FC Bayern – Borussia M’gladbach 3:1 (2:1)

Steffen Trenner 10.08.2013

Trotzdem bot der insgesamt verdiente 3:1-Auftaktsieg gegen sehr ordentlich spielende Borussen zahlreiche spannendene Aspekte und Aufschlüsse.

3 Dinge, die auffielen:

1. Guardiolas konsequente Aufstellung

Nach den Eindrücken der Vorbereitung und dem krankheitsbedingten Ausfall von Thiago, bestand vor dem Spiel eigentlich nur auf zwei Positionen diskussionsbedarf. In der Innenverteidigung und in der Sturmspitze. Guardiola entscheid sich im Sturmzentrum für Mandzukic und gegen eine Variante mit Müller und setzte im defensiven Zentrum auf Jerome Boateng und Dante. Beide Entscheidungen waren mit Blick auf die Leistungen in der Vorbereitung sehr konsequent.

Mandzukic bewies zuletzt im Audi-Cup wie wichtig in der aktuellen Phase der spielerischen Transformationsphase unter Guardiola ein echter Zielspieler im Zentrum ist und auch die Wahl von Jerome Boateng statt Javi Martínez als Partner des anscheinend gesetzten Linksfußes Dante, waren nach den Eindrücken der Vorbereitung, in die Martínez erst sehr spät einstieg, logisch. Mandzukic bewies gerade in der Anfangsphase wie wichtig seine Kopfballstärke für das Spiel der Münchener ist. Nicht nur, dass er bei Flanken als ständiger Unruheherd einen oder zwei Innenverteidiger bindet, er schafft es auch durch sein Laufverhalten und seine Kopfballstärke viele lange Diagonalbälle im Spielaufbau zu behaupten oder weiter zu leiten. Weil Mönchengladbach die Münchener in einer 4-3-3-Formation sehr effektiv anlief, griffen insbesondere Dante und Boateng einmal mehr zu vielen hohen und/oder langen Bällen. Insgesamt spielte die Viererkette + Schlussmann Neuer 51 lange Bälle. Allein Dante sah sich 18 Mal zu einem langen Ball gezwungen. Mandzukic, der sich taktisch geschickt zwischen der Gladbacher Viererkette bewegte und somit auch immer wieder Räume für Diagonalläufe von Robben oder Müller schaffte, gewann mit Abstand die meisten Kopfballduelle aller Spieler auf dem Platz und ermöglichte es somit häufig, dass selbst aus einem unkontrolliertem Ballvortrag Ballbesitz entstand.

Zu Mandzukic ist grundsätzlich Folgendes zu sagen. Wie wertvoll er für eine Mannschaft sein kann, hat er über die komplette Saison 2012/2013 bewiesen. Wenn Guardiola weiter auf ihn setzen sollte, muss er ihn so einsetzen, dass seine Stärken zur Geltung kommen. Ein Mario Mandzukic, der spielen soll wie Mario Götze, kann am Ende nicht mehr sein als eine schlechte Kopie des Originals. Mit Spielertypen wie Mandzukic, Götze oder Müller, die jeweils sehr unterschiedliche Stärken haben, hat Guardiola ohnehin viele Möglichkeiten im Sturmzentrum je nach Anforderung zu agieren.

2. Dysbalance im Mittelfeldzentrum

Das was sich wie ein roter Faden durch die Vorbereitung zog, wurde auch zum Saisonauftakt gegen Mönchengladbach gerade zu Beginn der zweiten Hälfte deutlich sichtbar. Guardiolas neues Spielsystem sorgt für eine Dysbalance im Mittelfeldzentrum wenn es dem Gegner gelingt die erste Pressingreihe der Münchener zu überwinden. Auch Guardiola sprach dieses Problem nach dem Spiel sehr treffend an. Immer wenn die Gladbacher „Zeit zum Denken hatten“, hätten sie Bayern Probleme bereitet.

Auf der einen Seite sieht man schon jetzt wie Guardiolas Ausrichtung auf schnelles Gegenpressing wirkt. Die drei offensiven Akteure Mandzukic, Ribéry und Robben führten zusammen 65 Zweikämpfe. Die Viererkette zusammen gerade einmal 21. Natürlich werden hier nicht nur Defensiv-Zweikämpfe gezählt, aber trotzdem lassen diese Werte Schlüsse zu. Jerome Boateng führte als Innenverteidiger über 90 Minuten drei Zweikämpfe. Das zeigt wie sehr sich das Spiel gegen den Ball verändert, bzw. vertikal verschoben hat. Der Ball soll früher und weiter vorn gewonnen werden. Trotzdem steigt mit dieser Ausrichtung das Risiko. Gelingt der schnelle Ballgewinn nicht, ist es für den Gegner leicht die freien Räume neben der alleinigen 6 einzunehmen und einen Konter zu starten. Das wiederum zwingt die Viererkette früher ihre Position zu verlassen, um einen der anstürmenden Gegner zu stellen. Dante beschrieb das nach dem Spiel wie folgt: „Wir verteidigen ein bisschen anders. Wir dürfen keinen Zweikampf verlieren, sonst sind wir in Schwierigkeiten.“

Während Heynckes auf Stabilität ausgelegte Defensivkonzept immer zusätzliche Absicherungen vorsah und die Inneverteidiger ihre Position nur im absoluten Notfall verlassen sollten, verlangt Guardiola das frühe Herausrücken der Verteidiger, um die Räume neben Schweinsteiger frühzeitig zu schließen. All das führte gegen Gladbach zu absurd riskanten 3 gegen 3 oder 4 gegen 4-Situationen. So wie in der 60. Minute. Toni Kroos traf mit einem 18 Meter Schuss den Gladbacher Pfosten. Als der Ball ins Feld zurücksprang und bei einem Gladbacher landete, entstand ein kurzes Missverständnis zwischen Kroos und Müller, wer nun den Ballführenden attackieren sollte und plötzlich überrannten 5 Borussen das völlig verwaiste Münchener Mittelfeldzentrum. Kruse legte den Ball von der Sechzehner-Kante zurück auf den nachrückenden und freistehenden Kramer, der zum Glück mit einem satten Schuss nur die Hacken seines Mitspielers Patrick Herrmann traf.

Szenen wie diese sind es, die wohl auch Guardiola zunehmend Nachdenken bringen. „Wir können gut spielen mit einem Sechser, aber auch mit zwei Sechsern. Mit einem Sechser gefällt es mir besser, aber ich muss mich auch den Spielern anpassen und vielleicht das System ändern.“ Es ist schön zu hören, dass Guardiola im Bezug auf sein neues System kein sturer Dogmatiker zu sein scheint. Trotzdem: Bayern hat das Spiel mit 3:1 gewonnen. Auch das sollten wir nicht vergessen. Ich sehe keinen Grund das neue System schon jetzt, nach dem ersten ernsthaften Spiel grundsätzlich zu hinterfragen. Kleinere Anpassungen wie eine stärkere Tiefenstaffelung im Gegenpressing, bei der der ballferne Achter als zusätzliche Absicherung neben Bastian Schweinsteiger einrückt, könnten ebenfall ein Lösungsansatz für das beschriebene Problem sein.

3. Ribéry, Ribéry, Ribéry

Der kleine Franzose spielte gegen Mönchengladbach befreit auf und stach aus der insgesamt ordentlichen Offensivleistung der Münchener deutlich heraus. Er bereitete das 1:0 vor. Er war an acht Torschüssen beteiligt. Er hatte für einen Flügelspieler unfassbare 132 Ballkontakte (kein anderer Spieler auf dem Feld erreichte 100 Ballkontakte) und er gewann ebenso unglaubliche 18 Zweikämpfe. Martin Stranzl hatte mit 8 gewonnen Zweikämpfen den zweitbesten Wert. Zwar spielte er auch die meisten Pässe aller Akteure auf dem Feld (72), dennoch bleibt sein Spiel sehr dribblingintensiv. Insgesamt 11 Mal setzte der 30-Jährige erfolgreich zum Dribbling an (ebenfalls Bestwert). Ein Ribéry in dieser Frühform ist für den FC Bayern viel Wert.