“Kann Talent die fehlende Erfahrung kompensieren?”
Im Interview zur dritten Liga, die an diesem Wochenende beginnt, sprechen wir mit Julian Koch, der Chefredakteur beim Online-Portal liga3-online.de ist. Dort findet ihr alle Informationen rund um die dritte Liga – auch die hier im Interview erwähnte Saisonvorschau und Trainer-Umfrage. Für die Bayern Amateure geht es am Samstag, den 20.07., zum Saisonauftakt nach Würzburg.
Nach unzähligen Anläufen haben die Amateure des FC Bayern es in der Relegation gegen den VfL Wolfsburg II tatsächlich geschafft in die dritte Liga aufzusteigen. Auf was dürfen sich die Fans der „kleinen“ Münchner freuen?
Einen sehr authentischen Fußball an dem der Fan deutlich näher dran sein kann, als dies in den oberen Spielklassen der Fall ist. Die Spieler und Mannschaften sind da deutlich nahbarer. Dazu waren im letzten Jahr insgesamt drei Millionen Zuschauer in den Stadien, womit man sich vor keiner dritten Liga der Welt verstecken muss.
Sportlich ist die Liga ebenfalls attraktiv, weil sie extrem ausgeglichen ist. Etwas, das man von der Bundesliga nun nicht unbedingt sagen kann, wobei die Bayern-Fans das sicher am besten wissen. Es gibt zudem häufiger Überraschungen. Dass der Letzte gegen der Ersten gewinnt, kam in den vergangenen Jahren regelmäßig vor. Die gesamte Liga ist in der Leistungsdichte eng beieinander und auch die Aufsteiger müssen sich nicht verstecken. Von daher kann man eine spannende Liga erwarten – vielleicht sogar die spannendste Liga Deutschlands.
Quo vadis, Bayern Amateure?
In ihrer Saisonvorschau haben Sie den Bayern Amateuren eine schwierige Saison prophezeit. Auch Ihre Leser sehen die Münchner als einer der Favoriten auf den direkten Wiederabstieg. Wie eng wird es tatsächlich mit dem Klassenerhalt? Welcher Tabellenplatz kann als realistisches Ziel ausgegeben werden?
Unabhängig von den Teams, hat man letzte Saison gesehen, wie eng es im Klassenerhalt um die dritte Liga werden kann. Erstmals haben 45 Punkten nicht gereicht, um die Klasse zu halten und Energie Cottbus stieg schlussendlich wegen einem Tor ab. Außerdem gab es letztes Jahr erstmals vier Absteiger, was den Abstiegskampf zudem spannender gemacht hat.
Konkret für die Münchner wird es darauf ankommen, wie die jungen Spieler mit der Liga zurecht kommen. Kann Talent die fehlende Erfahrung kompensieren? Diese Frage gilt wohl für keine Mannschaft so sehr wie für die Bayern Amateure. Das Können der Spieler ist zwar unbestritten und mit Welzmüller, Wriedt und Kern hat man auch erfahrene Akteure im Kader, aber dennoch ist Bayern die Wundertüte der Liga. Das untere Tabellendrittel erscheint dennoch am Wahrscheinlichsten.
Zur neuen Saison stehen für die meisten Spieler aus dem Kader erstmals lange Auswärtsfahrten bis nach Rostock, volle Stadien in Kaiserslautern und hitzige Atmosphären in Mannheim auf dem Programm. Was kann das für eine Rolle im Saisonverlauf spielen?
Das wird auf jeden Fall eine große Rolle spielen. Generell wird es einen deutlich größeren Fokus der Öffentlichkeit geben, unter anderem aufgrund der Liveübertragungen. Selbstverständlich macht es einen Unterschied, ob man vor tausend Zuschauern in einem bayerischen Dorf oder vor 40.000 Fans auf dem Betzenberg spielt. Zudem sind die Amateuermannschaften in der Spielklasse bei den gegnerischen Anhängern nicht sonderlich beliebt. Dann kommt es natürlich darauf an, wie jeder einzelne mit so einer Situation umgeht. Das wird spannend zu beobachten sein.
Der Kader der Bayern U23 hat laut transfermarkt.de den höchsten Marktwert aller Drittligisten. Wie würden Sie die Spieler bezüglich ihrer Fähigkeiten einordnen, wenn man die fehlende Erfahrung außen vor lässt?
Man sollte sich von den hohen Marktwerten nicht blenden lassen. Die Frage ist natürlich immer, wie diese Summen zustande kommen und ob diese in ihrer Höhe gerechtfertigt sind. Das wird die kommende Spielzeit zeigen.
Wenn man nur auf das Stadion schaut, ist Kaiserslautern mit dem Betzenberg sicherlich ein besonderes Highlight. Ein Stadion, das eigentlich eine höhere Spielklasse verdient hätte.Julian Koch, über die besten Auswärtsfahrten der 3. Liga
Über Talent kann man in der Liga aber auf jeden Fall kommen. Die zwei dominierenden Spielstile in der Liga sind eine kompakte Defensive aus der heraus mit vielen langen Bällen operiert wird und belebender Offensivfußball. Gerade für letzteres sollten die Münchner mit ihrem Talent geeignet sein.
Die Amateure des FC Bayern sind die einzige zweite Mannschaft eines Profivereins in der Liga. Warum tun sich die U23-Teams so schwer im Eintrittslevel des deutschen Profifußballs? Liegt es einzig und alleine an der Erfahrung?
Vergangene zweite Mannschaften von beispielsweise Bremen oder Stuttgart sind nicht nur an fehlender Erfahrung gescheitert, sondern auch an der körperlichen und kämpferischen Überlegenheit der anderen Teams. Dennoch kann der Abstiegskampf gerade für junge Spieler auch eine mentale Belastung sein, die sie aus ihrer Jugendzeit nicht gewohnt sind. Sich im Tabellenkeller auszukennen, kann dann von Vorteil sein.
Kurz vor Saisonstart hat sich der FC Bayern noch mit Singh, Kern und Dajaku verstärkt. Insgesamt 2,35 Millionen ließen die Münchner sich die drei Akteure kosten. Wie sehen Sie die Neuzugänge?
Aus diesem Trio ist sicherlich Kern der Spieler, der die Mannschaft am ehesten sofort verstärken kann. In Mannheim war er im Aufstiegsteam der zweitbeste Scorer und das als Mittelfeldspieler. Die Frage wird bei ihm sein, wie schnell er sich in das neue Team einfindet und wie viele Spiele er machen wird. In der dritten Liga gibt es für U23-Teams eine Beschränkung an Spielern, die älter als 23 Jahre sind. Maximal drei dürften zeitgleich auf dem Platz stehen.
“Die vielleicht spannendste Liga Deutschlands”
Waldhof Mannheim, 1. FC Kaiserslautern, MSV Duisburg – die dritte Liga weiß auch dieses Jahr wieder mit vielen Traditionsvereinen aufzuwarten. Welche Auswärtsreise sollte man als Anhänger der Münchner auf keinen Fall verpassen?
Mannheim ist hier sicherlich eine Reise wert. Aber auch in Rostock oder Magdeburg ist die Stimmung klasse. Wenn man nur auf das Stadion schaut, ist Kaiserslautern mit dem Betzenberg sicherlich ein besonderes Highlight. Ein Stadion, das eigentlich eine höhere Spielklasse verdient hätte.
Mit Unterhaching und natürlich auch den Blauen stehen für die Amateure insgesamt vier Münchner Derbys auf dem Spielplan. Welcher der drei Vereinen wird am Saisonende die inoffizielle Münchner Stadtmeisterschaft für sich beanspruchen können?
Wenn man die letzten Jahre betrachtet, würde ich Unterhaching minimal vorne sehen. Die Hachinger haben zwar eine schwache letzte Rückrunde gespielt, haben sich jetzt mit einigen Transfers einen guten Kader zusammengestellt. Aber vielleicht gibt es auch eine große Überraschung und 1860 spielt am Ende doch ganz oben mit.
Mit Heiko Vogel und Jan Kirchhoff sind seit diesem Sommer zwei in München gut bekannte Gesichter beim KFC Uerdingen unter Vertrag. Was ist diesem Projekt der besonderen Art zuzutrauen?
Im letzten Jahr hatte man vorrangig auf Erfahrung und ehemalige Bundesligaspieler gesetzt. Dies ging vor allem in der vergangenen Halbserie katastrophal schief und man wurde Letzter in der Rückrundentabelle. Dies scheint wohl auch intern bei der Saisonanalyse aufgefallen zu sein. Man hat versucht den Kader etwas zu verjüngen und ein paar Talente geholt. Damit ist der KFC mit dieser besseren Mischung ein weiteres spannendes Projekt in dieser Liga. Von einer Platzierung in der oberen Tabellenhälfte kann man durchaus ausgehen.
Welche Mannschaften müssen die FC Bayern Amateure denn hinter sich lassen, um den Abstieg zu vermeiden?
Da gibt es natürlich die altbekannten Vereine wie Großaspach oder auch Jena, die beide letzte Saison bereits lange Zeit gegen den Abstieg gespielt haben. Allerdings gab es in den letzten Jahren auffällig oft eine Mannschaft, die nach einer verpatzten Saison in der kommenden Spielzeit oben mitspielte. Auch die anderen Aufsteiger Chemnitz und Viktoria Köln sind, ähnlich wie die Bayern-Amateure, eher in der unteren Tabellenregion anzusiedeln. Der SV Meppen ist sicherlich auch als ein Kandidat zu nennen.
„Der finanzielle Abstand zwischen den beiden Ligen ist allerdings erheblich. Für die großen Vereine wie Lautern oder Rostock ist die Liga ein Verlustgeschäft, das sich über die Jahre aufsummiert.“Julian Koch, über die Lücke zwischen zweiter und dritter Liga
Vielleicht gibt es aber auch hier eine Überraschung und eine Mannschaft, die jetzt noch damit rechnet, um den Aufstieg zu spielen, muss sich mit dem Klassenerhalt beschäftigen. Letztes Jahr traf Braunschweig dieses Schicksal.
Schauen wir ans andere Tabellenende: Ist Ingolstadt der große Favorit auf den direkten Wiederaufstieg? Welche Mannschaften planen sonst noch ein Wort im Aufstiegsrennen mitsprechen zu können?
Ich würde gar nicht mal sagen, dass Ingolstadt der große Favorit ist. Bei unserer Trainerumfrage wurden die Schanzer zwar neben Braunschweig vorne gesehen, aber mit deutlich weniger Stimmen als im Vorjahr Kaiserslautern beispielsweise. Einen großen Favoriten gibt es daher nicht. Es sind vielmehr acht Mannschaften auf einem ähnlichen Niveau – zumindest auf dem Papier vor der Saison. Das kann sich an den ersten Spieltagen allerdings bereits ändern.
Durch den Abstieg hat Ingolstadt einige Leistungsträger verloren und ist momentan gerade im Sturm noch dünn besetzt. Braunschweig hat sich mit Ademi, Proschwitz und Kobylanski gut verstärkt. Die sollte man auf jeden Fall auf der Rechnung haben. Ansonsten kann man Magdeburg, Rostock und Uerdingen im Hinterkopf behalten. Ein Außenseitertipp ist Würzburg, trotz des Verlusts einiger Stammspieler.
Wo steht die dritte Liga?
Wie ist die grundsätzliche Entwicklung der Dritten Liga einzuschätzen, am Übergang zwischen Amateur- und Profifußball? Wie groß sind die Abstände zu den Ligen darüber und darunter in sportlicher und finanzieller Hinsicht? Hängt die dritte Liga die Regionalligen ab oder wird sie selbst von der Zweiten Bundesliga angehängt?
Der Abstand nach unten ist gar nicht so groß. Das hat man gerade in den letzten Jahren gesehen, als die Aufsteiger immer wieder eine gute Rolle gespielt haben. Einige wie Würzburg oder Regensburg haben sogar direkt den erneuten Aufstieg geschafft.
Auch der sportliche Abstand zur zweiten Liga ist gering. Hier findet man auch Beispiele von Mannschaften, die sich in der höheren Spielklassen gehalten haben. Ganz aktuell hat Paderborn ja sogar den Durchmarsch in die Bundesliga geschafft.
Allerdings ist der finanzielle Abstand zwischen den beiden Ligen erheblich. Da reicht es schon auf die TV-Gelder zu schauen. Während ein Zweitligist in der Regel mit mindestens zehn Millionen Euro planen kann, sind es in der dritten Liga etwas über eine Million Euro. Daher versuchen jedes Jahr auch viele Teams mit einem regelrechten Wettrüsten aus der Liga rauszukommen. Denn für die großen Vereine wie Lautern oder Rostock ist die Liga ein Verlustgeschäft, das sich über die Jahre aufsummiert.
Und zum Abschluss noch eine Frage für alle Fans des kicker-Managerspiels: Welchen Spieler sollte ich auf jeden Fall in meinem Kader haben, wenn ich meine Liga gewinnen will?
Es ist natürlich schwer einen Spieler hervorzuheben. Wenn ich aber im Tor eine sichere Bank haben will, dann würde ich Markus Kolke von Rostock nehmen. Der war in den letzten Jahren bei Wehen Wiesbaden richtig stark.