FC Bayern – Miasanrot-Adventskalender, Nummer 22: Hans-Jörg Butt
Als zu Beginn der 2000er Jahre die weiten, schlabbrigen Torwarttrikots in der Bundesliga noch als trés chic galten, gab es zwischen den Pfosten reichlich markante Charaktere. Da waren Olli Kahn und Jens Lehmann, die auf dem Spielfeld gerne einmal handgreiflich waren. In der Hauptstadt stand mit Gabor Kiraly die menschgewordene Jogginghose auf der Linie und in Cottbus war der positiv-verrückte Tomislav Piplica zur Ikone gereift. Und dann gab es noch Hans-Jörg Butt, der todsichere Elfmeterschütze.
Elfmeterkiller der anderen Sorte
Alles begann 1996 in Oldenburg. Der damals 22-jährige Butt traf in der Regionalliga Nord in der 40. Minute per Elfmeter zum 1:0 gegen die Reserve von St. Pauli – und weil das so gut lief, durfte er beim zweiten Elfmeter in der 90. Minute direkt nochmal antreten. Erneut erfolgreich.
Butt blieb der sicherste Elfmeterschütze, ob in Oldenburg oder später beim Hamburger SV, wo er in der Saison 99/00 mit neun Treffern sogar erfolgreichster Torjäger des Vereins wurde. Für die Rothosen traf er sogar zweimal doppelt. Auch als er danach zu Bayer Leverkusen ging, blieb Butt der Elfmeterschütze der Wahl und traf acht weitere Male. Sein legendärestes Tor schoss er wohl am 29. Spieltag der Saison 2003/04 gegen den FC Schalke. Nach einem erfolgreichen Elfmeter jubelte Butt etwas zu ausgelassen und beim anschließenden Anstoß gelang Mike Hanke ein Tor aus dem Mittelkreis über den noch feiernden Butt.
Doch dies sollte die Mär des elfmeterschießenden Hans-Jörg Butt nicht beenden. Am Ende seiner Karriere standen 37 Tore, von denen zehn seiner Mannschaft den Sieg brachten. Drei Elfmeter verwandelte er in der Champions League. Kurioserweise allesamt gegen Juventus Turin. Da er diese drei Tore mit drei verschiedenen Vereinen erzielte (HSV, Bayer, Bayern), steht Butt hier sogar in einer Reihe mit Ruud van Nistelrooy und Cristiano Ronaldo.
Brückentorwart statt Thronfolger
Die Zeit von Butt bei Bayer Leverkusen endete nach einer roten Karte mit vier Spielen Sperre, in denen der junge, aufstrebende René Adler vollends überzeugte und den langjährigen Stammkeeper verdrängte. Butt wechselte nach Lissabon, wo er jedoch nie wirklich Anschluss fand und im folgenden Sommer überraschenderweise von Jürgen Klinsmann als Backup nach München geholt wurde. Dort stand die Ära nach Titan Kahn an.
Die Rolle auf der Bank als zweiter Torwart, vor der Butt in Leverkusen noch geflohen war, kam ihm in München zunächst gut gelegen. Doch in den nächsten Jahren sollte Butt gleich mehrfach die Rollen tauschen.
Zunächst war da die Saison 2009, in der Klinsmann den zukünftigen Nationaltorwart Rensing (O-Ton Hoeneß) nach der 1:5-Pleite gegen Wolfsburg und vor dem Viertelfinale gegen den FC Barcelona auf die Bank setzte. Zwar ging die Klinsi-Elf auch mit Butt chancenlos 0:4 unter, doch der Torwart stand bis zum Saisonende unter Interimscoach Heynckes im Tor.
Als zur neuen Saison mit Louis van Gaal ein neuer Übungsleiter an die Säbener Straße kam, saß Butt wieder zunächst auf der Bank. Im Tor stand erneut Rensing. Allerdings hielt die neue, alte Hackordnung nur drei Spieltage. Nach zwei Punkten aus den ersten Spielen und mit dem Rücken zur Wand machte van Gaal einmal mehr seine Nummer 22 zur Nummer Eins.
Diese Rückennummer bekam Butt dann sogar offiziell zur nächsten Saison, nur um nach der nächsten Halbserie durch das nächste Torwarttalent, Thomas Kraft, ersetzt zu werden. Der niederländische Eigenbrötler van Gaal wollte nach Badstuber, Müller und Alaba das nächste Eigengewächs heranziehen. Als der Tulpengeneral nach einem 1:1 in Nürnberg gehen musste, holte sein ehemaliger Co-Trainer und neuer Interimscoach Jonker Butt wieder zurück ins Tor.
Erst zur folgenden Saison verpflichtete der FC Bayern mit Manuel Neuer eine neue, klare Nummer Eins. Butt rückte ins zweite Glied und kam nur noch zu drei Einsätzen. Bei seinem letzten von 387 Bundesligaspielen führte er die Münchner als Kapitän gegen den VfB Stuttgart aufs Feld.
Beim FC Bayern spielten mit Kahn und Neuer die beiden wohl prägendsten (deutschen) Torhüter der 2000er Jahre. Die Nachfolge des Titans war für die Talente Rensing und Kraft mindestens eine Nummer zu groß, aber für den Brückentorwart Butt wie geschaffen.