Eine Lösung namens Javi?
Ich mache mir wenig Sorgen, dass es Bayern schwer fällt gegen einen deutlich offensiver ausgerichteten Gegner, als es die Münchener gewohnt sind, ein oder mehrere Tore zu erzielen. Das gelang schon bei den Duellen in der Saison 2011/2012, als Real Madrid mit einer personell ähnlichen Defensive nach zwei insgesamt ausgeglichenen Partien letztlich im Elfmeterschießen den Kürzeren zog. In der Primera Division hat das Team von Carlo Ancelotti in 33 Spielen 32 Gegentore kassiert. 10 Gegentore mehr als Spitzenreiter Atletico Madrid. Juventus Turin, Galatasaray Istanbul, Schalke zuletzt Dortmund. Alle erzielten Tore gegen die Königlichen. Nicht genug freilich, um die Madrilenen zu schlagen. Auch für Bayern gilt deshalb: Der Einzug ins Champions League-Finale führt nur über eine sehr gute Defensiv-Leistung. Guardiola ist vor den Partien gegen Real auf der Suche nach Lösungen. Eine Lösung trägt den Namen Javi.
Es passt nicht unbedingt zur Bedeutung der anstehenden Aufgaben, dass die Münchener zuletzt auch defensiv eine kleine Identitätskrise durchlebten. Seit dem 22. März blieb die Guardiola-Elf in acht Spielen nur gegen Bundesliga-Schlusslicht Braunschweig ohne Gegentor. Guardiola experimentierte in diesen Spielen zwar mit einem 4-3-3 (Hertha) und einem 4-1-4-1 mit stark abkippenden Außenverteidigern (Rückspiel Manchester United), aber setzte meist auf ein auf dem Papier stabileren 4-2-3-1, das formativ stark an die Ausrichtung des Vorjahres unter Jupp Heynckes erinnert. Das Rückgrat dieser Ausrichtung in der besten Saison der Vereinsgeschichte, fehlt in diesem Jahr allerdings. Oder besser: Sein Einfluss wird durch eine neue Position deutlich limitiert. Javi Martínez ist vom MVP der Saison 2012/2013 zu einem Rollenspieler geworden. Guardiola setzte ihn in 14 Spielen in der Bundesliga oder Champions League von Anfang an nur vier Mal als zentralen defensiven Mittelfeldspieler ein. Acht Mal startete er als Innenverteidiger. Zwei Mal in einer etwas offensiveren Rolle im zentralen Mittelfeld.
Seit dem Ausfall von Thiago probiert es Guardiola meist mit Lahm und Schweinsteiger, beziehungsweise zuletzt mit Kroos und Schweinsteiger auf der Doppelsechs. Ich habe hier schon oft beschrieben welche Probleme ich mit einer Doppelsechs Schweinsteiger/Kroos habe. Sie sind sehr ähnliche Spielertypen mit ähnlichen Stärken und Schwächen. Sie sind ordentliche Zweikämpfer, aber keine Abfangjäger, die permanent Druck auf die gegnerischen Spielgestalter wie zum Beispiel Modric, di Maria oder Isco ausüben können. Im zugegeben sicher nicht komplett aussagekräftigen Spiel gegen Ausgburg hatten sie jedenfalls schon deutliche Probleme mit Baier und Altintop. Frühe Ballgewinne waren auch beim 5:1-Erfolg im Pokal gegen Kaiserslautern über weite Strecken eher selten. Beide streben zudem immer wieder in die Spitze, um im Strafraum (Schweinsteiger) oder am Strafraum (Kroos) Torgefahr ausstrahlen zu können. Dadurch steigt immer auch die Konteranfälligkeit. Eine Schwäche, die sich die Bayern gegen Real Madrid der Ronaldos und Bales nicht erlauben sollten. Stehen beide gemeinsam auf der Sechs erinnern die Münchener manchmal an das Team aus der Saison 2010/2011 unter van Gaal, als Bayern gegen Konterteams wie Hannover, Mainz oder eben Dortmund enorme Probleme hatte, weil der Zugriff im zentralen Mittelfeld fehlte. Genau darauf wurde damals mit den Verpflichtungen von Luiz Gustavo und später Javi Martínez ja auch reagiert.
Es spricht im Übrigen viel dafür, dass Guardiola wie zuletzt in der Champions League häufiger, auch gegen Real Madrid mit Philipp Lahm auf der Rechtsverteidiger-Position plant. Ein direktes Duell Rafinha gegen Christiano Ronaldo kann trotz der guten Saison des Brasilianers nicht unbedingt gewollt sein. In der Zentrale bliebe dann nur eine Kombination aus Kroos und Schweinsteiger. Oder Guardiola erinnert sich daran, was den FC Bayern in der Vorsaison von einem sehr guten, zum wohl besten Team in Europa gemacht hat. Die defensive Stabilität und physische Dominanz, die Javi Martínez in die Bayern-Zentrale gebracht hat.
Es ist eine Binsenweißheit. Je früher der Ball gewonnen wird, desto kürzer ist der Weg zum gegnerischen Tor. Je später er gewonnen wird, desto aufwändiger, komplexer, langsamer wird das Spiel der Münchener. Martínez hat auf der Innenverteidiger-Position ordentliche bis gute Leistungen gezeigt. Die Dominanz und die Präsenz, die er im Jahr zuvor auf der Sechs demonstrierte, konnte er dort erwartungsgemäß nicht entfalten. Seine Qualitäten sind dort ein wenig verschenkt. Guardiola mag eine Kombination aus Schweinsteiger und Kroos für die spielerisch bessere halten. Wenn er aber tatsächlich wieder regelmäßig auf ein 4-2-3-1 oder selbst ein 4-1-4-1 in der Interpretation des Manchester-Rückspiels setzt, könnte eine Rückkehr von Martínez auf die Sechs für das Gesamtkonstrukt des FC Bayern in den im besten Fall verbleibenden vier entscheidenden Spielen die bessere Variante sein. Seine Zweikampfstärke, sein Timing, sein Kopfballspiel, seine unermüdliche Laufarbeit – all das sind Attribute, die Bayerns Spiel gegen Real Madrid und auch im Pokalfinale gegen Borussia Dortmund beflügeln können.
Eine Lösung heißt Javi.