Bayerns Abgänge: Was wurde aus..?
Toni Kroos (Real Madrid)
Es war einer der ungewöhnlichsten Abgänge eines Bayern-Spielers in den vergangenen 10 Jahren. Zuletzt hatten den FC Bayern vor allem Spieler verlassen, die sich nicht durchsetzen konnten, zu alt waren oder vom Spielertyp nicht in die Kaderplanung passten. Toni Kroos war 24, als er zu Real Madrid wechselte. Stammspieler. Eine feste Größe im Bayern-Spiel und in Guardiolas Konzept. Er ging nach dem Double und der gewonnen Weltmeisterschaft zu Real Madrid. Weil Bayern für ihn, anders als für Schweinsteiger, Ribéry oder Götze nicht an die Gehaltsschmerzensgrenze gehen wollte. Vor der Saison sagte ich in meinen 16 Thesen zur Bayern-Saison 2014/2015 voraus, dass Guardiola und Sammer mindestens einmal die Frage beantworten werden müssen, ob es ein Fehler gewesen war Kroos ziehen zu lassen. Dass diese These bisher nicht zu 100 Prozent eingetroffen ist, liegt am guten Saisonstart der Münchner und den Leistungen von Xabi Alonso, der in zentraler Rolle glänzt.
Klar ist: Kroos Transfer polarisierte genauso stark wie es auch der Spieler Toni Kroos im Bayern-Trikot getan hat. Die einen schwärmen von seinem brillanten Passspiel, von seinen eleganten Bewegungen. Andere kritisierten seine uninspirierte Zweikampfführung und allzu häufig phlegmatisches Auftreten. Die Wahrheit liegt wahrscheinlich wie immer irgendwo in der Mitte. Dass Kroos in Madrid sofort zum Stammspieler werden würde – daran bestand wenig Zweifel. Gemeinsam mit Luka Modric bildet er eins der Pressing-resistentesten Mittelfeldduos Eurpoas. Die beiden Strategen bilden das Rückgrat des Madrilenischen Offensivspiels. Kroos hat in der Liga die meisten Einsatzminuten aller Madrilenen (615). 3 Assists sowie 2,9 Tacklings und 2,1 Schlüsselpässe pro Spiel sind dabei laut whoscored.com ebenfalls absolute Top-Werte, wie auch die 92,6 Prozent Passquote.
Auch Kroos ist jedoch anzumerken, dass die erste Euphorie nach dem Wechsel erst einmal gewichen ist. Zwei der drei Assists verbuchte Kroos in den ersten beiden Saisonspielen. Bei der 1:2-Niederlage gegen Atlético in der Liga wirkte Kroos vom physischen Spiel der Simeone-Elf überrumpelt. Dort sah man zum ersten Mal häufiger, die zwar sicheren, aber wenig effektiven Quer- und Rückpässe, die im Spielaufbau ein U entstehen lassen und wenig Raumgewinn ermöglichen. Genau das wurde auch in München zuweilen an ihm kritisiert. Kroos große Prüfungen stehen ohnehin noch bevor. Er wird sich in den Top-Duellen in der Champions League und gegen den FC Barcelona beweisen müssen. Niederlagen in diesen Spielen haben schon so manchen hochveranlagten Fußballer in Madrid scheitern lassen. Erst wenn er diese Prüfungen übersteht, kann mit Gewissheit festgehalten werden, ob sich Kroos dauerhaft in Madrid durchsetzen wird. Zur Zeit liegt das Team von Carlo Ancelotti auf Rang Vier der Primera Division. Etwas zu wenig für die hohen Ansprüche rund um das spanische Hauptstadtteam – auch wenn der Kontakt zum FC Barcelona mit vier Punkten Rückstand noch da ist. Wie gesagt: Die großen Prüfungen stehen noch bevor.
Überschriften in der Länderspielpause, Kroos sei bei den Königlichen und in der Nationalelf zu einem absoluten Führungsspieler gereift, kamen dabei ohnehin etwas verfrüht. Kroos Bedeutung ist durch den Schritt ins Ausland aber gewiss gewachsen, ähnlich wie bei den Transfers von Özil und Khedira im Jahr 2010 zu beobachten war. Gerade der Auftritt in Polen am Wochenende legte aber auch die Schwächen in Kroos Spiel offen. Der 24-Jährige nimmt sich in der Rückwärtsbewegung und im Gegenpressing zu viele Pausen, wirkte in Warschau im Zweikampfverhalten häufig uninspiriert und insgesamt zahnlos. Schweinsteiger hat sich diese Fähigkeiten (gewiss deutlich später in seiner Laufbahn) erarbeitet. Er ist physischer geworden, aggressiver im Zweikampf, um auch in diesem Bereich dem Spiel seinen Stempel aufzudrücken. Vielleicht ist es genau das was Kroos noch fehlt, um sein Spiel endgültig zu veredeln.
Die Entwicklung des Greifswalders wird wohl auch in München weiter mit Argusaugen beobachtet. Auch wenn Karl Hopfner feststellte, dass es richtig war, auf Kroos Gehaltsforderungen nicht einzugehen: So ein dumpfes Gefühl in der Magengegend bleibt bei vielen, die Kroos im Trikot der Königlichen Fußball spielen sehen. Es war eben kein gewöhnlicher Transfer.
Mario Mandzukic (Atlético Madrid)
Es wurde im Verlauf der Saison 2013/2014 immer klarer, dass Mario Mandzukic den Verein verlassen würde. Der streitbare Kroate hat sich große Verdienste beim FC Bayern erworben und wird durch seinen Treffer im Champions League-Finale 2013 für immer mit dem FC Bayern verbunden bleiben. Trotzdem: Es passte nicht zwischen ihm und Guardiola. Auf und neben dem Feld. Als klar wurde, das Atlético Madrid die Gunst der Stunde nutzen würde und den kopfballstarken Stürmer verpflichtet, sprachen viele Beobachter von einer perfekten Konstellation. Mandzukic passt mit seiner physischen Spielweise und seiner leidenschaftlichen Arbeit gegen den Ball sehr gut ins System von Diego Simeone. Mandzukic ist Stammspieler in Madrid. Sein Start war ganz gut. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Ein recht komplizierter Nasenbeinbruch warf ihn zudem zwischenzeitlich zurück. Vier Treffer erzielte der 28-Jährige in 9 Pflichtspielen. Seine robuste Spielweise hat er sich beibehalten – wie vor allem in den Duellen im Supercup gegen Real Madrid zu sehen war, als er sich sehenswerte Scharmützel mit Sergio Ramos und Pepe lieferte. Vier gelbe Karten unterstreichen diese Beobachtung. Mandzukic gewinnt in der Liga bemerkenswerte vier Kopfballduelle pro Partie und schießt 2,6 Mal pro Partie aufs Tor, beides absolute Bestwerte unter Madrids Stammspielern. Die Einbindung von Mandzukic wird sich trotzdem noch steigern müssen. Nominell sind Turan, Koke und Neuzugang Griezmann gute Ergänzungen zu Mandzukic, der zudem in vielen Dingen seinem Vorgänger Diego Costa ähnelt. Konstant überzeugend ist das Offensivspiel der Rojiblancos aber bisher nicht.
Atlético Madrid steht vor der Herausforderung, die beste Saison der jüngeren Geschichte zu bestätigen, wenn möglich sogar zu wiederholen. Mandzukic wird dabei ein Eckpfeiler bleiben. Trotz des ordentlichen Starts hat er, wie die gesamte Mannschaft, sicher noch etwas Luft nach oben.
Diego Contento (Girondins de Bordeaux)
Am Ende war es fast ein wenig eine Erleichterung als Diego Contentos Wechsel zu Girondins Bordeaux als perfekt gemeldet wurde. Es war nicht mehr zu übersehen, dass Contento, der seit 1995 beim FC Bayern spielte, den absoluten Durchbruch in München nicht mehr schaffen würde. Immer wieder stand der heute 24-Jährige in den vergangenen Jahren kurz vor einem Wechsel oder zumindest vor einer Ausleihe. Am Ende sah es fast so aus als „müsste“ der Linksverteidiger, der noch einen Vertrag bis 2016 besaß, ein weiteres Jahr zwischen Tribüne, Bank und Gelegenheitseinsätzen ertragen. Contento ist ein Spieler, der in 10-12 Bundesliga-Vereinen Stammspieler wäre – noch dazu auf einer Position, die noch immer zu den Problempositionen in Deutschland zählt. So richtig klappen wollte es trotz des immer mal wieder kolportierten Interesses von Werder Bremen innerhalb der Bundesliga nicht. Contento wagte stattdessen den Sprung ins Ausland zu Bordeaux, das sich unter der Bayern-Legende Willy Sagnol fußballerisch neu erfinden will. Die letzte Meisterschaft gelang 2009. Nach einem enttäuschenden siebten Platz im Jahr 2014 übernahm Sagnol das Ruder und bemühte sich sofort stark, um eine Verpflichtung des Deutsch-Italieners. Contento fasste in Bordeaux in einer jungen No-Name-Truppe sofort Fuß und zählt auf der linken Seite zum Stamm. Mal als Verteidiger, mal sogar eher als linker Mittelfeldspieler – wie zu Beginn der Saison. Sechs von neun möglichen Einsätzen absolvierte Contento, der zuletzt mit einer Muskelverletzung pausieren musste. Bordeaux liegt nach neun Partien und nur zwei Niederlagen auf Rang zwei der Tabelle. Vor Paris – einzig Marseille ist ein wenig enteilt.
Contento gehört neben Mittelfeldroutinier Jaroslav Plasil, Torjäger Diego Rolán und Abwehrtalent Thiago Ilori zu den Leistungsträgern im Team. Sagnol stellt durchaus komplexe Ansprüche an seine Mannschaft und hat eine klare Auffassung von modernem Fußball, die er in der Zeit als Sportdirektor des französischen Verbandes auch im Austausch mit Matthias Sammer entwickelt hat. Contento hat wenig Probleme mit diesen Anforderungen an schnelles und variables Spiel, das in München zum Alltag gehörte. Contento scheint einen Platz gefunden zu haben, an dem seine Fähigkeiten wertgeschätzt und gebraucht werden. Der Wechsel hat sich für ihn schon jetzt in jedem Fall ausgezahlt.
Julian Green (Hamburger SV, Leihe)
Als Julian Green bei der Fußball Weltmeisterschaft in Brasilien im Achtelfinale gegen Belgien zum 1:2-Anschluss traf war klar, dass der 19-Jährige nicht zu den Bayern-Amateuren zurückkehren wird. Weil auch bei den Profis der Weg zu regelmäßigen Einsatzzeiten versperrt war, entschied sich der FC Bayern für eine Ausleihe. Der Hamburger SV bemühte sich offenbar schon seit einem halben Jahr um den Offensivallrounder. Greens grundsätzliche Rolle beim HSV war von Anfang an klar. Beinahe zeitgleich mit ihm wurde auch Lewis Holtby ausgeliehen, dazu stehen mit Nicolai Müller und Zoltan Stieber zwei weitere ihm ähnliche Spieler im Kader der Hanseaten. Er soll ihnen von der Bank aus Druck machen und wird wohl vor allem als Joker zum Einsatz kommen. Prinzipiell vertraut Neu-Coach Zinnbauer der Jugend – Green muss sich aber seine Chancen erarbeiten.
Seinen ersten Startelfeinsatz in der Bundesliga absolvierte der US-Amerikaner zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt. Das 0:2 gegen Hannover 96 bedeutete das Ende von Mirko Slomka und brachte Green in ein vollkommen neues Umfeld. Weg vom behüteten FC Bayern – hinein in ein eher raues Klima an der Elbe. Auch unter diesem Gesichtspunkt die Station in Hamburg ein echter Test für den US-Nationalspieler. Unter Neu-Trainer Zinnbauer durfte er im Spiel gegen den FC Bayern (0:0) 14 Minuten Löcher zulaufen und hätte kurz vor Schluss um ein Haar den entscheidenden Konter eingeleitet. Eine Rippenverletzung warf ihn danach zurück. So bleiben gerade einmal 60 Einsatzminuten nach sieben Spieltagen.
Es ist noch etwas fraglich, ob der unstete HSV die optimale Ausleihstation für Green ist. Green braucht Einsatzminuten. Der HSV hat wenig Zeit für Experimente und steht unter hohem Erfolgsdruck. In Augsburg, Hoffenheim oder bei einem der besseren Clubs der 2. Liga wäre es gewiss einfacher für Green gewesen Spielzeit auf Top-Niveau zu bekommen. Am Ende der Saison wird sich zeigen wie wertvoll das Ausleihgeschäft für alle drei Seiten war.
Emre Can (FC Liverpool)
Rein formell gesehen wird Emre Can in diesem Sommer nicht als Abgang beim FC Bayern geführt. Der Juniorennationalspieler war bereits im Vorjahr fest an Bayer Leverkusen gebunden. Trotzdem hatten sich die Münchner ein Rückkaufrecht eingeräumt. „Emre Can ist eines der großen Talente des deutschen Fußballs. Wir wollen mit diesem Schritt gewährleisten, dass er ausreichend Spielpraxis erhält, so wie vor ihm z.B. auch schon Toni Kroos in Leverkusen, Philipp Lahm beim VfB Stuttgart oder auch David Alaba in Hoffenheim“, sagte Karl-Heinz Rummenigge damals. Cans Aufenthalt in Leverkusen war also als quasi Ausleihe gedacht. Mit seinem Wechsel im Sommer zum FC Liverpool hat sich dies jedoch erst einmal zerschlagen. Can sagte vor kurzem ganz offen, dass er den FC Bayern vor dem Wechsel zum FC Liverpool konsultiert habe, aber sich am Ende mit Überzeugung zum Schritt nach England entschloss. Can, der exzellente körperliche Voraussetzungen für mehrere Positionen vom Außenverteidiger bis zum zentralen Mittelfeldspieler hat, kam bei den Reds bisher nur zu zwei Kurzeinsätzen. Eine Sprunggelenksverletzung sorgte zuletzt für eine sechswöchige Zwangspause. Liverpool-Coach Brandon Rodgers gilt jedoch als Triebfeder hinter seiner Verpflichtung und wird den 20-Jährigen nach seiner Rückkehr mit großer Wahrscheinlichkeit einbauen. Can könnte in Liverpool in den kommenden Wochen einen großen Schritt machen und sich so auch in den Kreis der A-Nationalmannschaft spielen. Sowohl im zentralen Mittelfeld als auch auf der Außenverteidigerposition gibt es hier aktuell großen Bedarf.
Daniel van Buyten (Karriereende)
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