FC Bayern Basketball: Space Jam auf der Buckelpiste

Maurice Trenner 11.04.2022

Andrea Trinchieri wirkt erschöpft, stützt die Stirn in die Handfläche, atmet tief durch. „Okay“, sagt er nach dem 82:57-Erfolg gegen Roter Stern Belgrad, der sein Team zum zweiten Mal in Folge in die Playoffs der europäischen Königsklasse brachte. „Bis hierhin war die Saison wie eine Buckelpiste. Es war das erste Mal in meiner Trainerkarriere, dass ich so viele Dinge nicht unter Kontrolle hatte.“

Kein einziges Training mit komplettem Kader

Tatsächlich sind die Bayern in dieser Saison mächtig gebeutelt. Verletzungen und Corona-Cluster sind die größten Konstanten der bisherigen Spielzeit. Nachdem man in der vergangenen Spielzeit ohne einzigen Corona-Fall in der Mannschaft durch die Saison gekommen war, schlug es diesmal häufiger ein. Insgesamt dreimal musste das Teamtraining wegen Quarantäneanordungen ausgesetzt werden. Kein einziges Mal hatte Trinchieri seinen kompletten Kader ohne Einschränkungen zur Verfügung.

Dass zu Saisonbeginn mit Vladimir Lucic der Führungsspieler schlechthin ausfiel, war nicht minder ungünstig als die Ausfälle vom neuen Spielmacher Corey Walden und Routinier Othello Hunter, die die Achse der Mannschaft hätten bilden sollen. Entsprechend holprig ging es in die Saison, besonders auf europäischem Parkett ging wenig. Mit vier Niederlagen in Serie startete man in die EuroLeague und stand dadurch schnell unter Zugzwang.

Mit viel Kampf und großer Moral arbeitete sich die Mannschaft bis Mitte November zu einer ausgeglichenen Bilanz, wodurch man bis Anfang Februar im Dunstkreis der Playoff-Anwärter blieb. Bis nach dem Heimspiel gegen Maccabi Tel Aviv wieder Corona zuschlug, bei manchen Spielern zum zweiten Mal. „Es war wie bei Space Jam“, erinnert sich Trinchieri. Der Erfolg gegen die ambitionierten Israelis war der vierte aus den letzten fünf Spielen, man war dabei seinen Rhythmus zu finden. „Und dann, zack: Aliens haben uns alles genommen. Wir hatten keine Spieler mehr in der Halle, kein Training, keine Energie. Nichts.“

Insgesamt vier Wochen waren die Bayern in der EuroLeague ohne Spiel, musste zahlreiche Spiele verschieben, unter anderem auch die BBL-Topspiele gegen Berlin und Ulm. Nach der erneuten Quarantäne setzte es erstmal drei Niederlagen in Serie, ehe der russische Einmarsch in der Ukraine wieder alles auf den Kopf stellte. CSKA Moskau, Zenit St. Petersburg und Unics Kazan wurden aus dem Wettbewerb ausgeschlossen, die Ergebnisse annulliert. Für die Bayern bedeutete das einerseits, dass die drei Niederlage, die man in der Hinrunde in Russland hinnehmen musste, gestrichen wurden. Andererseits fielen auch die drei Heimspiele in der Rückrunde aus, ein finanzieller Verlust.

Sechs Spiele binnen neun Tagen, fünf Mal auswärts

Ob es ohne den Ausschluss der drei russischen Teams für die Playoffs gelangt hätte? Schwer zu sagen, wohl eher nicht. Aber dennoch ist man im Münchner Lager stolz darauf, dass man den Einzug in die KO-Phase erneut geschafft hat. Zu groß waren die Unwägbarkeiten in dieser Saison. So kam es in der ersten April-Woche beispielsweise zu einem absoluten Novum: Sechs Spiele binnen neun Tagen, fünf Mal auswärts: Freitag – Samstag – Montag – Mittwoch – Freitag – Sonntag. München, Oldenburg, Fenerbahce, Efes, Madrid, Gießen. Ein Spielplan, der in anderen Sportarten nicht denkbar wäre. „Wir schauen von Tag zu Tag und versuchen zu überleben“, beschreibt Trinchieri dieses nie dagewesene Pensum.

In Madrid, dem vierten der fünf Auswärtsspiele, zeigte sich im Übrigen, welche Moral in der Mannschaft steckt. Elf Minuten vor Schluss lag man in der spanischen Hauptstadt mit satten 19 Zählern zurück, ehe man im Schlussviertel den Turbo zündete und mit 38:13 eines der besten Schlussviertel der EuroLeague-Geschichte aufs Parkett zauberte und einen – besonders für den Kopf – enorm wichtigen Sieg mit zurück nach Deutschland nahm.

Die nächsten Wochen werden nicht minder anstrengend, wobei man Coach Trinchieri wünschen darf, dass die Piste nicht mehr ganz so holprig wird wie bislang. Am 19. April starten die Playoffs mit einem Auswärtsspiel beim haushohen Favoriten aus Barcelona. Wenn bis dahin die Aliens nicht wieder zuschlagen, könnten die Verletzten bzw. mit Coronafolgen laborierenden Nick Weiler-Babb und Walden wieder zurück im Kader sein.

Wozu die Mannschaft in voller Stärke in der Lage ist, konnte man bisher ja noch nicht sehen. Vielleicht sieht man es ja gegen den großen FC Barcelona? Befreit aufspielen kann man in jedem Fall.

EuroLeague Playoff-Termine (best-of-5)

FC Barcelona (1) vs FC Bayern Basketball (8)

Spiel 1 in Barcelona: Di., 19.04. 21 Uhr

Spiel 2 in Barcelona: Do., 21.04. 20 Uhr

Spiel 3 in München: Mi., 27.04. 19 Uhr

Spiel 4 in München: Fr., 29.04. 20.45 Uhr (falls nötig)

Spiel 5 in Barcelona: TBA (falls nötig)

Dieser Artikel wurde von Robert Heusel geschrieben. Robert schreibt sonst für das BIG Magazin und ist im Postgame Podcast zu hören. Wir sind froh, dass er für uns diese Saison der Basketballer immer wieder beleuchten wird.