Ausrutscher oder mehr?

Steffen Trenner 31.01.2015

Heckings Defensivkonzept greift

In der Regel wurde die Guardiola-Elf in der Vergangenheit mit zwei Defensivkonzepten konfrontiert. Es gibt die Teams wie Dortmund oder Augsburg, die ihr Glück in einem sehr hohen Pressing versuchten und Bayern weit in der eigenen Hälfte attackierte. Und es gab eine große Anzahl von Teams, die sich schnell weit an den eigenen Strafraum zurückzogen und so versuchten die Räume in Tornähe extrem zu verengen. So richtig erfolgreich war in der jüngeren Vergangenheit keine der beiden Varianten. Hecking probierte mit seinen Wolfsburgern etwas neues. Er beließ es bei einem 4-4-2 Mittelfeldpressing und ließ die Guardiola-Elf bis zur Mittelllinie meist mehr oder weniger gewähren.

Er machte aber nicht den Fehler seine eigene Viererkette gleichzeitig weit bis zum eigenen Strafraum zurück zu ziehen. Die Mannen um Naldo standen meist nur etwas 20-25 Meter hinter der vorderen Pressingreihe, beziehungsweise 25-30 Meter vor dem eigenen Tor. So entstand ein nur 20-30 Meter langes Rechteck in dem sich alle 20 Feldspieler aufhielten was die Räume gerade im Zentrum unglaublich verengte. Wolfsburg gelang es so die für Bayerns Spiel so wichtigen Halbräume zum Beispiel im 8er-Bereich fast völlig zu eliminieren. Bayern fand dagegen lange kein Mittel auch weil Alaba dem Spiel nicht genügend Breite gab, selbst immer wieder in die Mitte zog und den Raum noch mehr verengte. Der übliche Aufbau der Münchner durch die Mitte und dann über die 8er-Positionen nach Außen, stockte schon im Ansatz. Auch Alonso zeigte deutliche Schwächen bei der Entscheidungsfindung in engen Räumen und unter Druck.

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Das Schaubild zeigt sehr deutlich wie viele Bälle die Bayern von der Mittellinie aus ins vordere Spielfelddrittel spielen mussten und wie ungenau sie dabei agierten. Im Prinzip ist der Ansatz mit Diagonalbällen in den Rücken der Viererkette gar nicht mal schlecht, weil diese so automatisch gezwungen wird weiter nach hinten zu rücken. Erfolgreich ist das aber nur, wenn auf der Empfängerseite eines Diagonalballs Überzahlsituationen hergestellt werden können, um mögliche zweite Bälle zu erobern. Weil sowohl Rode als auch Bernat aber über weite Strecken durch die lauernden Perisic, Caligiuri und De Bruyne gebunden waren, gelang das nur selten. Wolfsburg hielt Bayern so über weite Strecken der Partie vom Strafraum weg, wie auch eine Übersicht über die eroberten und aufgesammelten Bälle zeigt. Meistens war 18-20 Meter vor dem Tor Schluss. Vor allem die rechte und halbrechte Wolfsburger Abwehrseite gewann hier in Person von Vierinha und Gustavo immer wieder den Ball.

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Guardiola wird Lösungen finden müssen, falls es mehr Teams mit der Mischung aus Mittelfeldpressing und hoher Viererkette probieren. Schnellere Kombinationen, Flügelüberladungen und auch mehr Geduld im Aufbau sind hier mögliche Ansätze. Die Selbstverständlichkeit mit der Guardiolas Mannen noch in der Hinrunde reihenweise Gegner durch automatisierte Passstaffetten und Laufwege zerlegt haben, ist jedenfalls erst einmal weg und muss neu erarbeitet werden.

Konterabsicherung mangelhaft

Das zweite auffällige Problem am Freitag-Abend war eindeutig die Konterverteidigung. Bayerns Gegenpressing war auf der einen Seite extrem riskant und beinahe wild, wie vor dem 3:0, als de Bruyne noch in der Hälfte der Wolfsburger mit zwei Metern Vorsprung auf die Bayern-Innenverteidigung in Richtung Neuer starten durfte. Auf der anderen Seite aber auch relativ zahnlos. Die Bedenken, die hier zum Duo Alonso/Schweinsteiger geäußert wurden, haben sich zumindest gegen Wolfsburg bestätigt. Auch wenn Schweinsteiger mit 15 gewonnen Zweikämpfen individuell eine ordentliche Defensivleistung zeigte, hatten beide große Probleme die Gegenstöße der Wolfsburger zu unterbinden. Dass Alaba nach längerer Verletzung sichtlich der Rhythmus fehlte, kam erschwerend hinzu. Spätestens wenn es zum Laufduell kam, fällt es Alonso und auch Schweinsteiger schwer einen Ballgewinn durch Ablaufen zu erzwingen. Kommt es dazu, ist es ohnehin meist schon zu spät und die Viererkette muss Dinge ausbügeln. Das defensiv stabilisierende Element eines Philipp Lahms wurde hier durchaus vermisst. Bayern machte es den Wolfsburgern gerade vor den Toren 3 und 4 viel zu einfach.

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Dante wurde nach der Partie zurecht für seine schwache Leistung kritisiert. Wenn er allerdings zwei Mal in ein 40 Meter Mann gegen Mann Laufduell gegen De Bruyne geschickt wird, dann stimmt etwas strukturelles bei der Konterabsicherung nicht. Hier besteht durchaus Grund zur Hoffnung, dass dies sehr schnell abgestellt werden kann. Die Abstimmung zwischen dem nicht gerade eingespielten Mittelfeldzentrum und der Innenverteidigung wird sich verbessern. Bayern kassierte in der Hinrunde nur vier Tore in der Liga und hat gerade im Bereich der Konterverteidigung enorme Fortschritte gemacht. Daran gilt es anzuknüpfen und im Zweifel auch ein wenig Risiko im Gegenpressing herauszunehmen bis die Automatismen wieder stimmen. Die potenziellen Schwächen der Kombination Alonso/Schweinsteiger sind bekannt. Bayern wird zumindest in naher Zukunft damit leben und Wege finden müssen diese so gut es geht zu verstecken.

Die Analyse zeigt: Es waren durchaus handfeste strukturelle Probleme, die zu einer auch in der Höhe verdienten Niederlage gegen einen Gegner führten, bei dem zugegebenermaßen so gut wie alles zusammenpasste. Ob das ein Ausrutscher war oder sich diese Probleme verstetigen, wird sich schon in den kommenden zwei Spielen innerhalb von einer Woche zeigen. Spieler und Verantwortliche sind gut beraten diese deutliche Niederlage sehr ernst zu nehmen ohne dabei in Hektik zu verfallen. Die entscheidenden Probleme waren klar erkennbar und können entsprechend angegangen und bearbeitet werden. Es liegt nun einiges an Feinarbeit vor Guardiola und seinem Team.

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