Atlético Madrid – FC Bayern München 1:0 (1:0)
Vor dem Spiel stand speziell Carlo Ancelottis Taktik im Fokus. Die Frage, ob seine Neuerungen bereits auf aller höchstem Niveau funktionieren würden, sollte sich vorerst beantworten.
Falls Ihr es verpasst habt:
Der Italiener rotierte im Vergleich zum letzten Spiel auf vier Positionen.
Für Hummels, Kimmich, Sanches und Coman rückten Boateng, Alonso, Vidal sowie Ribéry in die Startelf. Das hatte zur Folge, dass Thiago wieder auf der Acht agieren durfte. Ancelotti hielt aber an seinem 4-3-3 fest und rotierte so nur personell.
Auch Diego Simeone hatte keine großen Überraschungen in petto. Im Vergleich zum Halbfinal-Rückspiel der vergangenen Saison tauschte er nur zwei Positionen. Sowohl Gimenez als auch Augusto fehlten verletzt, deshalb kamen Savic und Carrasco zum Einsatz. Auch Torres durfte wieder von Beginn an ran, obwohl er in dieser Saison erst einen Startelfeinsatz vorzuweisen hatte. In der Grundausrichtung also das für Atlético typische 4-4-2.
Hermann Gerland äußerte direkt vor dem Spiel das klare Ziel, auch unter Carlo Ancelotti den Ball haben zu wollen. Dementsprechend startete die Partie. Bayern hatte den Ball und Atlético versuchte direkt den Gegner in kompakter Formation auf die Außenbahn zu lenken. In der Anfangsphase war auf beiden Seiten jedoch viel Hektik dabei und so passierte außer ein paar Standards nicht viel.
Erstmals gefährlich wurde es nachdem Javi Martínez der Ball bei der Annahme versprang, doch der Spanier reagierte blitzschnell und bügelte seinen Fehler gegen Torres wieder aus. Der Stürmer von Atlético hätte sonst einschieben können (12.). Auch die Münchner hatten wenig später ihre erste große Gelegenheit. Nach schönem Chipball von Thiago vergab Müller mit einem Volley aus kurzer Distanz (13.).
Die nächste Chance hatte wieder der Gastgeber. Martínez drängte Carrasco gut in den spitzen Winkel, der brachte den Ball aber trotzdem auf das Tor der Ancelotti-Elf. Neuer parierte (19.). Atlético bekam in dieser Phase mehr vom Spiel. Nach einer Ecke war es Torres, der aus nur 50 Zentimetern an den Pfosten köpfte (21.). Glück für die Bayern, die ihre scheinbare Kontrolle aus der Anfangsphase nun zu verlieren schienen.
Diego Simeones Mannschaft variierte immer wieder die Höhe des Pressings und ließ den Münchnern nur die Flügel offen. Folglich versuchten es die Gäste immer wieder über Flanken. Lewandowski hatte nach einer solchen eine gute Halbchance, doch sein Kopfball war kein Problem für Oblak (28.). In der 36. Minute war es dann soweit. Yannick Carrasco brachte das Heimteam nicht unverdient in Führung, nachdem die Elf von Carlo Ancelotti der Tempoerhöhung erneut nicht Stand halten konnte. Alonso verliert einen Kopfball im Mittelfeld und Thiagos Klärung landet in den Füßen von Carrasco.
Der FCB versuchte direkt zu antworten. Nach schöner Seitenverlagerung von Thiago bediente Alaba Ribéry, der nach Doppelpass mit Lewandowski die größte Chance der Bayern vergab (39.). Vor der Halbzeit sollte dann nichts mehr passieren.
Beide Mannschaften kamen unverändert aus den Kabinen und auch das Spiel blieb zunächst gleich. Die erste große Chance hatten diesmal die Bayern. Nach einer Ecke stand Müller frei am langen Pfosten, köpfte jedoch knapp vorbei (50.). Die dritte hundertprozentige Möglichkeit für die Gäste. Die Ancelotti-Elf nahm jetzt etwas Tempo auf und kam mit Alaba zur nächsten guten Gelegenheit (56.).
Der Bayern-Trainer wechselte innerhalb kürzester Zeit drei Mal aus und brachte nach und nach Robben, Hummels und Kimmich für Müller, Boateng und Thiago, der nach mehreren Fouls kurz vor dem Platzverweis stand. Die Münchner hatten über längere Zeit den Ball, ohne aber im letzten Drittel gefährlich zu werden. Atlético meldete sich erst in der 67. Minute mit einem Distanzschuss von Carrasco zurück, der aber an Neuer scheiterte.
Auch Simeone wechselte dann das erste Mal und tauschte den Torschützen Carrasco gegen Gameiro (72.). Bayern kontrollierte jetzt die Partie, aber fand keine Lücken in der gegnerischen Formation. Die Rojiblancos fokussierten sich hingegen endgültig aufs Kontern. Nach einem solchen war es Griezmann, der seinen Kopfball nicht im Tor unterbringen konnte (75.). Bayern lief weiter an, scheiterte aber in Person von Ribéry und Lewandowski jeweils knapp (76. und 77.).
Nach 79 Minuten wechselte Atléticos Trainer zum zweiten Mal. Für Torres kam Nicolás Gaitán. Arjen Robben verpasste kurz darauf den Ausgleich um Zentimeter (81.). Die Ereignisse überschlugen sich nun. Arturo Vidal verursachte mit einem ungestümen Einsatz einen Elfmeter. Antoine Griezmann war es, der vom Punkt die große Chance auf die Entscheidung vergab (84.). Dank des Franzosen blieb die Spannung also bis zum Ende der Partie.
Bayern versuchte nochmal alles, doch ein Tor schien ihnen nicht mehr vergönnt zu sein. Robben (89.), Godin (90.) und Gaitán (91.) verpassten die nächsten Möglichkeiten auf einen Treffer. Simeone nutzte seine letzte Wechseloption um den defensiven Thomas Partey für Antoine Griezmann zu bringen (92.). Auch fünf Minuten Nachspielzeit waren nicht lang genug für einen Bayern-Treffer und so verloren die Münchner ihr erstes Pflichtspiel unter Carlo Ancelotti.
3 Dinge, die auffielen
1. Bayern schwimmt ohne Ball und entwickelt keine Durchschlagskraft
Atlético machte das, was sie immer machen, auf aller höchstem Niveau. Sie variierten nicht nur das Tempo der Partie nach belieben, sondern zeigten sich auch sehr flexibel im Pressing. Die Elf von Diego Simeone kontrollierte speziell im ersten Durchgang das Geschehen. Sie entschieden darüber wann die Münchner den Ball bekamen und wann sie selbst agierten. Das lag vor allem daran, dass Ancelottis Mannschaft nicht in der Lage war das Zentrum zu bespielen.
Das Pressing des Gastgebers konnten sie meist umspielen. Zwar fehlte oft die letzte Konsequenz nach vorne, aber in Ballbesitz gab es nur wenige Gelegenheiten für den Gegner. In große Schwierigkeiten kam Bayern aber, wenn sie sich fallen ließen. In Ballbesitzphasen Atléticos stand man schlicht ungeordnet und schlecht gestaffelt. Alonso oder Vidal rückten oft zu früh heraus und so ergaben sich große Lücken zwischen den Linien. Man merkte in diesen Situationen regelrecht wie der Rhythmus der Gäste durcheinander gebracht wurde. Selbst wenn sich dann mal Umschaltmomente boten, wussten sie es nicht zu nutzen. Zu viel Hektik und ein extrem ungenaues Passspiel waren die Hauptgründe dafür.
Doch auch im eigenen Ballbesitz gab es wieder große Probleme. Es sind weiter strukturelle Probleme, die der Offensive die Durchschlagskraft nehmen. In der ersten Halbzeit hatte der FC Bayern nur vier Abschlüsse, zwei davon aufs Tor. Ribéry agierte zwar wieder mit vielen Freiheiten, machte in seiner Positionierung aber auch vieles, was seiner Mannschaft nicht half. Zu selten gab er dem Spiel Breite im Aufbau und zog in das ohnehin schon überladene Zentrum. Es gab genau eine Situation im ersten Durchgang, in der die Münchner eine Pressingsituation auf der Außenbahn auflösten und dann über Thiago eine schnelle Seitenverlagerung suchten. Alaba leitete anschließend die beste Chance der Gäste ein. Wenn das nahezu perfekt organisierte Gebilde von Atlético Madrid in Bewegung war, entstanden auch bespielbare Lücken. Ein großes Problem war hier aber auch die Passgenauigkeit. Simeones Mannschaft drückte den Wert der Gäste auf 84,4%, was für Bayernverhältnisse schon als relativ wenig zu werten ist. Oft waren es Pässe, die minimal in den Rücken gespielt wurden und so das Tempo aus dem Angriff nahmen.
In der zweiten Halbzeit machten die Bayern das deutlich besser. Mit der Einwechslung von Arjen Robben wurden sie auch über die rechte Seite in Eins-gegen-Eins-Situationen gefährlich. Robben suchte zudem immer wieder die Verbindungen ins Zentrum und kombinierte sich so klug in aussichtsreiche Situationen. Meist spielte er den Ball in den Strafraum, um anschließend den Abpraller zu nutzen. Dieses wiederkehrende Muster funktionierte gleich mehrfach. Allgemein verstanden es die Münchner deutlich besser, die beiden Viererketten des Gegners auseinander zu ziehen. Insgesamt können sie auf den zweiten Durchgang aufbauen, auch wenn noch ein weiter Weg hinsichtlich der Offensivstruktur zu gehen ist.
2. Alonso überfordert, Thiago ragt heraus
Alonso zeigte wieder keine gute Leistung gegen ein hoch anlaufendes Team. Dass er unter Pressing nicht die besten Lösungen parat hat, ist bekannt. Umso erstaunlicher war es, dass Ancelotti auf Kimmich verzichtete. In der ersten Halbzeit spielte Alonso nur 37 Pässe (32 kamen an) und so deutlich weniger als seine Mittelfeldkollegen Thiago (46/51) und Vidal (40/46). Der Spanier schaffte es nicht dem Spiel seinen Stempel aufzudrücken und konnte auch gegen den Ball nicht überzeugen. Ein eher durchschnittlicher Auftritt des 34-Jährigen. Hinzu kam der Verlust des entscheidenden Zweikampfs vor dem 1:0 für Atlético. Alonso war in dieser Szene nicht konsequent genug. Thiago konnte nicht mehr retten.
Deutlich besser im Spiel war Thiago aber dennoch. Er spielte nicht nur die meisten Pässe bis zu seiner Auswechslung (65/73), sondern brachte auch im letzten Drittel die meisten Bälle an einen Mitspieler (23/26). Darüber hinaus glänzte der Spanier auch gegen den Ball. Sieben Balleroberungen und vier erfolgreiche Grätschen unterstreichen das. Der 25-Jährige erwies sich vor allem mit Ball als cleverer Spielmacher und nahm diese Rolle deutlich besser ein als Alonso. Auch unter Druck spielte er kluge Pässe. Seine Entscheidungsfindung, aber auch die Pressingresistenz sind aktuell für den FC Bayern viel wertvoller als die Spielweise Alonsos. Vielleicht hätte Ancelotti hier auf Kimmichs Form vertrauen und Thiago so im defensiven Zentrum als sicherere Variante gegen das Pressing aufstellen sollen.
3. Bayern keinesfalls schlecht
Trotz der geschilderten Probleme darf man aber nicht vergessen, dass Atlético auch der erwartet starke Gegner war. Die Bayern sind in einer Phase der Saison, wo sie neue Automatismen kennenlernen und finden müssen. Die Umstellungen sind besonders im Gegenpressing und in der Struktur mit dem Ball bemerkbar. Atlético ist hingegen eine Mannschaft, die seit Jahren zusammen spielt und ihr Spiel perfekt beherrscht. Dennoch hatten die Münchner ihre Chancen. Sie erspielten sich drei hochkarätige Möglichkeiten und einige gute Abschlüsse. Sowohl Müller als auch Ribéry und Robben waren jedoch nicht in der Lage diese zu verwerten. Insgesamt hatte Bayern (15) nur einen Torschuss weniger als Atlético (16).
Bayern zeigte in Ansätzen, dass sie weiterhin in der Lage sind mit den Großen in Europa mitzuhalten. Wenn auf diesem Niveau aber nur Kleinigkeiten nicht passen, dann wird es schwer zu punkten. Die Münchner können aus diesem Spiel viel für die Zukunft mitnehmen. Atlético Madrid zeigte dem Tabellenführer der Bundesliga alle Schwächen gnadenlos auf. Aus dieser Niederlage die richtigen Schlüsse zu ziehen ohne sie dabei zu überhöhen, wird die große Aufgabe für Carlo Ancelotti in den nächsten Tagen sein.
Atlético Madrid – FC Bayern 1:0 (1:0) | |
---|---|
Atlético Madrid | Oblak – Juanfran, Savic, Godín, Filipe Luis – Saúl, Koke, Gabi, Carrasco (71. Gameiro) – Griezmann (90.+1 Partey), Torres (80. Gaitán) |
Bank | Moreira, Correa, Hernández, Vrsaljko |
FC Bayern München | Neuer – Lahm, Boateng (62. Hummels), Martínez, Alaba – Xabi Alonso – Thiago (66. Kimmich), Vidal – Müller (59. Robben), Lewandowski, Ribéry |
Bank | Ulreich, Rafinha, Sanches, Coman |
Tore | 1:0 Carrasco (36.) |
Karten | Gelb: Saúl / Lahm, Thiago, Boateng, Vidal |
Schiedsrichter | Szymon Marciniak (Polen) |
Zuschauer | 59.000 (ausverkauft) |