FC Bayern verpflichtet Benjamin Pavard

Jan Trenner 09.01.2019

Im Pressetalk von Hasan Salihamidžić verkündet: Der FC Bayern verpflichtet Pavard zum Sommer.

Wir haben Benjamin Pavard für den 1. Juli 2019 verpflichtet. Er hat einen Fünfjahresvertrag unterschrieben. Er ist ein junger Spieler und Weltmeister. Wir sind sehr froh und stolz, dass wir einen solchen Spieler für den FC Bayern gewinnen konnten
Hasan Salihamidžić, FC Bayern am 09.01.2019

Pavard steht beim VfB Stuttgart noch bis 2021 unter Vertrag, besitzt dort jedoch eine Ausstiegsklausel über 35 Millionen Euro. Er wechselte 2016 aus Lille zu den Schwaben und absolvierte 48 Partien in der Bundesliga, 21 in der 2. Bundesliga und 2 im DFB-Pokal. Der 1,86 m große Verteidiger spielte dabei doppelt so häufig Innenverteidiger (56) als rechter Verteidiger.

Wie der Kicker berichtet, stand Salihamidžić mit dem ehemaligen Münchner Kaderplaner Michael Reschke in Kontakt, um den Transfer zu ermöglichen. Außerdem soll der Verein Pavard bereits vor der Weltmeisterschaft beobachtet haben. Aktuell laboriert Pavard an einem Muskelbündelriss, den er sich am 14. Spieltag gegen Gladbach zugezogen hatte.

Analyse: Kaderspieler oder Versprechen an die Zukunft?

Analyse von Justin Kraft

In den letzten Jahren war der FC Bayern in der Innenverteidigung so gut besetzt wie kaum eine andere Mannschaft in Europa. Neben Hummels und Boateng gelang es, mit Süle ein vielversprechendes Talent an die Isar zu holen. Vor allem Hummels und Boateng werden jedoch nicht jünger. Schon im vergangenen Sommer versuchten die Münchner deshalb, Pavard zu verpflichten. Nicht zuletzt wegen Boatengs Wechselwünschen.

Nach einer vielversprechenden Saison beim VfB Stuttgart und einer herausragenden WM war der Hype um den Franzosen groß. In seiner Heimat wurde sogar ein Benjamin-Pavard-Song zum Fanlied des Turniers. Sein persönlicher Umgang mit dem schnellen Aufstieg zeigte aber, dass er sich realistisch einschätzen kann. Nach der WM erzwang er seinen Wechsel nicht, sondern zeigte sich geduldig und demütig.

Eigenschaften, die als junger Spieler beim Rekordmeister wichtig sind. Denn wie die Aufstiege Joshua Kimmichs und Kingsley Comans zeigen, ist vor allem Geduld auf allen Seiten gefragt. Pavard ist trotz seiner jüngsten Erfolge nicht als fertiger Spieler zu betrachten. Und doch ist sein Potenzial riesig.

Pavards Stärken

Vor allem im Spiel mit dem Ball hinterließ Pavard im Jahr 2018 einen großartigen Eindruck. Sein Aufbauspiel stach nicht nur beim VfB heraus. Auch in der Nationalmannschaft glänzte der Franzose mit mutigem und sicherem Passspiel. Dort vornehmlich als Rechtsverteidiger eingesetzt, spielte er in 4 Spielen der UEFA Nations League auf höchstem Niveau 0,8 Torschussvorlagen pro 90 Minuten.

Die Flexibilität, auf mehreren Positionen spielen zu können, macht Pavard auch für den FC Bayern interessant. Spielt der 22-Jährige auf der rechten Defensivseite, kann Kimmich ins Mittelfeld rücken. Kimmich könnte als Sechser ein spielstarkes und strategisches Upgrade sein. In München fehlte seit dem Abgang Xabi Alonsos ein kreativer Ankersechser. Thiago kann diese Rolle bekleiden, fehlt dann aber in höheren Zonen als strukturgebender Achter.

Dennoch sollte Pavards Hauptposition in der Innenverteidigung gesehen werden. Lässt man Hummels und Boateng bei der Zukunftsplanung außen vor, hatte der FC Bayern bis jetzt nur Niklas Süle als klaren Nachfolger der beiden im Kader. Lars Lukas Mai ist zwar ein großes Talent, doch erstmal ist nicht damit zu rechnen, dass die Münchner mit ihm als Kaderspieler der ersten Mannschaft planen.

Kreatives Potenzial

Süles Stärken liegen im Zweikampfverhalten, der Physis und in der Passsicherheit. Ähnlich wie der junge Javi Martínez kann der Nationalspieler einen spielstarken Partner perfekt absichern. Hinzu kommt, dass er für seine Statur sehr schnell ist. Allerdings ist Süle kein herausragender Aufbauspieler. Er ist solide bis gut, aber es ist nicht absehbar, dass er in der Hinsicht jemals das Level eines Boatengs erreicht.

Umso wichtiger ist ein Spielertyp, der seine Qualitäten im Aufbauspiel hat. Pavard hat bewiesen, dass er riskante und vertikale Zuspiele konstant an den Mann bringen kann. Er ist technisch stark, spielintelligent und sehr beweglich. Neben Süle könnte er den nächsten Entwicklungsschritt vollziehen.

Seine Passquote liegt häufig zwischen 80 und 85%. Das liegt einerseits am Risiko, andererseits aber auch an der Spielweise seiner Mannschaften. In München sollte dieser Wert nochmal um einige Prozente ansteigen. Ein großes Plus ist, dass er nur selten den Ball verliert. Abgesehen von Fehlpässen wird Pavard in der Liga pro 90 Minuten nur 0,5 Mal vom Spielgerät getrennt. Damit ist er auf Augenhöhe mit Niklas Süle (ebenfalls 0,5/90 Minuten), obwohl er in Stuttgart deutlich schwächere Mitspieler vorfand.

Pavards Verbesserungspotenzial

Von Schwächen kann man beim Neuzugang kaum reden. Hätte er klare Schwachstellen, wäre er nicht für rund 35 Millionen Euro nach München gewechselt. Und doch gibt es Punkte, die der Innenverteidiger verbessern kann und muss, wenn er sich bei den Bayern durchsetzen möchte. So ist vor allem die Zweikampfquote ausbaufähig. In der Saison 2017/18 wurde Pavard zurecht sehr gelobt. Im Vergleich zu den Top-Verteidigern der Liga waren 58% gewonnene Duelle aber noch einen Tick zu wenig.

In dieser Saison sind es nur noch 55%. Das liegt wiederum an schwächeren Stuttgartern und an der Tatsache, dass Pavard nach der WM in ein kleines Leistungsloch fiel. Für einen jungen Spieler ist das jedoch völlig normal. Boateng hat in der aktuellen Bundesliga-Saison eine Zweikampfquote von 71%. Auch Hummels (63%), Süle (68%) sowie die Teamkollegen Kempf (61%) und Timo Baumgartl (71%) haben die Nase hier deutlich vorn.

Pavard wird in München unter Beweis stellen müssen, dass er ebenfalls in diese Sphären vorstoßen kann. Seine Schnelligkeit und Dynamik werden ihm dabei helfen. Die Aufgabe des Trainerteams ist es, sein Stellungsspiel an die Spielweise des FC Bayern anzupassen und ihn insgesamt dahingehend weiterzuentwickeln. Denn auch hier gibt es bisher ungenutztes Potenzial. Manchmal positioniert sich Pavard in ballfernen Zonen ohne Ballbesitz noch um wenige Schritte zu ungenau oder zu undiszipliniert.

Fazit

Es sollte deshalb nicht erwartet werden, dass Pavard direkt die Leistungsfähigkeit eines Boatengs oder Hummels kompensieren kann. Auch der Franzose wird einen Prozess durchlaufen müssen, um sich nach und nach zu entwickeln. Oft wird dazu tendiert, junge Spieler direkt in die Sphären alternder Stars zu heben. Tatsächlich wird dabei aber vergessen, dass Boateng und Hummels bei weitem nicht so schlecht spielen, wie es gern dargestellt wird.

Das zeigen nicht zuletzt die für einen Innenverteidiger relevantesten Statistiken (Zweikampf- und Passquote, Vorwärtspässe, Ballverluste und Fehler, die zu Chancen führten). Überall ist Pavard maximal auf Augenhöhe, meist sogar etwas hinter den Bayern-Verteidigern. Boateng und Hummels hatten ein kompliziertes Jahr, doch ihre Erfahrung und ihr Steigerungspotenzial sollten nicht unterschätzt werden.

Wenige individuelle Fehler täuschen den Gesamteindruck. Der FC Bayern wird dafür sorgen müssen, als Mannschaft wieder stabiler zu verteidigen, um die Fehleranfälligkeit einzelner Spieler zu minimieren. Pavard ist trotzdem ein klares Signal für die Zukunft.

Wo wird er eingesetzt?

Es wäre nicht überraschend, wenn Boateng im Sommer einen Tapetenwechsel wagt. Das Loch, das er hinterlassen würde, wäre riesig. Trotz seines kleinen Formtiefs. Pavard hat das Potenzial, dieses Loch langfristig zu stopfen. Kurzfristig sollte die Erwartungshaltung eine andere sein.

Die Frage ist auch, wie der FC Bayern mit ihm plant. Die Option, Pavard als Rechtsverteidiger einzusetzen, sollte nicht kategorisch ausgeschlossen werden. Eine Miasanrot-Analyse wäre zudem keine Miasanrot-Analyse, wenn nicht die Dreierkette zumindest erwähnt würde. Als rechter Halbverteidiger könnte Pavard mit seiner Dynamik einen großen Mehrwert liefern. Alabas Dynamik auf halblinks und Süles Wucht in der Mitte könnten die Dreierkette komplettieren.

Bleibt abzuwarten, was mit Hummels und Boateng passiert. Ihre Zeit ist entgegen der allgemeinen Stimmung im Land noch nicht abgelaufen. Zwar müssen sie sich im Jahr 2019 neu beweisen, aber ein Comeback auf das höchste Niveau liegt im Bereich des Möglichen. Bleiben beide über den Sommer hinaus, hätte der FC Bayern seine Planung für die Innenverteidigung bereits abgeschlossen. Wechselt noch einer, könnten die Themen Hernández und de Ligt wieder spannend werden. Spannend ist darüber hinaus die Situation von Javi Martínez, der als Sechser nicht mehr ins Profil passt und als Innenverteidiger offensichtlich nicht gewollt ist. Aber das hätte eine weitere Analyse verdient …