Der gescheiterte DFL-Deal: Ein Kommentar

Alexander Trenner 29.05.2023

A und B treffen sich zufällig auf dem virtuellen Miasanrot-Flur.

Sagt A:

Gut, dass dieser DFL-Deal am Mittwoch durchgefallen ist. Dem Vernehmen nach hätte die DFL für den zeitweisen Verkauf ihrer Medienrechte auf einen Schlag rund 2 Mrd. EUR frisches Kapital erlöst, das zu ca. 60% direkt an die Clubs weitergereicht worden wäre, angeblich zum Teil zweckgebunden für „gute“ Dinge wie Infrastruktur oder Schuldenabbau, aber das wäre kein Muss gewesen. Machen wir uns nichts vor, diese 1,2 Mrd. EUR wären am Ende zum großen Teil in den Spielerkader geflossen, sprich in Transfers und Gehälter. Soll heißen, es hätte vor allem die Preisinflation auf dem Spielermarkt weiter angefeuert und wäre größtenteils für überteuerte Transfers draufgegangen. Diese Art Geldmengenwachstum im Fußball ist unproduktives Wachstum. Es bläht nur die Preise auf, aber es führt zu keinem realen Wohlstandsgewinn. Es entstehen keine neuen Vereine, es wird nicht mehr Fußball gespielt, es werden keine neuen Mitarbeiter eingestellt, nichts. Auch für den Wettbewerb hätte das Geld nichts gebracht. Es hätte weiterhin genau einen Meister gegeben, einen Champions-League-Sieger und 2 + 1 Absteiger. Nichts davon hätte sich geändert, selbst wenn die DFL statt 2 sogar 5 oder 10 Mrd. EUR für ihre Medienrechte erlöst hätte. Die Preise für das knappe Gut Spieler wären dann nur noch schneller und noch stärker gestiegen.

Der einzige Nutzen, den so eine Finanzspritze für den deutschen Fußball kurzfristig gehabt hätte, wäre der, dass sie zu einer temporären Erhöhung der relativen Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Clubs gegenüber den Clubs aus anderen Ligen geführt hätte. Dieser Vorteil wäre allerdings spätestens dann wieder ausgeglichen worden, wenn die anderen Ligen mit ähnlichen Maßnahmen zur Kapitalbeschaffung nachgezogen hätten, um ihren Nachteil wieder aufzuholen. Dann wäre man wieder am Ausgangspunkt angekommen, die relativen Kräfteverhältnisse wären wieder genau wie vorher gewesen, es hätte immer noch nur einen Meister, 2 + 1 Absteiger und einen Champions-League-Sieger gegeben, nur dass der globale Wettkampf jetzt auf noch einer noch höheren Flamme mit noch höherer Kapitalintensität stattgefunden hätte. Aber wieder wirtschaftlich noch sportlich hätte sich real irgendetwas verbessert.

Erwidert B:

Ja, was die Anzahl der Wettbewerbe, Sieger und Verlierer angeht, hast du recht, aber du verengst deinen Blick viel zu sehr auf die unmittelbare Wirkung des Geldes auf die Fußballvereine selbst, und sogar für diese ist deine Betrachtung nicht ganz korrekt.

Denn zum einen ist wirtschaftlich gesehen der Fußball kein komplett in sich abgeschlossenes System. Die Fußballvereine und die Ligen mit ihren Wettbewerben, in denen sie organisiert sind, sind Teil eines größeren wirtschaftlichen Ökosystems, in dem neben dem Fußball viele weitere Unternehmen und Branchen existieren, die sich wie die Häute einer Zwiebel um einen Kern Fußball herum nach außen anschmiegen, ihm zuarbeiten und von ihm leben: Medien, Bauunternehmen, Ärzte, Reha-Praxen, Sportartikelhersteller und sogar ganz neue Wirtschaftszweige wie Beratungsagenturen für Spieler. Alles Geld, welches im Fußball zirkuliert, sickert peu à peu in diese Wirtschaftszweige (und viele weitere) ein. In erster Instanz, da hast du recht, wäre wohl ein Großteil des Geldes aus dem Deal von den Vereinen für Transfers ausgegeben worden und hätte dabei zu einer Inflation der Ablösesummen ohne realen Gegenwert geführt. Aber mit der Zeit wäre es sukzessive in den größeren Wirtschaftskreislauf der sie umgebenden Volkswirtschaften geflossen, genauso übrigens wie auch das Geld, was zunächst in die Taschen der Spieler und Berater gegangen wäre, denn auch die nehmen schließlich über ihren Konsum am allgemeinen Wirtschaftsleben teil. Kein Individuum, kein Unternehmen und auch keine Gruppe von Unternehmen ist je komplett vollständig vom Rest der Wirtschaft isoliert und treibt Handel nur mit sich selbst oder unter seinesgleichen.

Was du außerdem übersiehst, ist, dass das Geld, was in den Fußball fließt, schon immer auch zu zahlreichen Qualitätsverbesserungen des Produkts Fußball geführt hat. Was wir heute auf dem Platz als Fußballspiel geboten bekommen, hat athletisch, taktisch und technisch mit dem Fußball der 70er oder 80er Jahre nicht mehr viel gemein. Auch die Aufbereitung des Produkts ist unglaublich viel besser geworden. Die Zahl und Qualität an Kameraperspektiven, Statistiken, Experten-Kommentierung sowie die Nach- und Vorberichterstattung in hunderten von Medien sind ja mit den dürftigen Angeboten früherer Zeiten gar nicht mehr zu vergleichen, von der Qualität der Stadien ganz zu schweigen. Und die Qualitätsverbesserung eines Produkts oder einer Dienstleistung trägt ökonomisch gesehen ebenso zu einer realen Erhöhung des Wohlstands bei wie eine Mengenausweitung. Wenn du also sagst, dass das Geld, was in den Fußball fließt, zu keinem realen volkswirtschaftlichem Wachstum führe, ist das höchstens teilweise richtig.

Antwortet A:

Das stimmt, aber diese Betrachtung ist mir zu ökonomisch. Reha-Zentren und Bauaufträge gut und schön, aber mich interessieren eher die Auswirkungen des Deals auf die Vereine und für den Fan. Und ein Großteil des Geldes aus dem DFL-Deal wäre zunächst eben in Transfers und die Gehälter von Spielern geflossen und hätte damit nur der Befeuerung eines wirtschaftlichen Verdrängungswettbewerbs im Kern eines Ökosystems Fußball gedient, um dein Bild einmal aufzugreifen, ohne echten Mehrwert für den Fan, denn für ihn wird durch solche Geschäfte langfristig alles nur teurer, ohne dass er dafür einen realen Gegenwert erhält. Seine Mannschaft spielt nicht häufiger und wegen der Preisinflation auf dem Transfermarkt kann sie sich nicht einmal bessere Spieler leisten. Dass sich sozusagen als Kuppelprodukt dieser Befeuerung auch die Qualität des dargebotenen Fußballs verbessert, erkenne ich an, aber stehen diese Verbesserungen in irgendeinem ökonomisch sinnvollen Verhältnis zur Menge an der – wie würdest du es wohl formulieren? – „in Geldeinheiten bemessenen ökonomischen Energie“, die in diesen Markt fließt? Ich sage nein. Was könnte dieses Geld alles schönes Produktives bewirken, wenn es woanders eingesetzt würde!?! Die Effizienz und Effektivität des Mitteleinsatzes im Verhältnis zu dem, was damit erreicht wird, sind hier beide gleichermaßen dürftig.

Am Ende hätte der Fan keinen oder kaum einen wahrnehmbaren Nutzen von dem DFL-Deal gehabt. Aber weil jede Investition ultimativ immer vom Endkunden bezahlt werden muss, hätte er diesen ganzen Spaß letztendlich mit seiner Eintrittskarte bezahlen müssen, obwohl er doch eigentlich seinem Verein nur beim Fußballspielen zugucken will.

Entgegnet B:

Verstehe ich, aber niemand zwingt doch den Fan dazu, diesen Spaß mitzumachen. Wenn für ihn das, was er an Unterhaltung herausbekommt, in keinem erträglichen Verhältnis mehr zu dem steht, was er an Geld hineintun muss, dann kann er ja aussteigen. Er kann seine Abos und seine Dauerkarte kündigen und muss auch keine Trikots mehr kaufen. Der Fan könnte dem System seine Grenzen aufzeigen, eventuell sogar die finanzielle Existenzgrundlage ganz entziehen, und dann stünden die Leute in der DFL und den großen Medienhäusern plötzlich ganz dumm da, wenn niemand mehr ihre überteuerten Streaming-Abos bucht.

Das Schöne an unserem ökonomischen System ist doch, dass alles ökonomische Geschehen ein Ergebnis freier Entscheidungen im Aushandlungsprozess von Angebot und Nachfrage ist. Die beste Verwendungsrichtung des Geldes, der Preis wird von nirgendwo zentral verordnet, sie ergeben sich im Marktprozess. Du kannst es den Akteuren auf der Angebotsseite doch nicht verübeln, dass sie versuchen, ihr Angebot so lange auszudehnen, bis ihnen die Nachfrageseite die Grenzen aufzeigt. Und solange die Grenzen des Gesamtsystems noch nicht erreicht sind, ist es doch aus der binnenlogischen Sicht des deutschen Fußballs schlüssig, zu versuchen, sich im Wettbewerb mit den anderen Ligen finanziell aufzumunitionieren, um im Wettstreit mit ihnen besser bestehen zu können.

Wenn irgendwann die Refinanzierungsfähigkeit des Systems an ein Ende kommt, sprich, wenn der Fan aufhört, diese Kostenspirale weiter mitzugehen, dann hören auch solche Ideen wie dieser DFL-Deal auf. Bis dahin sind sie allerdings schlüssig.

Aber deiner Kritik daran, dass der Vorteil, den sich der deutsche Fußball gegenüber den anderen Ligen in Europa mit dem Geld erkauft hätte, nur ein vorübergehender gewesen wäre, solange bis die anderen Ligen mit ähnlichen Maßnahmen nachgezogen hätten, um ihren Rückstand wieder aufzuholen, stimme ich zu. Das Geld kauft Zeit, aber es kauft keine Beständigkeit.

Sagt A:

Und es gibt ja noch einen anderen Haken: Das das Geld der DFL wäre dem Vernehmen nach besonders den größeren Clubs in Deutschland zugute gekommen, denn die Verteilung der 60%, die direkt an die Clubs gegangen wären, hätte sich an dem bestehenden Verteilungsschlüssel der DFL-TV-Einnahmen orientiert. Clubs wie die Bayern und der BVB hätten prozentual einen höheren Anteil erhalten als etwa Bochum oder Mainz. Die Kräfteverhältnisse im deutschen Profifußball wären also noch schiefer geworden, als sie ohnehin schon sind – und auf der nationalen Ebene hätten die Verschiebungen sogar einen viel höheren Grad an Permanenz gehabt als international.

Bemerkt B:

Andererseits brauchen diese großen Clubs dieses Mehr an Geld auch, um im europäischen Wettbewerb gegen die Konkurrenz aus England und Spanien mithalten zu können. Ein Club wie St. Pauli oder Augsburg braucht eine international dimensionierte Finanzausstattung nicht so sehr. Bedenke, dass ein Hauptmotiv der DFL hinter diesem Deal es ja schließlich auch ist, die internationalen Medienerlöse der Bundesliga, die bei ungefähr einem Siebtel derjenigen der Premier League liegen (ja, einem Siebtel, knapp 300 Mio. EUR gegenüber ca. 2 Mrd. EUR pro Saison), dramatisch zu erhöhen. Vor diesem Hintergrund finde ich es nachvollziehbar, dass die Vereine, die international am stärksten vertreten sind, auch am meisten von dem Geld profitieren sollten. Sie liefern schließlich die Zutaten, auf denen die Attraktivität der internationalen Medienrechte fußt. Den FC Augsburg kennt in Asien keiner.

Damit sind wir gleichzeitig bei einem Aspekt des Deals, über den wir noch gar nicht gesprochen haben. Von dem aus der strategischen Partnerschaft erlösten Geld wären ja nur 60 % der 2 Mrd EUR direkt an die Vereine geflossen. Die anderen 40 % waren für die Stärkung des internationalen Profils der Bundesliga gedacht, zum Beispiel in Form des Aufbaus einer Streaming-Plattform. Ob und wenn ja inwiefern dieser nicht ganz unerhebliche Teil der 2 Mrd. EUR sinnvoll investiertes Geld gewesen wäre, diese für eine Gesamtwürdigung des Deals kritische Frage haben wir in unserer Diskussion bisher ja noch mit keiner Silbe erörtert. Aber darüber können wir uns ja vielleicht beim nächsten Mal unterhalten, denn mir schwant, dass der Deal der DFL noch nicht gänzlich vom Tisch ist. Noch nicht alle Kräfte in der DFL haben aufgegeben. Die Garde stirbt, aber sie ergibt sich nicht.

Schließt A:

So machen wir es.