Harry Kane (FC Bayern) verzieht das Gesicht und fasst sich ans Kinn
Bild: Shaun Botterill/Getty Images

Arsenal knackt den FC Bayern: Drei Details, die den Unterschied gemacht haben

Justin 27.11.2025

„Es hat am Ende an Details gelegen, warum wir nicht gewonnen haben“, analysierte Jonathan Tah nach der Partie bei DAZN: „Vor allem in der zweiten Halbzeit hat es an Kleinigkeiten gelegen, dass Arsenal ein Momentum bekommen hat und sie das Spiel dadurch gewonnen haben.“

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Gerade hatte der FC Bayern München mit 1:3 gegen die Gunners verloren. Viele hatten ein Duell auf Augenhöhe erwartet, doch das war es nicht. Bis auf eine dreiminütige Phase direkt nach dem Anstoß, dem zwischenzeitlichen Ausgleich und der darauffolgenden Phase bis zur Halbzeit waren die Münchner in so vielen Details unterlegen, dass es insgesamt ein sehr deutlicher und verdienter Sieg für Arsenal wurde.

Was Tah mit seiner Aussage aber auch meint: Fußballspiele kippen, wenn Kleinigkeiten nicht optimal laufen. Für den FC Bayern waren es zu viele von diesen „Details“, die Arsenal spätestens im zweiten Durchgang besser gemacht hat.

Miasanrot geht auf drei Teilaspekte ein, die letztlich zur ersten Saisonniederlage des deutschen Rekordmeisters geführt haben.

FC Bayern im Spielaufbau mit zu wenig Tiefe

Wenn die Bayern das Spiel aus ruhigem Ballbesitz heraus aufbauten, versuchten sie, das zweite Drittel zu überladen. Ein Mittel, das sie bereits gegen den FC Chelsea oder auch PSG (1. Halbzeit) erfolgreich angewandt haben. Nicht nur Harry Kane ließ sich in gewohnter Manier viel fallen, auch Michael Olise, Lennart Karl oder Serge Gnabry waren häufig in sehr tiefen Zonen des Spielfelds zu finden.

Die Logik dahinter war vermutlich, dass es gegen die enorme Physis und Spielstärke Arsenals im Mittelfeldzentrum Überzahl braucht. Entweder, um sich nicht unter Druck setzen zu lassen oder um selbst Lösungen zu finden, um den Ball mit Raum nach vorn zu spielen. Einerseits betraf das den tiefen Spielaufbau, andererseits führte das aber auch zu Situationen, in denen die Bayern im druckvollen und hohen Ballbesitz kaum Spieler in letzter Linie hatten.

Das hatte mitunter zur Folge, dass die Räume im Mittelfeld viel zu eng wurden und sich die Aufbauspieler eher dazu entschieden, den Ball auf die Außenbahn zu spielen, wo Arsenal kurze Wege zum Verschieben hatte. Die abkippenden Bewegungen sind im Bayern-Spiel enorm wichtig, um sich dem Druck des Gegners zu entziehen und Kontrolle zu bekommen. Aber vor allem im ersten Durchgang verpassten es die Münchner, dem Spiel aus der Kontrolle heraus dann auch Tiefe zu geben.

An Dynamik oder Bewegung mangelte es den Bayern weniger, aber sie verweilten zu lange in denselben Räumen und schafften es nicht, ballferne Räume schnell zu bespielen, um Tempo ins Angriffsspiel zu bekommen.

Die Passmap von BetweenThePosts zeigt, dass sich fast alle Offensivspieler regelmäßig tief fallen gelassen haben.

Zu selten gab es Sprints in die Schnittstellen, zu selten wurden die Flügel mal aufgezogen, um dann anschließend eine Verlagerung zu spielen. Es fehlte Varianz, es fehlte aber auch an Besetzung in der letzten Linie. Arsenal zeigte in den zweiten 45 Minuten, wie es besser geht. Auch sie nutzten häufig als Mittel, dass sich Offensivspieler tief im Aufbau fallen ließen.

Allerdings hatten die Gunners mehr gegenläufige Bewegungen in ihrem Spiel. Positionswechsel und deutlich mehr Passaktivität im Zentrum machten ihr Ballbesitzspiel nahezu ungreifbar. Bayern fehlte diese Varianz – zumindest an diesem Abend. Und so war der eigene Ballbesitz meist brotlose Kunst.

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Keine Entlastung in tiefen Verteidigungsphasen

Vor allem in der zweiten Halbzeit verschärften sich die Probleme der Bayern dann, weil Arsenal wohl auch die Chance witterte, den eher behäbigen Ballbesitz der Münchner stärker zu attackieren. Immer wieder spielten sie bewusst etwas längere und risikoreichere Pässe weit in die gegnerische Hälfte, um diese entweder festzumachen und nachzurücken oder auf zweite Bälle zu gehen.

Damit drückten sie Bayern hinten rein. Eine Situation, aus der heraus sie in dieser Saison nicht zum ersten Mal Schwierigkeiten hatten, wieder in eine aktive Rolle zu kommen. Gegen den FC Chelsea gab es eine längere Phase, in der die Blues viel Ballbesitz hatten und die Münchner tief verteidigen mussten. Auch gegen den BVB fand man in der zweiten Halbzeit keine Lösungen, um wieder aktiver zu werden. PSG war mit der Roten Karte sicher eine Ausnahmesituation.

Nun ist es gegen Arsenal aber wieder passiert. Auch weil die Bayern spürbare Probleme damit haben, die richtigen Gegenspieler zu übernehmen, wenn sie aus einer tiefen Haltung nach vorn pressen wollen. In der 61. Minute konnten sich die Gunners den Ball im eigenen Aufbau hin und her schieben, ohne dass auch nur ein Angreifer der Bayern ins Pressing ging. Während die Offensivspieler der Engländer fleißig Positionen tauschten und mit gegenläufigen Bewegungen für Chaos in der Bayern-Formation sorgten, ließ sich die Elf von Vincent Kompany nach ein paar Pässen nach vorn und wieder zurück herauslocken.

Allerdings so langsam, dass Arsenal zu keinem Zeitpunkt Druck verspürte. Die Gunners ließen sich bewusst Schritt für Schritt fallen und lockten Bayerns zu diesem Zeitpunkt eher passives Pressing sukzessive, um die Räume im MIttelfeld vertikal auseinander zu ziehen. Und dann, als der mannorientierte Ansatz dazu führte, dass sowohl Jonathan Tah als auch Dayot Upamecano in die gegnerische Hälfte liefen, kam der gezielte lange Ball nach vorn.

Plötzlich mussten sich die Gunners offensiv nicht damit befassen, wie sie gegen die physisch starken Tah und Upamecano einen Ball festmachen wollen, sondern die Gegenspieler in letzter Linie hießen „nur“ noch Stanišić, Kimmich und Laimer. Der eingewechselte Noni Madueke machte den Ball fest, Declan Rice (hier aus der Linksverteidigerposition kommend) startete die Linie durch und weil Olise zu spät schaltete, war Rice halblinks frei durch. Manuel Neuer parierte stark, sonst hätte es da bereits 2:1 für Arsenal gestanden.

Bayerns eigenes Pressing war in vielen Situationen nicht scharf genug. Wenn sie nicht in ihr typisches Mann-gegen-Mann-Pressing kommen, weil der Gegner es clever umspielt und sie hinten reindrückt, fehlt ihnen oftmals der Zugriff aufs Spiel. Das bedeutet nicht, dass das Trainerteam jetzt reagieren und alles umstellen muss.

Vor allem bedeutet das, dass Arsenal eine absolute Weltklassemannschaft ist. Wie sie gezielt die Schwächen der Bayern auseinander gespielt haben, ist bemerkenswert. Sie waren an diesem Abend eben besser. Natürlich gilt es zu analysieren, was man dem in Zukunft entgegensetzen kann. Aber im Großteil aller Spiele im Laufe des Jahres sind die Bayern eben in der Position, die Arsenal an diesem Abend einnahm und das sollte bei aller Kritik nicht vergessen werden. Es war eben ein Fußballspiel auf dem allerhöchsten Level.

Arsenals Goldstandard

Und dann sind da natürlich die Standardsituationen, über die die ganze Woche gesprochen wurde. Vielleicht war genau das in diesem Spiel das wichtigste Detail. Abgesehen vom Führungstreffer zum 1:0 war der Beginn der zweiten Halbzeit ein beeindruckendes, weil nicht oft vorkommendes Schauspiel. Arsenal erspielte sich in dieser Phase eine Standardsituation nach der anderen.

Man könnte sogar sagen, dass sie vor allem über den ruhenden Ball das berüchtigte „Momentum“ auf ihre Seite zogen. Denn durch die Vielzahl an guten Abschlüssen, die entweder direkt oder in Folge eines Standards entstanden sind, wurde die Dominanz der Gunners immer größer. Das Gefühl der Bayern, hinten eingeschnürt zu werden, nahm Überhand, Selbstvertrauen der Engländer und die Stimmung im Stadion stiegen.

Rückblickend betrachtet scheint die Phase nach der Halbzeit die entscheidende gewesen zu sein. Denn im ersten Durchgang war Arsenal noch leicht überlegen, in den zweiten 45 Minuten waren sie dann deutlich überlegen und entwickelten große Kontrolle. Im ruhenden Ball liegt offenbar große Kraft beim FC Arsenal.

Und doch lässt sich so etwas nur selten übertragen oder abkupfern. Mannschaften wie Arsenal gibt es immer wieder mal. Weil sie eine besondere Konstellation aus guten Standardschützen, guten Kopfballspielern und offenkundig starken Trainingsinhalten haben. Die Frage, die sich Trainerteams aber immer stellen müssen, ist, wie viel Zeit sie für solche Dinge aufopfern.

Häufig werden Standardsituationen eher beiläufig trainiert, weil andere Aspekte des Spiels entscheidender sind. Mikel Arteta ist jetzt seit 2019 Trainer beim FC Arsenal und hat über die Jahre nicht nur Zeit, sondern auch die entsprechenden finanziellen Ressourcen bekommen, um das Team um sich herum und seiner Philosophie entsprechend aufzustellen. Zu Beginn seiner Zeit hatte er bei Arsenal ebenfalls andere Baustellen als die Standardsituationen. Mittlerweile kann er es sich erlauben, einen stärkeren Fokus darauf zu legen.

Muss der FC Bayern mehr bei Standards tun?

Die Schlussfolgerung, dass Bayern defensiv und offensiv viel Entwicklungspotenzial bei Standards hat, ist sicherlich richtig. Der Vergleich zu Arsenal hinkt aber dennoch. Sollte Kompany in die glückliche Lage kommen, eine längere Amtszeit hinzulegen als seine Vorgänger und sollte sein Kader über mehrere Jahre eine stabile Achse vorweisen, wird auch er mehr Zeit finden, an den berühmten Details zu arbeiten.

Eine Analyse von 12.000 Ecken und 3.600 Freistößen aus drei Premier-League-Saisons (im Buch Mythbusting Set-Pieces in Soccer) ergab, dass 1,8 Prozent der Standards zu einem Tor führen, im Gegensatz zu 1,1 Prozent im offenen Spiel. Standards haben also eine immense Bedeutung – gleichzeitig muss hier eingeordnet werden, dass das offene Spiel deutlich unspezifischer ist. Während eines Fußballspiels kommt es deutlich häufiger zum offenen Spiel als zu Standards.

Insofern müssen Trainer zwangsläufig priorisieren und schauen, dass ihr Team aus dem Spiel heraus Gefahr erzeugt. Denn nur so kommt man letztlich ja auch zu gefährlichen Standardpositionen. Es ist eine Gratwanderung und immer eine Frage der Priorität und welche Spieler im Kader zur Verfügung stehen. Phänomene wie Arsenal ziehen stets viel Aufmerksamkeit auf sich. Aber auch die Gunners gewinnen Spiele vor allem deshalb, weil sie eine herausragende taktische Ausrichtung haben und dazu mit Spielern bestückt sind, die nicht nur viel Geld gekostet, sondern auch die entsprechende Leistungsfähigkeit haben.

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