Leon Goretzka und Harry Kane (FC Bayern München) vor dem Rückspiel gegen Inter Mailand
Bild: Alex Grimm/Getty Images

FC Bayern gegen Inter: Mit Mut und Tempo zur Wende?

Andi Trenner 16.04.2025



Der FC Bayern steht vor einer anspruchsvollen Aufgabe. Nach der 1:2-Heimniederlage im Hinspiel muss das Team von Vincent Kompany in Mailand das Blatt wenden – ausgerechnet bei einer Mannschaft, die es wie kaum eine andere versteht, kompakt zu stehen, tief zu verteidigen und über schnelle Angreifer gefährlich zu kontern.

Und das mit einer Defensive, die personell kaum Optionen lässt und der es an Tempo fehlt – wieder ausgerechnet gegen Inter, das vorn mit viel Beweglichkeit und Speed agiert.

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Doch ein Wunder braucht es dafür nicht. Ein Sieg – und zumindest die Verlängerung wäre erreicht. Und das gegen ein Team, das man vor einer Woche über weite Strecken klar dominierte. Die xGoals-Werte unterscheiden sich von Anbieter zu Anbieter, aber alle sagen: Bayern erspielte sich ungefähr dreimal so viele Chancen wie Inter.

Allein die Chancenverwertung machte den Unterschied. Die alten Muster traten erneut zutage: Vorne zu fahrlässig, hinten zu anfällig. Und dennoch: Die Leistung aus dem Hinspiel macht Mut.

Denn Inter Mailand zeigte sich keineswegs unüberwindbar. Defensiv gut organisiert, ja – aber keineswegs unangreifbar. Miasanrot blickt vor dem Rückspiel in Mailand auf die Ausgangslage, die personellen Optionen – und auf die Frage, was Vincent Kompany diesmal anders machen könnte, um die Wende zu schaffen.

FC Bayern-Defensive: Mut zur Lücke?

Dass es auch in Mailand wieder zu Chancen für Inter kommen wird, ist kaum zu vermeiden. Vielleicht liegt die Lösung für den FC Bayern München genau darin, das zu akzeptieren – und stattdessen die eigenen Stärken mutig in den Vordergrund zu stellen.

Vor allem über die linke Seite könnten sich Räume bieten: Denzel Dumfries fehlt weiterhin, Ersatzmann Matteo Darmian agierte schon im Hinspiel defensiv anfällig. Pavard, als rechter Innenverteidiger, wirkte ebenfalls unsicher.

Kompany könnte das nutzen und statt des defensiv stärkeren Josip Stanišić auf Raphaël Guerreiro setzen – trotz seiner Schwächen im Rückwärtsgang. Der Portugiese bringt im Ballbesitzspiel deutlich mehr Gefahr und Präzision mit als der kroatischen Nationalspieler, gerade wenn Bayern dominieren will.

Die übrige Viererkette dürfte sich kaum ändern: Konrad Laimer, Eric Dier und Min-jae Kim sind gesetzt. Auch wenn alle drei zuletzt nicht fehlerfrei agierten, scheint Vincent Kompany auf Kontinuität zu setzen – besonders im Zentrum. Eric Dier bringt Erfahrung und Stabilität in der Luft, Laimer ist auf der rechten Seite trotz Formschwankungen kaum zu ersetzen. Spannend bleibt vor allem die Personalie Min-jae Kim.

Der Südkoreaner ist sportlich seit Wochen ein Unsicherheitsfaktor. Gegen Inter stand er kurz vor einem Platzverweis, gegen Dortmund leistete er sich einen schwerwiegenden Stellungsfehler und wurde deshalb jeweils vorzeitig ausgewechselt. Doch Kompany hat ihm über die gesamte Saison hinweg das Vertrauen ausgesprochen – und das spricht vieles dafür, dass er auch in Mailand wieder auf Kim baut.

Dabei gäbe es theoretisch Alternativen: Josip Stanišić könnte von der Außenbahn ins Zentrum rücken, Leon Goretzka ließe sich aus dem Mittelfeld zurückziehen. Beide Lösungen würden wohl für ein tieferes, kompakteres Verteidigen sprechen – doch beide wirken nicht besonders wahrscheinlich. Bayern dürfte mit Dier und Kim ins Rückspiel gehen. Die Frage ist nur, ob sie das Vertrauen diesmal zurückzahlen.

Das Mittelfeld des FC Bayern: Wo ist die Balance?

Im Mittelfeld spricht vieles erneut für die Doppelsechs Kimmich–Goretzka. Palhinha spielte zuletzt keine Rolle mehr, Pavlović ist nach seiner Erkrankung noch nicht wieder bei voller Fitness. Goretzka hätte auf der Zehn vielleicht mehr Wirkung entfalten können, doch es fehlt schlicht an Alternativen. Auch wenn die Balance nicht perfekt ist – Kompany scheint auf Erfahrung zu setzen. Und auf die Hoffnung, dass die Ordnung diesmal länger hält.

Auch im zentralen Mittelfeld wird Vincent Kompany aller Voraussicht nach auf das bewährte Duo Joshua Kimmich und Leon Goretzka setzen. Goretzka tat sich im Hinspiel zwar spürbar schwer, wirkte im Zentrum oft unglücklich positioniert und hatte Probleme im Spielaufbau. Möglicherweise hätte er eine Position weiter vorne besser zur Geltung kommen können – doch die Optionen sind begrenzt.

João Palhinha spielt in Kompanys Überlegungen aktuell kaum eine Rolle. Gegen Inter war der Portugiese der einzige verfügbare Profi, der komplett ohne Einsatz blieb. Und auch im Bundesliga-Topspiel gegen Dortmund kam er nicht aufs Feld – stattdessen erhielt der gerade erst genesene Aleksandar Pavlović den Vorzug.

Doch auch Pavlović ist nach seiner langen Pause noch nicht wieder bereit für die Startelf. Beim Kurzeinsatz gegen den BVB war deutlich zu erkennen, dass ihm nach dem Pfeifferschen Drüsenfieber noch die Wettkampfpraxis fehlt.

Aus vier mach drei – wer unterstützt Kane aus der FCB-Offensive?

Die spannendste Frage in der Offensive lautet: Wie stellt Kompany die Dreierreihe hinter Harry Kane auf? Mit Michael Olise, Leroy Sané, Thomas Müller und Serge Gnabry gibt es vier ernsthafte Kandidaten für drei Startplätze. Kingsley Coman dürfte nach seiner Verletzungspause zunächst nur als Joker in Betracht kommen.

Olise ist trotz kleiner Schwächen im Rückwärtsgang wohl gesetzt. Seine Saison ist bislang überragend, seine Kreativität auf der rechten Seite unersetzlich. Auch wenn ihm im Hinspiel vor dem ersten Inter-Tor etwas zu wenig Gegenwehr im Mittelfeld anzukreiden ist, bleibt sein offensiver Wert für die Bayern unbestritten.

Denkbar wäre ein Einsatz auf der Zehn – wahrscheinlicher ist jedoch, dass er erneut über rechts kommt. Im Zentrum spricht vieles für Thomas Müller. Die Bayern-Ikone zeigte nach seiner Einwechslung im Hinspiel sofort Präsenz und war auch gegen Dortmund am Wochenende ein Aktivposten.

Kein Spieler im Kader verbindet Pressingintensität, Spielintelligenz und Übersicht so wie Müller. Gerade in jenen Momenten, wenn Inter sich tief in den eigenen Strafraum zurückzieht, sind es Ballgewinne und schnelle Verlagerungen, die den Unterschied machen können – wie im Hinspiel vor fast allen Möglichkeiten.

Damit bleibt die linke Seite. Und die könnte Serge Gnabry gehören. Der Flügelspieler hatte über weite Strecken der Saison mit Formschwankungen zu kämpfen und zuletzt schien der starke Sané völlig enteilt. Doch nun scheint sich das Blatt zu wenden: Bereits im Hinspiel brachte Gnabry nach seiner Einwechslung Schwung, setzte sich mehrfach gegen Pavard und Darmian durch.

Gegen Dortmund lieferte er dann seine bislang beste Leistung der Saison – leitete das 1:1 ein, erzielte das 2:1 selbst. Seine Torgefahr und sein Zug zum Abschluss könnten ihm nun den Startelfeinsatz bescheren – auch vor Sané.

Bayerns Schlüssel gegen Inter Mailand: Tempo, Tiefe, Tore

Noch gar keine Erwähnung fand Jonas Urbig. Ihn traf im Hinspiel keine Schuld an den Gegentoren, dafür fiel er mit guten Aktionen im Spielaufbau und präzisen langen Bällen auf. Auch im Rückspiel wird es für den jungen Keeper vor allem darum gehen, ruhig zu bleiben, das Spiel schnell zu machen und sein Team mit klugen Entscheidungen zu unterstützen.

Denn genau dort liegt eine große Chance: Inter zeigte sich nach Ballverlusten und bei schnellen Gegenstößen immer wieder anfällig. Bayern wird Tore brauchen – vermutlich mindestens drei, denn es wäre optimistisch zu glauben, dass Inter vor heimischer Kulisse ohne eigenen Treffer bleibt. Heißt im Klartext: Die Offensive muss liefern.

Harry Kane sollte Yann Sommer früh und regelmäßig prüfen – aus der Distanz, im Strafraum, mit allem, was Bayern zu bieten hat. Es braucht Mut, Konsequenz und Entschlossenheit. Und wenn all das zusammenkommt, ist sie möglich: die nächste magische Bayern-Nacht in Mailand – wäre nicht das erste Mal in der Champions League.

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