FC Bayern: Gute Ansätze vollenden – Frauen auf gutem Weg

Justin Trenner 20.10.2022

Das sagte der Norweger nach dem Spiel bei DAZN. Unter allen Pflichtspielen war dieser Sieg im ersten Gruppenspiel vielleicht das interessanteste. Gegen einen Gegner, der sich vor allem darauf konzentrierte, das eigene Defensivdrittel kompakt zu verteidigen, konnte man über nahezu 90 Minuten einen Eindruck davon bekommen, wohin Straus mit dem Team möchte.

Auch wenn die erste Halbzeit nicht nach Plan lief, so zeigten die Münchnerinnen insgesamt eine sehr ansprechende Leistung – mit vielen guten Ansätzen, die manchmal noch etwas unvollendet daherkamen. Eine Standardsituation, bei der Maria Luisa Grohs nicht gut aussah und bei der auch die Zuordnung im Strafraum nicht stimmte, bedeutete im ersten Durchgang den Rückstand. „Wir haben ihnen eine Umschaltsituation gegeben und das Tor und das ist nicht gut, weil wir sonst die komplette Kontrolle hatten“, sagte Straus anschließend.

Aber das Team kam zurück. Eine Flanke von Caro Simon landete etwas glücklich im Tor der Gäste. In der zweiten Halbzeit rissen die Bayern schließlich das Spiel komplett an sich. In der vielleicht stärksten Phase der bisherigen Saison belohnten sie sich mit dem 2:1 durch Linda Dallmann, verpassten aber weitere Tore. „Am Ende geben wir ihnen wieder eine Standardsituation und es hätte 2:2 stehen können“, erklärte der Trainer dazu: „Das wäre dumm gewesen. Wir müssen cleverer und effizienter sein – vor allem im letzten Drittel.“

Bei aller Kritik war Straus dennoch zufrieden mit der Leistung – und das konnte er auch sein. Gerade die zweite Halbzeit ist abermals ein beachtlicher Schritt in die richtige Richtung. Miasanrot.de analysiert die Aspekte, die gegen Rosengard den Sieg brachten und in Zukunft entscheidend für den generellen Erfolg sein können.

FC Bayern: Die Grundstruktur

„Wir haben in der Halbzeit ein paar taktische Anpassungen gemacht“, gab Straus Einblicke in seine taktische Grundidee: „Da ging es darum, wie wir die Halbräume besser überladen können und ich denke, damit waren wir in der zweiten Halbzeit sehr erfolgreich.“ Im ersten Durchgang war die Spielanlage bereits gut. Bayern hatte einen ruhigen Spielaufbau, kaum Ballverluste und viel Kontrolle. Im letzten Drittel gelang allerdings wenig. An einer Szene aus der zweiten Halbzeit lässt sich erkennen, was die Münchnerinnen dann besonders gut gemacht haben.

Die ungefähre Anordnung in der 55. Minute gegen den FC Rosengard in der Champions League.

Hier ist die von Straus angesprochene Überladung gut zu erkennen. Glódis Perla Viggósdóttir dribbelt an und hat direkt mehrere Dreiecke, die sich vor ihr bilden. Aus dieser Grundstruktur heraus ergeben sich mehrere Vorteile, die wir in den nächsten Schritten nach und nach aufarbeiten werden. Wichtig ist aber, dass die Passwege nicht zu lang werden und viele Spielerinnen in Ballnähe sind, ohne sich gegenseitig die Räume wegzunehmen.

Das gelingt in dieser Szene bereits gut. Lediglich die linke Spielfeldhälfte könnte noch etwas näher an die rechte heranrücken. Stanway würde so wohl mindestens eine Gegenspielerin weiter mit ins Zentrum nehmen und so Raum für eine etwaige Verlagerung schaffen, falls der Druck rechts doch zu groß wird. Wiederkehrende Muster im Spiel des FC Bayern lassen sich hier dennoch exemplarisch zeigen:

  • Unterstützung der Stürmerin durch mindestens zwei Mittelfeldspielerinnen
  • Tiefe kreieren – hier durch Rall und Damnjanovic, die in dieser Szene durch die Schnittstelle hinter die Abwehrkette startet
  • den Raum zwischen den Linien besetzen
  • Spiel durch den Halbraum – und dafür den Flügel im Idealfall nur einfach besetzen

Lina Magull als Dreh- und Angelpunkt des FC Bayern

Die Szene ist auch deshalb ein gutes Beispiel, weil Lina Magull strukturell im Mittelpunkt steht. Sie ist hier der Dreh- und Angelpunkt. Die 28-Jährige ist dafür am besten geeignet, weil sie die Spielerin im Mittelfeld ist, die die besten Entscheidungen in engen Räumen trifft. Gegen Rosengard gab es gleich mehrere Situationen, in denen sie zwischen den Linien klug aufdrehte oder den Ball richtigerweise klatschen ließ. Die meisten davon in der zweiten Halbzeit, in der sie auf die zentralere Position der ausgewechselten Sydney Lohmann rückte. Ist die Kapitänin in Form, ist sie nur schwer vom Ball zu trennen.

Jens Scheuer nutzte diese Qualität vor allem im Achter- und Sechserraum. In der Nationalelf und jetzt unter Straus spielt sie eher im Zehner- beziehungsweise in den Halbräumen. Dort kann sie ihre Qualität im Passspiel, ihre Torgefährlichkeit und auch ihr gutes Verständnis im (Gegen-)Pressing gut ausspielen. Bekommt Bayern sie in solchen Situationen gut eingebunden, entsteht fast immer eine gefährliche Offensivaktion.

Damit bindet die Nationalspielerin auch mehrere Gegenspielerinnen, die sich vor allem darauf fokussieren, den Passweg zu ihr zuzustellen. Das gibt Linda Dallmann und Maximiliane Rall auf der Außenbahn Zeit, wenn sie den Ball erhalten. In dieser Szene kombinieren sich die Bayern kurz über den Flügel und verlagern das Spiel dann in die Mitte, wo Sarah Zadrazil an den Ball kommt.

Was dann passiert, ist große individuelle, aber auch gruppentaktische Qualität. Stanway hat es mittlerweile ins Zentrum geschafft, während Magull wieder den Mittelpunkt zwischen mehreren Spielerinnen um sich herum bildet. Rall und Damnjanovic binden zwei Gegenspielerinnen, wodurch sich die Schnittstelle vor Magull öffnet. Durch das Spiel über die Dritte (Stanway) erhält die Kapitänin den Ball und es wird gefährlich.

Auch wenn kein Abschluss daraus entsteht, weil die Verteidigerin gerade so klären kann, war das ein sehr hochwertiger Spielzug. Viele andere Angriffe wurden in dieser Saison ähnlich initiiert, wenngleich noch nicht alle Abläufe optimal passen. Ein Problem ist auch, dass sowohl Lea Schüller als auch Jovana Damnjanovic noch nicht in Bestform sind. Beide haben hier und da Schwierigkeiten mit der Anbindung ans Spiel und beide treffen noch nicht so regelmäßig, wie es ihr eigener Anspruch ist

FC Bayern: Bundesliga-Daten zeigen Potential

Was die Offensive angeht zeigen auch Opta-Daten, dass Bayern aus dem vielen Ballbesitz noch zu wenig Chancen kreiert. 47 Abschlüsse aus dem Spiel heraus (Bundesliga) sind im Vergleich zu Wolfsburgs 70 noch ausbaufähig. Mit 6,13 Expected Goals (Wolfsburg: 10,82) ist die Qualität dieser Abschlüsse aber meist sehr hoch.

Interessant ist zudem, dass kein Team den Ball so kontrolliert laufen lässt wie die Bayern. 3,63 Pässe durchschnittlich pro Ballbesitzsequenz und 9,47 Sekunden Ballbesitz pro Sequenz sind Bestwerte in der Liga. Bayern zählt zu den Teams, die geduldig aufbauen, während Wolfsburg beispielsweise etwas direkter in die Spitze spielt.

Ausbaufähig ist nach wie vor das Pressing. Auch wenn die Stichprobengröße nach vier Spieltagen noch nicht groß sind und es insbesondere dann schwer ist, hoch anzulaufen, wenn Gegnerinnen schnelle lange Bälle spielen, so fehlt hier und da der Druck in der Arbeit gegen den Ball. Die Statistik „Passes per defensive action“ zeigt, wie viele Pässe dem gegnerischen Team im Schnitt in deren Hälfte erlaubt werden, bis eine Defensivaktion erfolgt. Wolfsburg (7,6), Frankfurt (9,8), Freiburg (8,4), Leverkusen (9,9), Meppen (10,5) und auch Bremen (10,8) stehen hier vor den Münchnerinnen (11,2).

Auch wenn die Aussagekraft an dieser Stelle noch nicht allzu groß ist, zeigt sich hier weiteres Potential für die Bayern. Gegen Rosengard griff vor allem das Gegenpressing besser. Deshalb gab es auch mehr Ballgewinne im vorderen Drittel als zuletzt.

FC Bayern: Das Gegenpressing

Auch hier ist die Szene oben exemplarisch für den besseren Zugriff – obwohl der Ball nicht verloren wurde. Angenommen, die Bayern hätten in der Ausgangssituation einen Ballverlust gehabt: Alle Spielerinnen haben hier kurze Anlaufwege.

Fiktive Anlaufwege bei einem Ballverlust.

Bayern kann also sofort Druck aufbauen. Allerdings gibt es zumindest in dieser Szene eine kleine Ausnahme: Stanways Positionierung bietet theoretisch einen Raum, den Rosengard bespielen hätte können, wenn sie hier den Ball gewinnen. Sie hätte schnell verschieben müssen. Gleichzeitig muss es der Anspruch sein, dass Viggósdóttir die Situation erkennt und nicht in einen Raum spielt, in dem der Gegner das nutzen kann – was sie hier ja auch getan hat.

Rosengard konnte sich im zweiten Durchgang fast gar nicht mehr vom Druck der Bayern befreien. Immer wieder gelang es ihnen, bei Ballverlusten schnelle Rückeroberungen folgen zu lassen. In der Bundesliga hatten die Münchnerinnen damit teilweise größere Probleme. Dort konnten Gegnerinnen sich mitunter zu schnell mit langen Bällen lösen und Bayern weiter in die eigene Hälfte drücken. Kommen die Münchnerinnen aber in ihre Ballzirkulation und in ihr Positionsspiel, sind sie nur schwer zu überspielen.

Ausblick: FC Bayern vor schweren Wochen

In den kommenden Wochen geht es für die Bayern richtig zur Sache. Am Wochenende treffen sie auf den VfL Wolfsburg, der anders als Rosengard sehr hoch anlaufen wird. Seit der Saison 2008/09 (5:1) haben die Münchnerinnen in der Autostadt nicht mehr gewinnen können. Auch diesmal spricht vieles für den VfL.

Während die Bayern sich noch weiter finden müssen, hat Wolfsburg den Vorteil, dass sie bereits über ein Jahr mit ihrem Trainer Tommy Stroot zusammenarbeiten. Der Saisonstart war auch bei den Wölfinnen nicht optimal, aber deutlich runder als bei der Konkurrenz. Auch in der Breite ist Wolfsburg aktuell einen Tick stärker besetzt, während den Bayern wichtige Spielerinnen wie Hanna Glas oder Giulia Gwinn fehlen.

Um die Meisterschaft offen zu gestalten, braucht es dennoch mindestens ein Unentschieden. Die Leistung gegen Rosengard dürfte Selbstvertrauen geben, um auch in der VW Arena vor wohl mindestens 15.000 Zuschauer:innen ein gutes Spiel machen zu können.

Anschließend geht es in der Champions League weiter bei Benfica, die zwar mit 0:9 gegen den FC Barcelona verloren haben, in der vergangenen Saison aber zeigten, wie unangenehm sie sein können. Auf Duelle gegen Meppen und bei starken Freiburgerinnen folgt ein Pokalspiel beim MSV Duisburg und dann das große Highlight in der Allianz Arena gegen den FC Barcelona.

Spätestens dann lohnt sich ein erstes Zwischenfazit. Es wird darum gehen, die Qualität zu entwickeln, noch konstanter, effizienter und präziser zu agieren, um die sehr guten Ansätze zu vollenden. Auf diesem Weg ist der FC Bayern gegen Rosengard wieder einen Schritt weiter nach vorn gekommen. Auch wenn es wohl noch etwas Zeit brauchen wird, bis die Bayern das auch gegen stärkere Teams zeigen können.



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