FC Bayern Campus: Prioritäten richtig gesetzt
Rückblick ins Jahr 2017: Die U19 des FC Bayern unterliegt im Dortmunder Westfalenstadion dem BVB im Finale um die deutsche Meisterschaft knapp im Elfmeterschießen. Ein Spiel auf höchstem U19-Niveau, das viele spätere Bundesligaspieler repräsentiert? Mitnichten. Fünf Jahre später ist der damalige Star des BVB-Teams, Felix Passlack, nicht mehr als ein Ergänzungsspieler in der Bundesliga. Vom damaligen deutschen Meister hat es neben ihm nur Verteidiger Amos Pieper (Gerade abgestiegen mit Arminia Bielefeld, wechselt zu Werder Bremen) in die 1. Bundesliga geschafft. Auf Seiten des FC Bayern können Marco Friedl (Wiederaufstieg mit Werder Bremen) und Timothy Tillmann (Abgestiegen mit Greuther Fürth) Erstligaeinsätze vorweisen. Wirklich nachhaltiger Bundesligastammspieler ist also keiner der 22 Spieler geworden.
Gleiches Jahr, jüngerer Jahrgang: Die U17 des FC Bayern wird unter Trainer Tim Walter gegen Werder Bremen deutscher Meister. Sieht man sich die Mannschaft fünf Jahre später an, hat sich einzig Flavius Daniliuc nachhaltig in einer ersten Liga durchgesetzt (24 Ligaeinsätze bei OGZ Nizza). Die damals hochgelobte Offensive um Franck Evina (Als Leihspieler mit Viktoria Berlin aus der dritten Liga abgestiegen), Marcel Zylla (Ergänzungsspieler bei einem polnischen Erstligisten) und Oliver Batista Meier (Abgestiegen aus der 2. Liga mit Dynamo Dresden) ist bisher nicht nachhaltig im hochklassigen Fußball angekommen.
Es gibt kein Patentrezept für die Förderung von Talenten. Hinter jeder enttäuschenden Entwicklung steht auch eine individuelle Geschichte. Oft werfen auch schwere Verletzungen einen Spieler nachhaltig aus der Bahn, wie es beispielsweise bei Batista Meier der Fall war. Wer aber denkt, man müsse nur eine starke Jugendmannschaft auf die Beine stellen, die alles gewinnt und die würde dann automatisch starke Profifußballer hervorbringen, der irrt sich.
Richtungsweisende Entscheidungen
Der FC Bayern stand vor der abgelaufenen Saison vor grundlegenden Entscheidungen. Ein extrem breiter Jahrgang 2003, vier herausragende Talente im Jahrgang 2005 und eine durch Corona stark verwässerte U19 Bundesliga Süd waren dabei zu berücksichtigen. Letztere fand mit 21 Teams statt den regulären 14 Teams statt, da dank der zwei abgebrochenen Coronaspielzeiten nur Teams aufstiegen, aber keine abstiegen. Das fußballerische Niveau der Liga sank dadurch beträchtlich, es wurde nur eine Einfachrunde ausgespielt.
Das große Ziel des FC Bayern Campus ist es, wieder über die Jahre den ein oder anderen Spieler für die Profis auszubilden. Spieler wie Bastian Schweinsteiger oder Thomas Müller, die nicht nur als Identifikationsfiguren für die Fanbasis in und um München wichtig sind, sondern das bayerische Lebensgefühl des Vereins weltweit transportieren können, waren und sind für den Club unverzichtbar. Daher muss der Fokus der Arbeit zweifellos auf der Entwicklung der absoluten Spitzentalente liegen und der sportliche Erfolg der einzelnen Teams dahinter angestellt werden. Entscheidend dafür ist, dass diese Spieler zu jedem Zeitpunkt auf einem Niveau spielen können, auf dem sie gefordert und nicht unterfordert werden. Auch wenn das in einigen Fällen bedeutet, dass ein aktuell besserer, aber weniger talentierter älterer Spieler dafür auf die Bank muss.
So traf der FC Bayern im vergangenen Sommer die vollkommen richtige Entscheidung, den Kader der Amateure in der Regionalliga stark zu verjüngen. Ein Konzept, das in der Vergangenheit bereits von Tim Walter oder auch Michael Reschke vertreten wurde. Auf externe Verpflichtungen wurde nahezu komplett verzichtet, lediglich Emilian Metu kam neu zum Verein, war allerdings mit seinem Alter ebenfalls noch für die U19 spielberechtigt.
In der Folge war in der U19 nun Platz im Kader, um den U17-Toptalenten Tarek Buchmann, Paul Wanner und Arijon Ibrahimovic sowie später auch Kenan Yildiz Verantwortung zu übertragen. Diese Spieler waren ihrem ursprünglichen Jahrgang längst entwachsen und wären in der U17-Bundesliga unterfordert gewesen. Ein Fehler, den die Bayern in der Vergangenheit mit einigen Toptalenten machten und den man nicht wiederholen möchte.
Saisonverlauf Amateure
Ein weit verbreitetes Missverständnis ist, dass der Aufstieg der Amateure das klare Saisonziel war. Mit der Entscheidung für eine sehr junge Mannschaft hat der FC Bayern die individuelle Entwicklung der Spieler in den Vordergrund gestellt. Dies ist voll und ganz aufgegangen, gerade Nemanja Motika und Gabriel Vidovic haben sich unerwartet explosionsartig entwickelt. Ausgerechnet zwei Spieler, die noch vor Corona etwas in ihrer Entwicklung stagnierten. Aber auch Spieler wie Eyüp Aydin oder Lucas Copado, die beide noch dem jüngeren U19-Jahrgang 2004 zuzuordnen sind, waren in der Lage, bereits auf Herrenniveau Verantwortung zu übernehmen.
Zweifellos wären die Spieler beim FC Bayern falsch, hätten sie sich nicht nach zwischenzeitlicher Eroberung der Tabellenführung im Herbst das Ziel gesetzt, diesen auch bis zum Saisonende zu verteidigen. Hier muss man aber auch schlicht und einfach die Leistung der SpVgg Bayreuth würdigen, die eine überragende Saison, die beste in der Geschichte der Regionalliga Bayern, gespielt haben. Gerade im direkten Duell brachten die Oberfranken eine Intensität auf den Platz, zu der selbst einige Drittligisten nicht in der Lage wären und die das junge Bayernteam überrumpelte. Der zweite Tabellenplatz ist ein mehr als ordentliches Ergebnis, zumal der Rest der Tabelle mit über 20 Punkten Abstand auf Distanz gehalten wurde.
Saisonverlauf U19 und U17
Durchaus als Enttäuschung darf man hingegen das sportliche Abschneiden der U19 bezeichnen. Zwar ist der FC Bayern hier aufgrund der Abstellungen der Amateure überwiegend nur mit der B-Elf der spielberechtigten Jahrgänge angetreten. Dennoch muss auch der Anspruch der verbleibenden Spieler höher sein – und ist es auch – als das, was die Mannschaft auf den Platz bringen konnte. Gerade die Niederlagenserie zu Saisonende ist einer Mannschaft des FC Bayern so nicht würdig.
Die mangelnde Kontinuität im U19-Kader gepaart mit fehlendem Teamgeist sind zwei Aspekte, über die sich der FC Bayern Gedanken machen muss. Zu viele Spieler wurden im Laufe der Saison zwischen den Amateuren und der U19 hin- und hergeschoben, die beiden Teams trainieren genau an entgegengesetzten Orten in der Stadt. Schlechte Kommunikation, warum welcher Spieler plötzlich bei den Amateuren trainieren durfte, sorgten für Verstimmung und Eifersucht im Team. An dieser Schnittstelle zwischen Campus und Säbener Straße sind Nachjustierungen notwendig.
Die U17 konnte den Verlust ihrer Toptalente im Jahrgang nicht kompensieren. Zumal der nachfolgende U16-Jahrgang in der Spitze zu wenig Qualität hat, um diese Abgänge mit Spielern von unten aufzufüllen. Dennoch ist das sportliche Abschneiden unter dem Strich in Ordnung. Der sechste Tabellenplatz nahezu auf Augenhöhe mit den davor platzierten Teams aus Hoffenheim, Freiburg und Mainz, die allesamt weniger bis keine Spieler nach oben abstellen mussten, ist bei genauerer Betrachtung besser, als es im ersten Moment aussieht.
Ausblick auf die Zukunft
Im Sommer wird sich zweifellos einiges tun am Campus. Nach zwei Coronasommern mit eher überschaubaren personellen Änderungen in den Teams wird der FC Bayern auf dem Transfermarkt wieder auf Vor-Corona-Niveau agieren und ist sehr aggressiv auf dem Transfermarkt im Nachwuchsbereich aktiv. Neu ist, dass auch das mediale Interesse an den Aktionen auf diesem Transfermarkt zunehmend steigt. Während die Verpflichtung von deutschen Toptalenten im U17 Bereich vor einigen Jahren nur eine Randnotiz in einem Artikel zum Trainingsauftakt war, werden heute teilweise die Wechsel von U14-Spielern über Boulevardmedien bekannt. Doch auch unbemerkt von den Medien gerade im jüngeren Bereich rund um die U14 und U15 arbeitet der FC Bayern an einigen spannenden Transfers, die dem Club in einigen Jahren viel Freude bereiten könnten.
Hinter dem in der Spitze eher unterdurchschnittlichen Jahrgang 2006 konnte die U15 (Jahrgang 2007) die süddeutsche Meisterschaft gewinnen. Beachtenswert ist dies gerade im Hinblick darauf, dass das Team ohne drei der besten Spieler antrat, die bereits vorzeitig zur U16 und U17 hochgezogen wurden. Insgesamt stellt der FC Bayern hier mit fünf Spielern den mit Abstand größten Block in der deutschen U15-Nationalmannschaft, ein vielversprechendes Zeichen. Namen wollen wir hier auf Rücksicht auf die Spieler unterhalb der U17 noch keine nennen, im Rampenlicht werden die Jungs noch früh genug stehen.
Das Ziel für die kommende Saison wird sicher sein, erneut die Toptalente, denen man langfristig den Sprung in Richtung erste Mannschaft zutraut, optimal zu fördern. Zweifellos wird der FC Bayern aber auch tabellarisch gerade bei U19 und U17 besser abschneiden wollen, um ein besseres Bild nach Außen abzugeben. Das muss dann nicht zwingend der Gewinn einer Staffelmeisterschaft sein, aber zumindest sollten die Teams konstant in der Spitzengruppe ihrer Liga mitspielen. Denn auch wenn die individuelle Entwicklung wichtiger ist, so sorgen schlechte Ergebnisse nicht nur für Frust unter den Spielern, sondern auch für schlechte Stimmung im Umfeld. Los geht es mit dem ersten Spieltag der Regionalliga Bayern schon Mitte Juli, ehe die Nachwuchs-Bundesligen Mitte August den Spielbetrieb aufnehmen.
Eure Fragen im Twitterspace
Ihr habt Fragen zur Nachwuchsarbeit beim FC Bayern? Oder ihr wollt noch etwas tiefer ins Thema einsteigen? Heute Abend spricht Martin mit euch über den FC Bayern Campus im Twitter Space. Justin wird das Ding moderieren und Euch mit auf die Bühne holen, wenn Ihr Fragen habt oder einfach diskutieren wollt. Ab 20.15 Uhr geht es los.