Waterloo in Manchester: FC Bayern vor dem Aus
Falls Ihr es verpasst habt
Manchester City – FC Bayern: die Aufstellungen
Ohne Thomas Müller und Sadio Mané ging der FC Bayern ins Auswärtsspiel bei Manchester City. Thomas Tuchel entschied sich gegen die erfahrenen Offensivspieler und setzte stattdessen auf die Geschwindigkeit von Jamal Musiala, Kingsley Coman, Leroy Sané und Serge Gnabry in der Offensive. Im Mittelfeld kehrte Leon Goretzka zurück an die Seite von Joshua Kimmich, während die Viererkette erwartbar aus Alphonso Davies, Matthijs de Ligt, Dayot Upamecano und Benjamin Pavard bestand. João Cancelo nahm ebenfalls auf der Bank Platz.
Pep Guardiola verzichtete auf große Überraschungen und setzte unter anderem auf die Ex-Bundesligaspieler Manuel Akanji, İlkay Gündoğan, Kevin de Bruyne und Erling Haaland.
Punktsieg für City in der ersten Halbzeit
Zu Beginn wirkten beide Teams respektvoll. Das typische Abtasten im Großes-Spiel-Modus. Bayerns Viererkette und die Doppelsechs spielten ebenso absichernd wie Citys Dreierkette mit Rodri und Stones davor. Das regnerische und windige Wetter trug dazu bei, dass die Spieler viele Risiken scheuten.
Wäre es kein Spiel dieser beiden Mega-Teams, hätte man es auch als typisches Spiel für eine cold and rainy night in Manchester beschreiben können.
In einer chancenarmen Anfangsphase wurde es nur einmal brenzlig, als Sommer nach einem Rückpass die Wucht unterschätzte, mit der Haaland auf ihn zulief. Er klärte um Haaresbreite ins Seitenaus.
City überließ dem FC Bayern in dieser Phase immer öfter den Ball, doch die blieben abwartend ohne den ganz großen Druck nach vorne. Eigentlich wollte man auf Umschaltsituationen zocken, doch die ergaben sich nun zu selten. Die beste Chance erspielten sich die Münchner, als Sané in der 25. Minute Sané über links durchbrach und einen von der Grundlinie zurück zu Musiala spielte. Aké blockte den Schuss von Musiala.
Auf der Gegenseite klappte es besser. Passend zum Wetter erzielte City ein Tor für Fußballtraditionalisten. Goretzka half Davies außen gegen Silva, der in den Rückraum passte, wo Rodri den anlaufenden Musiala auswackelte und aus 22 Metern in den Winkel traf. Nachdem Goretzka nach außen verschob, waren sich Gnabry, Musiala und Kimmich bei der Zuordnung für Rodri nicht einig.
Manchester wurde danach selbstbewusster. De Bruyne und Haaland wurden durch Rochaden und direkte vertikale Weiterleitungen in die Halbräume gefährlich. Im Zuge einer solchen Situation vergab Gündoğan eine Großchance vor Sommer nach abgefälschter De-Bruyne-Flanke.
Bayern kam bis zum Ende der Halbzeit auf viel Ballbesitz, schaffe es aber nicht, sich klare Chancen zu erspielen.
FC Bayern fällt in der zweiten Halbzeit auseinander
Zu Beginn der zweiten Halbzeit hatte der FC Bayern seine bis dato beste Chance. Über zwei schnelle Vertikalpässen ging es von de Ligt über Musiala zu Sané. Ederson parierte, und der Abpraller landete bei Aké statt Gnabry. Es blieb beim 1:0.
Das Spiel wurde in der zweiten Halbzeit schneller und offener. Pavard und Aké taten sich mit spektakulären Rettungstaten hervor.
In der 69. Minute kam Sadio Mané, sollte dem FC Bayern aber kein Glück bringen.
Bayern verteilte unter anderem durch Sommer und Upamecano Einladungen an Manchester, die die Gastgeber in der 70. nutzten. Upamecano verlor den Ball im Andribbeln gegen Grealish. Der setzte Haaland ein – und der Norweger schloss nicht selbst ab, sondern flankte überlegt auf den einlaufenden Silva, der zum 2:0 einköpfte.
Sechs Minuten später machte Haaland es selbst und traf zum 3:0. Nach einem Eckball brachte City den zweiten Ball zu Stones an den langen Pfosten, von wo dieser wie so oft zu Haaland am kurzen Pfosten ablegte, wo dieser keine Probleme hatte zu vollenden. Ähnlich hatte er zuletzt zweimal gegen Leipzig getroffen.
Tuchel reagierte und wechselte zehn Minuten vor dem Ende Müller und Cancelo für Gnabry und Davies ein.
Große Chancen gab es danach auf keiner Seite mehr. Die Körpersprache des FC Bayern erinnerte in den letzten zwanzig Minuten an Niederlagen, wie man sie lange nicht gesehen hat.
Dinge, die auffielen
1. Erst fehlte dem FC Bayern das Glück, dann brach er auseinander
Spiele auf Top-Niveau werden gemeinhin von Kleinigkeiten entschieden. Hier ein Traumtor, da eine strittige Entscheidung des Schiedsrichters und dort ein Aluminiumtreffer zu viel. Bayern und City waren vor der Viertelfinal-Auslosung die Topfavoriten auf der Champions-League-Sieg.
Entsprechend durfte man ein solches Spiel der Kleinigkeiten erwarten. Und genau das schien es zu werden. Ausgeglichener Ballbesitz, Chancen auf beiden Seiten. Kleine Fehler bei City und Halbchancen für den FC Bayern, die nicht ins Tor fallen.
Und umgekehrt eine Mini-Fehler vor Rodris Schuss, der zum Tor führt. Eine fehlende Zuordnung in “Zone 14” ist nie gut, aber einen gegnerischen Spieler eine halbe Sekunde aus den Augen zu verlieren ist nicht automatisch dramatisch. Rodris Schuss hatte laut Sofascore einen xG-Wert von 0,04. Das heißt: Im Durchschnitt geht jeder 25. Schuss unter diesen Umständen (Distanz, Gegner-Positionierung etc.) ins Tor.
Es war also eines jener Spiele. Mit Glück würde der FC Bayern noch ein Tor erzielen, ansonsten vielleicht mit 0:1 nach Hause fahren und im Rückspiel vor einer schwierigen, aber lösbaren Aufgabe stehen.
Doch dann folgte ein Einbruch, wie der FC Bayern ihn in der Champions League einst 2009 gegen Peps Barcelona erlebte, oder in Abstrichen gegen Ancelottis Real. Es war nicht nur der Fehler von Upamecano, der zum 0:2 führte. Es war das Gefühl, dass danach in jeder Aktion Citys Gefahr drohte, während dem FC Bayern selbst die Mittel fehlten, ins Spiel zurückzukommen.
Acht Tage bleiben Thomas Tuchel, um das Rezept für ein Wunder zu finden.
2. Pep 1, Tuchel 0
Durch den Sieg im Finale der Champions League hatte sich Tuchel zuletzt einen Namen als Guardiola-Schreck gemacht. An diesem Abend zeigte der katalanische Altmeister, dass er es auch noch kann.
Tuchel wählte eine überraschende Aufstellung mit einem offensichtlichen Plan: Seine schnellen Offensivspieler sollten über Umschaltsituationen gefährlich werden. Aber dazu kam es nicht. Pep gab den Gästen den Ball, zog sich selbst zurück. Der FC Bayern wirkte nicht, als habe er einen Plan für dieses Szenario. Das Nagelsmannsche Strafraum-Überladen, durch das der FC Bayern bis vor wenigen Wochen passive Gegner mit schierer Wucht und Überzahl überspielte, will der neue FC Bayern nicht mehr.
Um in Unterzahl durchzukombinieren, fehlte ein Zielspieler und die Durchschlagskraft über außen. Kingsley Coman gewann drei von acht Dribblings, Gnabry null von drei.
Etwas überraschend wechselte Tuchel erst sehr spät im Spiel. Davies hatte von Beginn an offensichtliche Probleme gegen Silva und war Ziel vieler Angriffe Citys. Gnabry und Coman blieben offensiv wirkungslos. Tuchel wechselte dennoch sehr spät. Mané kam in der 69, Müller und Cancelo erst nachdem es bereits 0:3 stand.
War Tuchel mit dem Spielverlauf zufrieden oder fehlte ihm das Vertrauen in seine Bank, die sichtbaren Probleme zu beheben?
Im Trainerduell standen vorher drei Tuchel-Siegen derer sechs von Guardiola gegenüber. An diesem Tag kam ein ebenso verdienter wie klarer siebter dazu.
3. Vorgezogene Sommerpause für den FC Bayern
Der Trainerwechsel beim FC Bayern ist ausanalysiert. Es wird eine offene Frage bleiben, ob Tuchel für einen Wechsel im Sommer zur Verfügung gestanden hätte.
Die Beantwortung dieser Frage ist durch das Ausscheiden im Pokal und das quasi sichere Ausscheiden in der Champions League obsolet. Der FC Bayern ist zu zwei Dritteln in der Sommerpause angekommen.
Ob man in der Bundesliga eine Trotzreaktion zeigt oder dort auch auseinander fällt, spielt für die sportliche Bewertung dieses Saisondrittels fast keine Rolle mehr.