Zwölf Jahre in sieben Tagen – Gedanken zur Woche des FC Bayern München
Fraglos: Die Häme nach Niederlagen gegen vermeintliche Außenseiterteams war über die Jahre die gleiche geblieben – und doch hat in der Vergangenheit eine Entwicklung eingesetzt, die den FC Bayern ist seinem Standing auch bei Fans anderer Vereine gesellschaftsfähig gemacht hatte.
Die Weggabelung dieser Entwicklung war möglicherweise die Saison 2000/2001. Der FC Bayern wurde zu diesem Zeitpunkt repräsentiert von streitbarem Spielerpersönlichkeiten wie Oliver Kahn, Stefan Effenberg oder zuvor Lothar Matthäus. Patrik Andersson machte Schalke zum Meister der Herzen so wie es im Jahr zuvor Michael Ballacks Eigentor gegen Unterhaching bereits mit Bayer Leverkusen getan hatte. Die Auseinandersetzung um den Kokain-Konsum des fast Bundestrainers Christoph Daum hatte die Fußball-Republik im Jahr 2000 durchgeschüttelt. Schon damals stand die Reputation von Uli Hoeneß auf der Kippe – doch er behielt am Ende recht.
Der FC Bayern hat sich seit der Saison 2000/2001 verändert. Auf die polarisierende Spielergeneration Kahn/Effenberg folgte eine Neue mit Lahm, Schweinsteiger, Müller, die mit Erfolgen der Nationalmannschaft und ihrem gesamten Auftreten nur schwer als Zielscheibe dienen konnte. Auch prominente Neuzugänge wie Franck Ribéry oder Luca Toni wurden eher als sympathische Bereicherung der Liga wahrgenommen. Trotz einiger dieser prominenten Neuzugänge, bestand der Grundstock des Bayern-Kaders plötzlich aus Spielern aus der eigenen Jugend – es war schwer dagegen Argumente zu finden. Uli Hoeneß arbeitete derweil nach der „gewonnenen“ Auseinandersetzung mit Christoph Daum am Image des Vereins, als seriöser Wirtschaftsbetrieb mit Herz für Probleme aller Art. Sein Einsatz für den FC St. Pauli und viele weitere finanziell notleidende Vereine, sein Verweis auf die finanziellen Eskapaden von anderen europäischen Topclubs – richtige Angriffsflächen bot Bayern in den vergangenen 10 Jahren wenig. Und es kam noch etwas anderes hinzu. Bayern verlor häufiger. Nach drei Meisterschaften in Folge und dem Champions League Sieg im Jahr 2001 wurde Bayern in den kommenden 11 Jahren „nur“ 5x Meister. In den vergangenen zwei Jahren wurden sie gar gerade zu spielerisch von einer jungen, unverbrauchten Dortmunder Mannschaft überflügelt. Als Bayern das Finale dahoam auf so unfassbare Weise verlor, litt die ganze Republik mit. Die Bayern waren auf einmal so harmlos geworden. Fast ein wenig sympathisch.
Vielleicht ist das was wir in dieser Woche erleben, die nächste Weggabelung für den FC Bayern. Bayern entfaltet sportlich in dieser Saison den Schrecken früherer Tage. Uli Hoeneß‘ Wirken als moralische Instanz, die er sich über die Jahre erarbeitet hat, löst sich ein wenig in Luft auf. Spieler werden mit viel Geld von ihren vermeintlichen Herzensvereinen weggelockt. Und mit Borussia Dortmund gibt es einen Gegner für Bayern, der sich kommunikativ (und auch sportlich) geradezu brillant als Gegenpol zu den Münchenern inszeniert.
Dortmund gefällt sich in der Rolle des kleinen, wirtschaftlich wie sportlich quasi chancenlosen Konkurrenten, der sich nur mit spielerischer Raffinesse und unbändiger Willenskraft gegen den übermächtigen Konkurrenten erwehren kann. Dass Borussia Dortmund in den vergangenen zwei Jahren für über 30 Millionen Euro Spieler von Konkurrenten aus der Bundesliga abgekauft hat (Bayern gab 39 Millionen für Spieler aus der Bundesliga aus) und auch die Götze-Millionen sicherlich einzusetzen weiß, spielt dabei eine untergeordnete Rolle. Klopp und Watzke sind geradezu genial im Erwartungsmanagement. Es ist erstaunlich wie es den Dortmundern nach zwei dominanten Meisterschaften und glanzvollen Auftritten in der Champions League immer noch gelingt, sich selbst in den meisten Bundesliga-Spielen als Außenseiter zu inszenieren. Wer ständig die Erwartungen klein hält, hat es leicht am Ende wie ein Riese da zu stehen.
Wer in den vergangenen Jahren Fußball verfolgt hat weiß, dass ein mögliches Duell zwischen Bayern und Dortmund im Champions League Finale ein Spiel auf Augenhöhe sein wird. Dortmund spielt brillianten Fußball und Jürgen Klopps Arbeit ist inhaltlich gar nicht hoch genug zu bewerten. Trotzdem ist vor allem nach dieser Woche klar. Gewinnt Dortmund die Champions League ist es eine Sensation. Gewinnt Bayern wäre es der Normalfall. Die Fallhöhe ist nur für den Rekordmeister riesengroß.
Es ist wieder ein wenig wie damals zur Jahrtausendwende. Ich bin wieder Fan vom meistgehassten Verein der Liga und ich musste mich ein paar Tage daran gewöhnen. Natürlich wäre ich enttäuscht finde ich es zum Kotzen, falls sich die Vermutungen, um Uli Hoeneß bewahrheiten sollten. Natürlich frage ich mich, warum der FC Bayern für viel Geld einen Stürmer von Borussia Dortmund kaufen will, obwohl die Mannschaft im Sturm sehr gut besetzt ist. Ich erwarte aber auch nicht, dass der FC Bayern oder seine Verantwortlichen alles genauso machen, wie ich es mir wünschen würde. Das kann nicht der Anspruch sein.
Ich bin stolz darauf wie diese Mannschaft in diesem Jahr Fußball spielt. Ich kann mich mit dieser Mannschaft identifizieren wie mit nur wenigen vorher. Ich wünsche mir und uns, dass sich diese Mannschaft in dieser Saison die Krone aufsetzt. Verdient hätte sie es.
Für den Rest empfehle ich allen Bayern-Fans und vor allem den Spielern es so zu halten halten wie Stefan Effenberg im Champions League Viertelfinale 2001 gegen Manchester United. Effenberg grätschte in einem umkämpften Spiel in der 39. Minute David Beckham beim Stand von 0:0 über die Seitenline. Das Old Trafford tobte, Effenberg lächelte leicht, sah die gelbe Karte und nahm scheinbar emotionslos wieder seinen Platz auf dem Spielfeld ein. Auf seinem Gesicht stand geschrieben: „Haters Gonna Hate. I don’t care. Mia san mia.“ Bayern gewann das Spiel mit 1:0.