach München zu fliegen. Sein großer Traum ist es, die Fankultur vor Ort zu genießen und ein Spiel seines FC Bayern in der Allianz Arena zu besuchen. Am besten, bevor Urgestein Müller seine Schuhe an den Nagel hängt. 

Internationale Fans des FCB: Erinnerungen, die für immer bleiben

Fußball ist eben doch mehr als nur Sport. Das wurde mir einmal mehr bewusst, als Dev erzählte, wie schlecht es ihm erging während der Corona Pandemie. Ein Einschnitt, den ich auf persönlicher Ebene nur allzu gut nachvollziehen kann. Die Endrunde der Champions League, gefolgt von dem Triumph in Lissabon, war in der Zeit einer der wenigen Gründe für ihn, sich über etwas zu freuen.

Victoria nennt den Finaltag, den 23. August 2020, sogar einen der besten Tage ihres Lebens. Auch für Mazin war die Saison 2019/20 besonders. Nicht nur gewann der FC Bayern die Champions League, die Mannschaft dominierte auf dem Feld so gut wie jede gegnerische Mannschaft und spielte einen wunderschönen, offensiven Fußball.

Dieser Meinung schließt sich auch Nico an. Irgendwie auch nachvollziehbar, schließlich gewinnt der Herzensverein nicht jeden Tag das Sextuple. Doch eine ganz persönliche Erfahrung wird Nico für immer in Erinnerung bleiben. Aufgrund der Distanz kann er nicht viele Spiele vor Ort besuchen.

Er würde es jedoch gerne. Für eine besondere Partie war ihm der lange Weg jedoch egal: das Abschiedsspiel von Bastian Schweinsteiger. Verschiedene Generationen kamen am 28. August 2018 zusammen, um sich von „Schweini“ zu verabschieden. Alle bedankten sich auf ihre eigene Art und Weise bei einer Legende des deutschen Fußballs. Tränen flossen. Manche aus Traurigkeit. Aber manche auch aus Freude. 

Vielen Dank!

Nun ist der Zeitpunkt gekommen, um mich zu bedanken bei Dev Vidit, Nico Margett, Cata Beltramino, Victoria Pérez und Mazin Al-Jarwani. Sie alle waren bereit über ihre Erlebnisse als internationale Fans zu sprechen und gaben das Einverständnis ihre Geschichte mit euch zu teilen. Denn hier sollen die im Rampenlicht stehen, die meistens eine Randposition einnehmen. Unsere internationalen Fans.

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