Heftige Vorwürfe gegen den DFB: Systematische Benachteiligung von Spielerinnen?
Die Belastung im Frauenfußball steigt, doch beim Deutschen Fußball-Bund (DFB) scheint eine Krankmeldung oder Absage von U23-Lehrgängen nach Recherchen von Soccerdonna harte Konsequenzen nach sich zu ziehen.
Mehrere Quellen bestätigen dem Portal demnach, dass Spielerinnen, die aus gesundheitlichen oder privaten Gründen fehlen, beim nächsten DFB-Lehrgang systematisch nicht mehr berücksichtigt werden – egal, wie nachvollziehbar die Begründung auch ist.
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Das scheint beim DFB eine inoffizielle Praxis zu sein, die im Widerspruch zu den Fürsorge-Leitlinien des Verbands steht und für große Verunsicherung sorgt.
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DFB: Vertrauensverlust bei den Spielerinnen?
Der moderne Frauenfußball ist geprägt von einer rasant steigenden Zahl an Spielen und Reisetätigkeiten. Insbesondere junge Talente, die oft noch Studium, Beruf und den Spagat zwischen Verein und Nationalmannschaft meistern müssen, geraten zunehmend an ihre Belastungsgrenzen.
Nach Recherchen von Soccerdonna müssen Spielerinnen, die sich von einem U23-Lehrgang abmelden, selbst bei berechtigtem Grund wie Krankheit oder notwendiger Regeneration damit rechnen, beim darauffolgenden Lehrgang außen vor zu bleiben. Obwohl offiziell keine solche Regelung existiert, berichten mehrere voneinander unabhängige Quellen von dieser internen Vorgehensweise – die Quellen hält das Portal wegen drohender Konsequenzen anonym.
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Die Schilderungen betroffener Spielerinnen sind alarmierend: Wer einmal absagt, wird beim nächsten Lehrgang nicht mehr eingeladen. Die Nicht-Nominierung erfolgt demnach oft telefonisch, verbunden mit der Begründung, es seien „die Hände gebunden“, sie nominieren zu dürfen.
Dieser Mechanismus scheint bereits etabliert zu sein und sorgt demnach für einen Vertrauensverlust. Spielerinnen wie Vanessa Fudalla (Bayer 04 Leverkusen), Tomke Schneider (FC Union Berlin) und Sophie Zdebel (Bayer 04 Leverkusen) wurden nach einer Lehrgangsabsage im Mai seither nicht wieder nominiert.
Fudalla etwa verpasste den Lehrgang unter anderem aufgrund eines Umzugs. Trotz starker Leistungen in ihren Vereinen (erst Leipzig, jetzt Leverkusen) scheint sie beim DFB keine Chance zu haben. Die Tatsache, das Spielerinnen bereits im Vorfeld wissen, dass sie nach einer Absage vorerst nicht mehr berücksichtigt werden, deute auf eine klare interne, jedoch intransparente Kommunikation hin.
DFB weicht konkreter Stellungnahme aus
Auf Anfrage von Soccerdonna äußerte sich der DFB allgemein und betonte die Vertraulichkeit von Gesprächen mit Spielerinnen. Eine direkte Antwort auf die zentrale Frage, ob nach einer Absage systematisch nicht mehr nominiert wird, blieb der Verband schuldig:
„Naturgemäß können Spielerinnen ihre Berufungen nicht immer wahrnehmen, beispielsweise aus Verletzungsgründen. Sollten andere Gründe angeführt werden, gilt es, diese im Einzelfall zu bewerten und gegebenenfalls entsprechende Schlüsse zu ziehen“, so die allgemeine DFB-Stellungnahme.
Sollte das Vorgehen wie beschrieben durchgeführt werden, steht es in krassem Gegensatz zu den eigenen Leitlinien zur Talentförderung, in denen Fairness und Fürsorge betont werden.
Strukturelle Defizite in der DFB-Talentförderung?
Die Problematik beschränkt sich offenbar nicht nur auf die U23. Berichte über ein strukturelles Ungleichgewicht bei den Nominierungen häufen sich. Interne Quellen bemängeln laut Soccerdonna:
Lückenhaftes internationales Scouting: Spielerinnen im Ausland, wie Torhüterin Melina Loeck (Hammarby/Schweden), werden trotz starker Leistungen kaum berücksichtigt. Mathilde Janzen (ehemals Schweden) bestätigte, dass die Sichtbarkeit in Deutschland deutlich höher sei.
Intransparente Nominierungskriterien: Es wird bemängelt, dass häufig dieselben Spielerinnen nominiert werden, selbst wenn sie im Verein kaum Spielpraxis erhalten. Ein Beispiel ist Ilayda Açikgöz (Eintracht Frankfurt), die für den DFB trotz geringer Liga-Einsätze in der Saison 2023/24 überdurchschnittlich viele Spielminuten sammelte. Die Auswahl scheint oft undurchsichtig.
Verlust von Talenten mit doppelter Staatsbürgerschaft: Der DFB riskiert, weitere Talente zu verlieren. Nach Tanja Pawollek (jetzt Polen) entschied sich kürzlich Gia Corley gegen Deutschland und für das Angebot der US-Nationalmannschaft. Auch aktuelle U23-Spielerinnen wie die Açikgöz-Zwillinge (Türkei) oder Estrella Merino González (Spanien) könnten sich zukünftig für eine andere Nation entscheiden.
Angesichts der steigenden Belastung und der inoffiziellen Konsequenzen bei Absagen entsteht die beunruhigende Wahrnehmung, dass der DFB notwendige Auszeiten als Illoyalität auslegt. Junge Spielerinnen, die permanent an ihrer Leistungsgrenze agieren, brauchen dringend Transparenz, Unterstützung und Fürsorge.
Keine Spielerin sollte Angst haben, wegen einer berechtigten Absage auf einer informellen „schwarzen Liste“ zu landen, auf der sie ihre Chance im Nationalteam verspielt.
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