FC Bayern geht beim FC Barcelona unter: Ein Problem, das sich nicht beheben lässt
Das Duell zwischen dem FC Bayern München und dem FC Barcelona in der Champions League brachte Geschichten auf mehreren Ebenen mit. Darunter das Wiedersehen mit Rekordstürmer Robert Lewandowski oder auch Sextuple-Trainer Hansi Flick.
Auch erwarteten viele Fans zwei Teams, die das Spiel offensiv angehen werden. In den vergangenen Wochen wurde Vincent Kompany mit seinem hohen Pressing häufig mit Flick verglichen. Die interessanteste, weil aktuellste Ebene ist aber die Ausgangslage.
Hier geht es zu einer ausführlichen Taktik-Analyse zur Niederlage des FC Bayern beim FC Barcelona
Sowohl die Bayern als auch Barcelona verloren bereits eine Partie. Bedeutete also: Wer dieses Spiel verliert, verliert auch erstmal den Anschluss an die Top-8, die direkten Zugang ins Achtelfinale ermöglichen.
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Kompany überraschte mit seiner Aufstellung nicht. Die Viererkette vor Manuel Neuer blieb im Vergleich zum 4:0 gegen den VfB Stuttgart gleich, João Palhinha ersetzte den verletzten Aleksandar Pavlović und vorn erhielt Thomas Müller den Vorzug vor Jamal Musiala, der offenbar noch nicht wieder hundertprozentig fit ist, aber auf der Bank saß.
Auch Flick setzte auf Bewährtes. Auf dem Papier stand abermals ein 4-2-3-1, das realtaktisch in den letzten Wochen aber eher ein 4-3-3 war. Raphinha und Lamine Yamal flankierten vorn Robert Lewandowski.
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FC Barcelona vs. FC Bayern: Der Spielverlauf
Die Partie begann direkt mit einer kalten Dusche für die Bayern. Der erste Angriff von Barcelona war schnell und klug ausgespielt, wodurch Raphinha frei auf Neuer zulief – und den Ball ins Tor schob (1.).
Danach machten es die Bayern aber gut, spielten das Barça-Pressing mit schnellen Verlagerungen immer wieder auseinander – und kamen zum verdienten Ausgleich durch Kane nach einem traumhaften Spielzug (10.). Allerdings stand der Engländer im Abseits und es blieb beim 0:1.
Den Ausgleich lieferte Kane wenig später dennoch. Nach einer Doppelverlagerung bekam er den Ball an den zweiten Pfosten serviert (18.). In der Folge entwickelte sich eine sehr offene Partie mit guten Ansätzen auf beiden Seiten. Das bessere Ende dieser Phase hatte der FC Barcelona. Ein langer Ball konnte von Kim nicht verteidigt werden, wobei der Südkoreaner auch leicht geschubst wurde. Auch Neuer sah nicht gut aus und Lewandowski erzielte das 2:1 (36.).
Und es kam noch schlimmer für die Münchner: Raphinha erhöhte kurz vor der Pause auf 3:1. Der Brasilianer war es dann auch, der in der zweiten Halbzeit mit dem 4:1 den Deckel draufmachte – Bayern schaffte es vorne nicht, aus den vielversprechenden Situationen etwas zu machen, hinten wurden sie eiskalt bestraft.
Drei Dinge, die auffielen:
Kompany und Flick zeigen sich gegenseitig Schwächen – aber nur einer erfolgreich
Aus taktischer Sicht war die Partie erwartbar interessant. Denn beide Teams haben sich gegenseitig die größten Schwächen aufgezeigt. Der FC Barcelona spielte das mannorientierte Pressing der Bayern unter anderem mit zwei Mitteln auseinander: Entweder individuelle Klasse der hochbegabten Techniker im Mittelfeld und Angriff oder abkippende Bewegungen von Lewandowski.
Der Pole zog immer wieder einen Verteidiger heraus, was Raum für die durchstartenden Flügelspieler öffnete. Auch Pedri schaffte es häufig, sich im Sechserraum der Bayern anzubieten. Das verschaffte den Katalanen Raum und Zeit.
Auf der anderen Seite haben die Bayern aber auch die Schwächen des Flick-Pressings gnadenlos aufgezeigt. Sie lockten Barça auf eine Seite, um dann zu verlagern und die Räume gegen die Außenverteidiger zu nutzen. Das zwischenzeitliche 1:1 fiel gar nach einer doppelten Verlagerung. Barças einziges Defensivkonzept war die Abseitsfalle.
Der Unterschied lässt sich am Ende auf drei Aspekte herunterbrechen: Bei Raphinha war jeder halbgefährliche Abschluss ein Tor. Coman und Sané kamen beide in ähnliche Situationen, aber nicht mal in die Nähe eines Torerfolgs. Und Olise wie auch Gnabry kamen nicht mal in diese Situationen. Allein das ist eine Qualitätsfrage.
Manuel Neuer bleibt ein Handicap
Manuel Neuer sammelt derzeit nicht gerade Pluspunkte für die wahrscheinlich anstehende Verlängerung. Der ehemalige Welttorhüter sah mindestens beim zweiten Gegentor nicht gut aus, kam viel zu hastig aus seinem Tor. Bei den anderen beiden Barça-Toren im ersten Durchgang schien er machtlos zu sein – wobei er gerade in Eins-gegen-eins-Situationen schon mal stärker war.
Beim vierten Tor der Katalanen war die Reaktionszeit des Keepers erschreckend langsam. Hinzu kamen einige leichtfertige Ballverluste, die zwar nicht bestraft wurden, aber das Potenzial hatten, teuer zu werden. Im Moment ist Neuer eher ein Handicap als eine Hilfe. Dass der FCB nicht mal darüber nachzudenken scheint, in der kommenden Saison mit einem anderen Torwart eine neue Zeitrechnung zu beginnen, verwundert sehr.
Das Ergebnis darf nicht die Analyse treiben
Fußball kann manchmal ein sehr einfaches Spiel sein. Auf der einen Seite machen Angreifer aus sehr wenigen guten Abschlüssen viele Tore, auf der anderen Seite gelingt es dem FC Bayern nicht mal, aus den sehr vielen guten Ansätzen die entsprechenden Chancen herauszuspielen. Und wenn sie da sind, werden sie leichtfertig vergeben.
Am Ende ist der Unterschied zwischen Barça und den Münchnern keiner auf der taktischen Ebene. Die Diskussionen werden sich wie schon nach dem Frankfurt-Spiel hauptsächlich darum drehen, wie gut das Kompany-System wirklich ist. Intern sollte man eher darauf schauen, wie man dem Trainer in Zukunft den Rücken stärken kann. Denn hier wurde gerade im Angriff ein größerer Umbruch fast schon fahrlässig versäumt.
Die strategische und taktische Richtung, die der Belgier und sein Team vorgeben, ist nach wie vor die richtige für den FC Bayern. Wer erwartet hat, dass die Münchner nach den letzten Jahren innerhalb weniger Monate alle Probleme gelöst bekommen, macht es sich vermutlich zu einfach.
Mit Rückschlägen war zu rechnen. Der Blick sollte in Zukunft aber vor allem kritisch auf den Kader gerichtet werden. Die offensive Harmlosigkeit trotz vielversprechender Angriffe ist eines der zentralen Probleme. Auch defensiv gibt es den einen oder anderen Spieler, der unter Druck zu sehr dazu neigt, falsche Entscheidungen zu treffen.
Klar ist: Eine im Ergebnis derart deutliche Niederlage schmerzt nicht nur, sondern bremst auch die letzte Euphorie, die es rund um Kompany gab, erstmal aus. Klar ist aber auch: So schlimm, wie es das Ergebnis am Ende impliziert, ist es nicht. Es wird vor allem auch darum gehen, weiter an sich und den eingeschlagenen Weg zu glauben.
Trotz der Kaderprobleme gibt es immer noch Entwicklungsspielraum. Auch beim FC Bayern sollte man in der Lage sein, dem Prozess etwas Zeit zu geben. Gut, dass die Probleme bereits im Oktober offengelegt werden. Es gibt auch nach diesem Spiel keinen Grund, alles grundlegend zu hinterfragen. Trotzdem sind vier sieglose Spiele aus den letzten fünf Partien sehr ernüchternd – unglücklicher Spielplan hin oder her.
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