Raphaël Guerreiro: Der heimliche Star des Saisonstarts beim FC Bayern
Hier und da wurde in den vergangenen Tagen und Wochen mal im öffentlichen Diskurs darüber gesprochen, wie gut dieser Raphaël Guerreiro eigentlich ist. Doch die ganz große Anerkennung wurde ihm beim FC Bayern München bisher nicht zuteil.
Kein Wunder: Der 30-Jährige verpasste seit seiner Ankunft 22 Spiele für den FC Bayern und Portugal – allesamt verletzt. Darunter zwei Muskelfaserrisse, ein Muskelbündelriss und eine Sprunggelenksverletzung. Ein Laster, das er auch beim BVB zuvor mit sich herumschleppte. Gerade die muskulären Probleme sind wiederkehrend.
Gekommen als einer der Lieblingsspieler von Ex-Trainer Thomas Tuchel, hatte es Guerreiro entsprechend schwer, sich überhaupt vernünftig zu präsentieren. Doch auch in seiner ersten Saison zeigte er mehrfach mindestens im Ansatz, wozu er fähig ist.
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Unter Vincent Kompany startet der Linksfuß jetzt aber so richtig durch. Warum er für den Belgier so wichtig ist und was ihn im neuen System auszeichnet.
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Raphaël Guerreiro spielt beim FC Bayern alles
Ein kleines Suchbild zu Beginn dieser Analyse: Wo befinden sich die beiden Außenverteidiger in dieser Szene gegen Dinamo Zagreb – und wo Guerreiro?
Auflösung folgt gleich. Womöglich werden sich einige daran erinnern, wenn wir die Szene kurz beschreiben: Serge Gnabry hat auf dem linken Flügel den Ball. Zagrebs Defensive ist … nennen wir es mal unsortiert, um freundlich zu bleiben.
Im Zentrum bewegt sich Jamal Musiala auf der Mittelstürmerposition in den Strafraum und hebt den Arm. Gnabry schaltet schnell und spielt einen maßgeschneiderten Chipball auf seinen Teamkollegen. Was der anschließend mit dem Ball macht, wird im Fachjargon heutzutage als „Musiala Magic“ bezeichnet.
Statt sich den Ball irgendwie selbst zu verarbeiten, legt er ihn mit einer großartigen Drehbewegung per Brust ab in die Mitte, wo sein Mitspieler einläuft und per Dropkick versenkt. Der Mitspieler? Guerreiro.
Während Alphonso Davies defensiv hinter Gnabry absichert wie ein normaler Außenverteidiger, war Guerreiro von Beginn an im rechten Halbraum positioniert. Als würde er Zehner oder Außenstürmer spielen.
Und warum? Weil er es kann. Guerreiro bringt ein derartig vielseitiges Skillset mit, dass er in einer statischen Position fast schon verschenkt ist.
Raphaël Guerreiro: Chronisch unterschätzt
Manchmal kann Vielseitigkeit auch ein Fluch sein. Ausgerechnet unter Tuchel schien es oft so, als würde Guerreiro mit angezogener Handbremse spielen. Beschränkt man ihn auf eine sehr konkrete und statische Rolle, verliert er an Besonderheit – und letztlich auch an Qualität.
Kompany hat einen ganz anderen Ansatz mit dem Ball. Seine Devise: Viel Dynamik. Also genau das, wovor Tuchel eher zurückschreckt, weil er defensiv Stabilität möchte. Viele Positionswechsel bringen das Risiko mit sich, dass Lücken bei Ballverlusten entstehen, die im Umschaltmoment bestraft werden – oder dass Spieler in Positionen verteidigen, die sie nicht gewohnt sind.
Viel Statik hingegen führt zu Berechenbarkeit. Wie unberechenbar Guerreiro sein kann, zeigt er im dynamischen Kompany-System. Der Portugiese wurde in den letzten Jahren chronisch unterschätzt. Schon beim BVB zählte er zu den besten Bundesliga-Spielern überhaupt, wurde aber nur selten in einer Rolle eingesetzt, die auf ihn zugeschnitten ist.
FC Bayern: Die Außenverteidiger als wichtiger Baustein
Für Kompany spielen die Außenverteidiger eine sehr wichtige Rolle. Sie geben Breite, wenn es Breite im Spiel braucht. Sie rücken ein, wenn das Zentrum Unterstützung braucht oder defensiv eine Absicherung notwendig ist und sie gehen offensiv eben auch mal in die letzte Linie, um dort zu überladen oder Lücken zu belaufen.
An ihrer Rolle lässt sich die aktuelle Dynamik am besten veranschaulichen. Guerreiro profitiert davon, weil er einerseits ein sehr intelligenter Spieler ist. Er bewegt sich mal intuitiv, mal berechnend genau in die richtigen Zwischenräume und füllt damit vorrausschauend Lücken im Positionsspiel. Andererseits ist er auch technisch ein Spieler, der kaum Schwächen hat.
Guerreiro ist schwer zu pressen, er kann kombinieren, hat einen guten Abschluss, spielt gute Tiefenbälle und er ist sehr beweglich sowie ballsicher. Das sind Fähigkeiten, mit denen er auf jeder Offensivposition und auch im zentralen Mittelfeld spielen kann. Und so fühlt er sich eben auch auf keiner dieser Positionen unwohl.
Im Gegenteil: Er blüht regelrecht auf, wenn man ihm die Freiheit gibt, die entsprechenden Räume zu belaufen. Weil er zudem mit beiden Füßen stark ist, kann er rechts und links spielen.
Ist Raphaël Guerreiro ein wichtiger Schlüssel gegen Leverkusen?
Guerreiro ist kein Highlightspieler. Spektakel gibt es von ihm abseits seines Traumtors gegen Zagreb nur selten zu sehen. Aber er ist aktuell ein sehr wichtiger Eckpfeiler. Gerade der Faktor Sicherheit in Ballbesitz ist ein oftmals unterschätzter.
Fehler passieren ihm selten, Ballverluste ebenfalls. Damit wird er gegen ein sehr clever pressendes Leverkusen eine Schlüsselrolle einnehmen. Ob einrückend im Zentrum oder an der Seitenlinie: Drucksituationen aufzulösen ist im Fußball ein zentrales Element, um Räume weiter vorn zu finden. Guerreiro kann das sehr gut.
Was ihm hingegen häufig unterstellt wird: Verteidigen liegt ihm nicht so sehr. Schaut man vor allem auf seine Zeit in Dortmund oder auf die eine oder andere Situation in der vergangenen Saison, lässt sich das schwer abstreiten. In dieser Saison aber zeigte er sich bisher solide. Wobei das Topspiel am Wochenende der erste Härtetest sein könnte.
Wo spielt Guerreiro am Wochenende?
Bleibt die Frage, ob er rechts oder links aufläuft. Vermutlich wird das von zwei Fragen abhängen: Spielt João Palhinha? Und wie sieht es bei Alphonso Davies aus?
Letzterer hat seit Monaten eine Formkrise und ist anfällig für Ballverluste. Gut möglich, dass ein Einsatz des Kanadiers zu viel Risiko für Kompany darstellt. Dann wäre Guerreiro die logische Alternative. Dass Konrad Laimer in Bremen als Rechtsverteidiger auflief, deutet vielleicht darauf hin, dass Kompany auch gegen Leverkusen mit dem Österreicher plant.
Im Zentrum könnte er aber auch Palhinha bringen, was wiederum ermöglichen würde, dass Joshua Kimmich rechts verteidigt. Bisher sind die Fragen zur Aufstellung des FC Bayern gegen Leverkusen jedoch nur Gedankenspiele.
Klar ist, dass Guerreiro sehr gute Karten hat, am Wochenende erneut in der Startelf zu stehen. Kompany wird wohl kaum auf einen seiner wichtigsten und besten Spieler verzichten.
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