Von Blasmusik bis „Cancan“: Die Torhymnenhistorie des FC Bayern im Überblick
„Gute Freunde kann niemand trennen“ schallte es am vergangenen Freitag immer wieder durch die Allianz Arena. Zu Ehren des verstorbenen Kaisers wurde dessen berühmt gewordener Song unter anderem als Torhymne verwendet und glücklicherweise auch ein paar Mal an dem Abend gebraucht.
So mancher Fan würde sich wohl auch ein Beibehalten des Songs wünschen, zumindest bis zum Ende der Saison. Auch so stellt das Lied die sage und schreibe elfte Torhymne des Rekordmeisters dar. Eine überraschend große Anzahl und damit Grund genug, um auf die ungewöhnliche Torhymnenhistorie des Rekordmeisters zurückzublicken.
- FC Bayern München – Kaderanalyse, Teil 2: Ribérys und Rafinhas
- Podcast #317: Zwischen Hoffenheim-Sieg und Transfer-Frimpong
- Unterstütze unsere Arbeit jetzt bei Patreon!
Torhymnen: Event-Kommerzialisierung oder Gute-Laune-Macher?
Torhymnen, auch Torsong oder Tormusik genannt, treiben schon unvermutet lange ihr Unwesen im deutschen Fußball. Vereinzelt gespielt wurden die 20 bis 40 Sekunden langen Jingles nämlich bereits in den 70ern, spätestens seit den 90ern ist die Jubel-Beschallung zur Normalität in Deutschlands Stadien geworden. Damals obendrein noch mit Werbebotschaften.
Heutzutage ist das nicht mehr vorstellbar, es gibt nicht wenige Fans, die sogar für eine Abschaffung der Tormusik plädieren. Andererseits kann so eine Hymne den eigenen Emotionen auch noch eine extra Portion Freude und Identifikation bereiten und dem eigenen Torerfolg einen individuellen Touch verleihen. Die Tore des 1. FC Köln ohne ein abschließendes „Kölle alaaf“ sind heutzutage beispielsweise auch nicht mehr vorstellbar.
Beim recht traditionellen FC Bayern beugte man sich zu Beginn der Neunziger dem Trend. Und zwar mit einer Hymne, die heutzutage kaum prominenter sein könnte. Der „Cancan“, eine mitreißende Tanznummer aus Jacques Offenbachs Operette „Orpheus in der Unterwelt“ ertönte als erste offizielle Torhymne im Olympiastadion. Ein paar Jahre später dann auch eingeleitet von Fred Feuersteins nicht weniger bekanntem Ausruf „Yabba Dabba Doo!“.
Sie sollte sich ganze vier Jahre lang halten und hinterließ auch gehörig Eindruck bei den Fans. Kein Wunder, vereint die Klassikproduktion doch so einzigartig eine lebensfrohe und gleichzeitig spöttische Freude über den eigenen Torerfolg, die jeden Gegner auf die Palme bringt.
Après-Ski-Atmosphäre im Olympiastadion
Um die Jahrtausendwende entschied man sich jedoch dafür, dass so eine Tormusik mehr „Party“ beinhalten muss. Die Entscheidung fiel auf die Melodie aus dem vom Nachbarn Österreich stammenden Schlager „Anton aus Tirol“, die Giovane Élber und Co. ihre Tore drei Jahre lang in einer Après-Ski-Atmosphäre zelebrieren ließ.
2002 wollten es die Münchner Tormusikbeauftragten allerdings wieder ein wenig persönlicher. Sie entschieden sich für den Song „FCB Immer wieder“, verziert mit dem berühmten Torschrei von Kommentatoren-Legende Edi Finger „I werd narrisch“ im Rahmen von Deutschlands legendärer WM-Pleite in Córdoba. Der Song hielt sich jedoch nur zwei Jahre, läuft heutzutage wohl trotzdem noch auf jeder Fanclub-Busfahrt rauf und runter.
Bayerns Hymnenbevollmächtigte wollten es 2004 nämlich vielen Bundesligisten gleichtun und einen handelsüblichen Klassiker der Rockmusik als Tormusik präsentieren. Die Wahl fiel auf John Miles‘ „Music“, was sich zwar auch nicht lange hielt, aber vor ein paar Jahren zur Einlaufmusik des Rekordmeisters recycelt wurde.
Denn in Zukunft sollte – passend zur Eröffnung der Allianz Arena – der Unterhaltungsfaktor Bayern Münchens Heimspiele bestimmen. Und was passt da besser als der damalige Hit „Let Me Entertain You“ von Bayernfan Robbie Williams?
Märsche und Volksmusik: Zu viel für das Münchner Publikum?
Vermutlich weil der Fußball des FC Bayern sich zu der Zeit nicht ganz so unterhaltend wie erhofft präsentierte, entschied sich das bayrische Hymnenkomitee 2006 wieder für etwas Traditionelleres. Und so sollte Luca Toni seinen berühmten Ohrschrauber-Jubel zahlreich zu den Klängen des „Zillertaler Hochzeitsmarschs“ zelebrieren. Ganze drei Jahre lang.
Ein voller Erfolg also, dachten sich Bayerns Hymnendelegierte, die es 2009 aber noch bayerischer wollten. Der „Bayerische Defiliermarsch“ brachte die Maß für das internationale Publikum dann doch zum Überlaufen und wurde nach der Hinrunde schon wieder durch The Fratellis‘ Pop-Song „Chelsea Dagger“ ersetzt, der durchaus zum Mitsummen einlud und durch ein „S Leben is wiar a Traum“ von der Spider Murphy Gang abgerundet wurde.
Da das Wort „Chelsea“ 2012 in München allerdings nicht allzu beliebt war, musste wohl wieder etwas Neues her. Die Entscheidung fiel auf eine abgewandelte Version von „Seven Nation Army“ der The White Stripes, ein im Fußballkosmos gern gehörter Song, der ebenfalls zum Mitgrölen einlud.
Bis 2019 sollte deshalb auch kein weiterer Wechsel folgen. Erst als sich der Club Nr. 12 und die Schickeria München persönlich mit den Tormusikbeauftragten des FC Bayern zusammensetzten, kam es nochmal zu einer Änderung. Der „Cancan“, mit dem viele Fans ihre ersten Besuche des Olympiastadions in Verbindung bringen, sollte zurückkehren und die gegnerischen Fans und Spieler wieder zur Weißglut treiben. Und bis vergangenen Freitag sollte das auch so bleiben.