Audi Cup: FC Bayern München – Liverpool FC 0:3 (0:2)

Maurice Trenner 01.08.2017

Im Halbfinale traf man mit dem FC Liverpool auf den letztjährigen Vierten der Premier League, der vom langjährigen BVB-Trainer Jürgen Klopp trainiert wird. Für Klopp war es das erste Spiel in der Allianz-Arena seit dem DFB-Pokal-Halbfinale 2015, das Dortmund im Elfmeterschießen gewann.

Beim Spiel gegen die „Reds“ musste Coach Ancelotti auf die weiterhin angeschlagenen Robben, Boateng und Neuer, sowie den schwerer verletzten Bernat verzichten. Dafür saßen neben dem neuen Sportdirektor Hasan Salihamidzic auch erstmals die beiden Neuzugänge aus Hoffenheim Sebastian Rudy und Niklas Süle auf der Bank. Joshua Kimmich komplettierte den Kader der Münchner. Der früher angeschlagen aus China abgereiste Thiago und Ribery durften hingegen beginnen.

Basierend auf dem aktuellen Fitnessstand schickte Ancelotti seine beste verfügbare Elf auf den Rasen. Wie schon in China vertraute der Italiener auf Neuzugang James und Thomas Müller. Somit sollte sich ein klassisches 4-2-3-1 ergeben, bei dem James einen eingerückten Rechtsaußen gibt.

Bei Liverpool durften mit Karius, Matip, Can und Firmino vier ehemalige Bundesliga-Spieler auflaufen. Klopp setzte wie Ancelotti ebenfalls auf ein 4-2-3-1, wobei Coutinho als Zehner hinter der einzigen Spitze Firmino begann. Auf den offensiven Flügeln begann die pfeilschnellen Mane und Salah.

Bayern nimmt von Spielbeginn an das Heft in die Hand und drückt Liverpool weit in die eigene Hälfte. Immer wieder versucht man Ribery auf Außen ins direkte Duell mit dem jungen Alexander-Arnold zu schicken. Doch Torchancen ergeben sich hieraus keine.

In der siebten Minute fällt aus dem Nichts das Führungstor für Liverpool. Neuzugang Tolisso verliert den Ball im Mittelfeld gegen Firmino. Der Brasilianer nimmt Tempo auf und hat nur noch Martinez und Hummels vor sich. Vor dem Strafraum legt Firmino auf Mane nach links, hier steht Martinez zu weit weg und der Außenstürmer schließt an Ulreich vorbei ins lange Eck ab.

Nur kurz später wird Bayern erneut ausgekontert. Auf links überläuft Moreno Rafinha davon und schlägt einen weiten Ball mit Schnitt nach rechts auf Salah. Der kann von Alaba nicht gestört werden und kommt aus fünf Metern zum Abschluss. Ulreich kann noch retten.

(Foto: CHRISTOF STACHE / AFP / Getty Images)

Nach 20 Minuten muss Thiago angeschlagen vom Feld und wird durch den wechselwilligen Renato Sanches ersetzt.

Bayern setzte in der Folge vermehrt auf Körperlichkeit, um das Spiel wieder in den Griff zu bekommen. Nach einem Foul von Tolisso gegen Firmino am rechten Eck des Strafraums hat Liverpool die nächste Großchance. Morenos platzierter Freistoß kann jedoch von Ulreich pariert werden.

Während Bayern anschließend recht erfolglos versucht das Spiel in den Griff zu bekommen, sind es die “Reds”, die in der 34. Minute auf 2:0 erhöhen. Mane hat den Ball am linken Strafraum-Eck. Martinez greift ihn nicht an und so kann Mane per Hacke auf den hinterlaufenden Moreno ablegen. Dessen Flanke wird noch abgefälscht, so dass Ulreich nur zur Seite parieren kann. Dort ist Salah vor einem passiven Alaba am Ball und köpft ein. In der gesamten Situation zeigte sich die Bayern-Defensive sehr lethargisch.

Nach einer schwachen und uninspirierten Vorstellung ging es mit einem 0:2-Rückstand in die Kabine. Trotz dieser Leistung verzichtete Ancelotti darauf durch Wechsel zur zweiten Hälfte neue Impulse zu setzen.

Ohne diesen frischen Wind von draußen verflachte das Spiel zusehends. Liverpool beschränkte sich auf das Nötigste und konnte dennoch immer wieder Bayerns Defensive in Verlegenheit bringen. Die Bayern hingegen strahlten nur selten, wie nach einem Distanzschuss von James in der 57. Minute, so etwas wie Gefahr aus.

Kurz nach der 60. Minute musste dann mit James, der zweite Spieler, angeschlagen vom Platz gehen. Coman kam in die Partie. Der junge Franzose ersetzte den blassen James auf dem rechten Flügel, wobei er die Rolle näher an der Außenlinie interpretierte.

Doch auch hierdurch kam kein Offensivdrang ins Spiel der Bayern. Stattdessen setzte Liverpool beinahe noch das 3:0 drauf. In der 71. Minute wird Rafinha von Kent einfach ausgespielt und dessen Pass in den Rückraum schiebt Grujic aus zwölf Metern ins Tor. Allerdings behindert Lallana, im Abseits stehend, Ulreich, sodass das Tor vom Schiedsrichter nach kurzer Diskussion zurückgenommen wird.

Nachdem auch noch Alaba den Platz angeschlagen verlassen muss, fällt tatsächlich noch das 0:3. Wieder führt ein Konter zum Gegentreffer. Nach einem Ballverlust im Mittelfeld wird Sturridge steil geschickt. Rafinha steht erneut nicht gut und kann nur hinterherlaufen. Der englische Nationalstürmer überlupft Ulreich elegant zum Endstand.

Alles in allem reiht sich diese Leistung in die ernüchternden Vorstellungen der Asien-Reise an. Die Bayern lassen offensiv jegliche Kreativität vermissen, verlieren den Ball und wirken danach extrem unsortiert, wodurch der Gegner zu leichten Kontersituationen kommt.

Freundschaftsspiel hin oder her – eine solche Leistung in der heimischen Arena abzuliefern, grenzt an Arbeitsverweigerung. Ancelotti hat in der restlichen Vorbereitung noch einen Berg an Aufgaben abzuarbeiten.

Im morgigen Spiel um Platz 3 trifft Bayern auf den SSC Neapel. Die Italiener hatten zuvor im Halbfinale gegen Atletico Madrid nach 1:0-Führung noch mit 1:2 verloren. Bei den Azzuri trifft München in Pepe Reina auf einen alten Bekannten. Der spanische Keeper absolvierte von 2014 bis 2015 drei Spiele für die Münchner.

Es war zudem die erste Halbfinal-Niederlage der Münchner in der fünften Auflage des Audi-Cups.

Drei Dinge, die auffielen:

1. Umschalten nach Ballverlust

Erneut bestätigte sich gegen Liverpool der Eindruck aus den anderen Testspielen. Neben den vielen Fehlpässen im letzten Drittel kam es zu einigen folgenschweren Ballverlusten im Mittelfeld. Prominentestes Beispiel war hierbei sicherlich der Ballverlust von Tolisso vor dem 0:1. Immer wieder machten es sich die Münchner selbst schwer. Gerade die Kombination von Sanches und Tolisso zeigte sich hier anfällig. Beiden Spielern fehlt noch das Auge und Geschick sich aus Pressing-Situationen zu befreien, was zu falschen Entscheidungen im Passspiel führte.

Durch das hohe Aufrücken und eine suboptimale Staffelung ergeben sich hier große Lücken im Defensivverbund. Diese wusste Liverpool über die schnellen Außenspieler zu nutzen. Die komplette Bayern Defensive ließ sich hier gleich mehrmals überlaufen. Ein Problem, welches bereits gegen den AC Mailand offensichtlich wurde.

Zu häufig wirkten die Münchner unsortiert wodurch Hummels und Martinez isoliert gegen mehrere Angreifer standen. Die beiden Innenverteidiger waren hier oft überfordert.

Die Konterabsicherung ist beim Rekordmeister spätestens seit Guardiola ein Arbeitspunkt im Bayern-Spiel. Ancelotti wird hier gefragt sein ein Sicherheitsnetz im System zu implementieren, welches selbst bei aufgerückten Außenverteidigern eine solche Isolation der Innenverteidiger vermeidet. Ein Einrücken des Außenverteidigers oder ein Fallenlassen des zentralen Mittelfeldspielers und damit die Formierung einer situativen Dreierkette, wie unter Guardiola, könnte hier ein Lösungsansatz sein.

Zudem fehlte gerade ohne Thiago im zentralen Mittelfeld die Passsicherheit. Hier macht sich sicherlich auch das Fehlen von Alonso, Lahm und Boateng bemerkbar.

Gerade der junge Tolisso zeigte sich nach seinem frühen Fehlpass stark verunsichert und verlor immer wieder Bälle.

2. James auf der Suche

Nach einer Stunde war der Arbeitstag von James Rodriguez beendet. Mit leicht schmerzverzerrtem Gesicht und einer Hand vor dem Mund verließ der Kolumbianer das Feld. Erneut konnte der WM-Torschützenkönig von 2014 keinen bleibenden Eindruck im Spiel hinterlassen und während man immer noch anmerken kann, dass James erst seit knapp zwei Wochen beim Team weilt, so muss man doch seine Rolle hinterfragen.

Wie schon in Asien bot Ancelotti James neben Müller auf. Der Kolumbianer sollte dabei eher auf der rechten Seite spielen, von wo aus er auch seinen starken linken Fuß einsetzen kann, während Müller den zentralen Part übernimmt.

Diese Kombination kann für gegnerische Verteidigungen zu Problemen führen, wenn Müller und James ihre Rollen tauschen oder gezielt eine Seite überladen.

(Foto: CHRISTOF STACHE / AFP / Getty Images)

Doch hiervon war im Spiel gegen Liverpool wenig zu sehen. James schien im System der Bayern zu schweben und erschien oft ohne Bindung.

Zu Beginn liefen viele Angriffe der Münchner über die linke Seite von Alaba und Ribery. Als die Münchner zusehends die Kontrolle über die Partie verloren und die Angriffe an Zielstrebigkeit verloren, versteckte sich James häufig hinter der gegnerischen Verteidigungslinie und konnte nicht in Szene gesetzt werden. Allerdings wurde er auch selten von seinen Mitspielern gesucht. Allzu selten zog James in die Mitte, häufiger standen Müller und er auf einem Fleck.

Welche Rolle kann und wird James nun also in Zukunft einnehmen? Angesichts der fehlenden Kreativität aus dem Zentrum über weite Strecke der Partie könnte eine Umstellung von James auf die Acht analog zu einer früheren Götze-Rolle erfolgversprechend sein.

Allerdings würde hiermit weiterhin die Defensivstruktur geschwächt werden. In seiner aktuellen Form und Rolle ist James allerdings kein Kandidat, der Robben einen Stammplatz in dieser Elf streitig machen kann.

3. Mangelndes Zweikampfverhalten

Am Ende dieser Partie kann man zahlreiche Filmschnipsel zusammensuchen und zu einem Scouting-Tape schneiden, die ein teilweise erschreckend schwaches Zweikampfverhalten der Münchner zeigen. Nahezu jedem Gegentor ging eine Szene voraus, bei der mindestens ein Münchner Verteidiger passiv neben dem Liverpool-Angreifer stand anstatt aktiv den Zweikampf anzunehmen. Selbst gegen die zweite Garde der “Reds” war man in der zweiten Hälfte defensiv überfordert.

Dazu reihten sich diverse Szenen, in denen sich Offensivspieler der “Reds” durch den Strafraum der Münchner kombinierten oder gar einfach an mehreren Bayern-Spielern vorbeiliefen. Gerade die Münchner Außenverteidiger Rafinha und Alaba kamen zu keinem Zeitpunkt in die Zweikämpfe, sondern wurden überlaufen und überspielt. Ein schwaches Stellungsspiel, wie vor dem 0:2 und 0:3 von Rafinha, kam erschwerend hinzu.

Der unbedingte Wille in einen Zweikampf zu gehen und diesen zu gewinnen, war oft nicht zu sehen. An dieser Stelle kann über den Einfluss der Temperaturen oder der vorangegangenen Reisestrapazen spekuliert werden.

Schlussendlich darf sich ein Team mit den Ansprüchen des FC Bayern so nicht präsentieren.