Caner Erkin – Ein ablösefreier Außenverteidiger?
Erkins Weg in die internationale Klasse beginnt eigentlich mit einem überhasteten Wechsel. 2006 spielt der damals 18-Jährige eine exzellente Halbserie mit seinem Klub Manisaspor, der Verein hat sich in der ersten türkischen Liga einen Platz im Mittelfeld erkämpft und der junge Außenverteidiger einen Stammplatz. Manisaspor gilt in der Türkei als einer der Ausbildungsvereine, spätere Stars wie Hakan Balta oder Burak Yilmaz haben ihre Karriere in der Stadt an der Mittelmeerküste begonnen.
Im Winter macht Caner Erkin jedoch den einen folgenschweren Fehler, den viele junge Fußballprofis begehen. Er folgt dem Ruf des großen Geldes und geht zu ZSKA Moskau. In der Premier Liga gelingt ihm gar nichts – die ersten 10 Spiele steht er nicht im Kader und spielt insgesamt nur 158 Minuten in einer Saison. Erkin versucht es weiter, will nicht zu einem so frühen Zeitpunkt schon als „gescheitertes Talent“ da stehen. Erst als er zwei Jahre später, 2009, immer noch keinen Stammplatz hat und nur spärlich zum Einsatz kommt, lässt er sich für ein Jahr zurück nach Istanbul verleihen.
Noch einmal der selbe Fehler?
Bei Galatasaray geht es bergauf, nach kurzer Anlaufzeit gehört Erkin zum Stammpersonal und qualifiziert sich mit „Gala“ für die Champions League. Und was macht er? Klar, weil’s wieder mal kurzfristig gut läuft, wechselt er zum Stadtrivalen Fenerbahce – dieses Mal endgültig, nicht als Leihgabe – und riskiert damit wieder seinen Stammplatz. Denn bei Fenerbahce kommt Erkin in den ersten zwei Jahren nicht an Stammverteidiger Reto Ziegler vorbei und muss sich im linken Mittelfeld einsortieren – wo er zwar gute Spiele macht, aber eben nicht dauerhaft. Erst diese Saison, nach Zieglers Abgang, findet er sich auf der linken Verteidigerposition – und spielt genauso überragend, wie Fener insgesamt.
Spricht man mit Türkei-Experten über den 25-jährigen, bekommt man den Eindruck, er sei eher ein offensiver Außenstürmer. Begriffe wie „geniale Flanken“, „Schussstärke“ oder „Freistoßspezialist“ fallen schnell – das Zweikampfverhalten wird kaum hervorgehoben. Vergleichbar sei er am ehesten mit einem Dani Alves, stark nach vorne, aber nach hinten manchmal ein Risiko. Statistisch überzeugt der türkische Nationalspieler: 13 Torvorlagen und 2 Tore hieven ihn in puncto Torbeteiligungen auf das Niveau von Philipp Lahm aus dem letzten Jahr. Kleines Manko: Er gilt, wie viele Türken, als Hitzkopf auf dem Platz. So brachte er beispielsweise das Kunststück zustande, nach einer abgesessenen Gelbsperre fünf Mal in Folge gelb zu sehen und wieder gesperrt zu sein.
Nun, alles schön und gut, aber warum sollten wir einen Linksverteidiger holen, wenn wir doch einen der besten der Welt bereits im Team haben? Ganz einfach: Nur Alternativen pushen die Stammspieler. Wenn Guardiola im Team ein Problem hat, dann, dass Alaba seinen Stammplatz so bombensicher hat. Wie wichtig diese extreme Konkurrenzsituation ist, zeigt sich ja im Mittelfeld – und Pep würde auf Kroos & Co. noch mehr Druck ausüben, weil plötzlich auch Alaba vor der Abwehr spielen könnte. Was zudem für eine Verpflichtung spräche: Erkin ist zum einen ein ähnlicher Spielertyp wie der Österreicher. Technisch versiert und passsicher – kurzum, er hätte kein Problem ebenso mit Ribery zu harmonieren. Zum anderen ist er im Sommer ablösefrei, bei neun Millionen Euro Marktwert kann man wenig falsch machen.
Zum Problem werden könnte allein seine offensichtlich nicht vorhandene Anpassungsfähigkeit. Außerhalb der Türkei konnte er in kaum einem Spiel überzeugen – und ob er sich beim FC Bayern dauerhaft durchsetzen wird, steht, wie bei den meisten Spielern, die zum Rekordmeister wechseln, in den Sternen. Der letzte Türke, der das, zumindest zweitweise, geschafft hat, war Hamit Altintop. Der große Schritt zum deutschen Meister kann Erkin durchaus zugetraut werden. Er verfügt über die nötige technische Klasse um sich auch hier durchzusetzen und für den FC Bayern ist es ein gutes Geschäft – denn sehr viele gute Spieler sind immer besser als viele gute Spieler.