FC Bayern – Miasanrot-Adventskalender, Nummer 9: Luca Toni
Ein seltsamer Transfer
Im Sommer 2007 war der FC Bayern wütend. Richtig, richtig wütend. Die Champions-League-Qualfikation verpasst, wollte man an das berühmt-berüchtigte Festgeldkonto. Statement-Transfers sollten es sein. Der 24-jährige Franck Ribéry machte natürlich komplett Sinn, doch Luca Toni sprang aus dem Rahmen.
Dass der FC Bayern einen neuen Stürmer suchte war logisch, war man mit Roy Makaays 16 Toren in der Saison zuvor doch verständlicherweise unzufrieden. Eine neue Sturmbombe sollte her. Tatsächlich wollte man Makaay schon im Jahr davor durch seinen Holland-Nemesis Ruud van Nistelrooy ersetzen, doch Real Madrid war auch vor 16 Jahren bereits die größere Nummer im Weltfußball.
Wo man bei Toni jedoch stutzig wird: Auch damals schon verfolgte der FC Bayern grundsätzlich die Politik Spielern jenseits von 30 Jahren keine Verträge länger als ein Jahr anzubieten und einen 32-jährigen Makaay mit einem nur zwei Jahre jüngeren Toni zu ersetzen, schien wenig zukunftsgerichtet zu sein.
Noch mehr gegen ihn sprachen jedoch die Finanzen, die allerdings erst Jahre später durch Tonis Gerichtsverfahren wegen der beliebten deutschen Kirchensteuer ans Licht kamen. Toni sprengte Bayerns Gehaltsgefüge komplett. Zu den 11 Millionen Euro an Ablösesumme, gesellten sich noch recht marktübliche 7 Millionen an Handgeld und 6 Millionen an Nettogehalt pro Jahr. Dies waren Zahlen, die der FC Bayern Jahre später seinen verdientesten Weltklassespielern zahlen würde. Ein Ribéry brauchte Jahre, um auf dieses Niveau zu kommen, doch Toni bekam dieses Gehalt sofort.
Dabei wurde er ja nicht einem Weltverein abgekauft, seine Karriere davor war ein auf und ab. 2006 wurde er Weltmeister, freilich. Doch ist man ehrlich, war sein Anteil am italienischen Sommermärchen trotz des Stammplatzes vergleichsweise gering. Nur zwei Tore schoss er im Turnier, jeweils zum 2:0 und 3:0 im Viertelfinale gegen die Ukraine.
Signore 1:0
So hoch dotiert wollte der FC Bayern natürlich auch Leistungen sehen, und die brachte er auch von Anfang an. Gleich in seinen ersten zehn Pflichtspielen schoss er ebenso viele Tore. Wichtiger noch: Gleich sieben mal war das so wichtige 1:0 darunter. Ribéry mochte zaubern und Zé Roberto kontrollieren, doch die Tore zu Bayerns Rückkehr auf den Bundesliga-Thron brachte Luca Toni.
Auch in den Pokal-Wettbewerben glänzte er: Im DFB-Pokal-Finale gegen Dortmund erzielte er beide Treffer. In seinen elf UEFA-Cup-Spielen netzte er beachtliche zehn mal.
Ganz die Quote vom Anfang der Saison konnte er in der Liga nicht halten – was Robert Lewandowski und Gerd Müllers Beständigkeit, sowie die allgemeine Qualität der modernen Bayern nur noch mal unterstreicht. Doch die 24 Bundesliga-Tore waren trotzdem mehr, als sein Vorgänger je in einer Saison erzielen konnte. Unter ihnen war gegen Hannover auch -man höre und staune- der erste Bundesliga-Hattrick eines Bayern-Spielers seit 1989.
Der geborene Knipser
Tore, Tore, Tore. Ständig ist hier nur die Rede von Toren, doch gehört zu einem Fußballspiel nicht mehr als die bloße Anzahl an Treffern? Muss ein Stürmer nicht noch mehr Fähigkeiten haben, als einzunetzen?
Nunja. Nein. Nicht in Luca Tonis Fall. Toni war einfach ein Knipser, wie er im Buche steht, das mitspielende Element seines Sturmpartners Klose ging ihm komplett ab. Dafür nutzte er das ganze Gewicht seines 1,93 Meter großen Körpers. War er fixiert, konnte kein Verteidiger den Tank einfach wegschieben. Dazu strahlte der FC Bayern mit ihm endlich wieder Gefahr in der Luft aus. Roy Makaay war ebenfalls kein Winzling, doch Tonis Kopfballspiel war eine andere Klasse.
Ja, ab und an war man von Tonis Technik überrascht, doch Seitfallzieher wie gegen Hannover, Annahmen und Lupfer wie gegen Bochum oder ein Außenrist-Strahl wie gegen Dortmund waren die absolute Ausnahme. Meistens kampierte Toni einfach im Strafraum und erschnüffelte die Buden. Durch seine physische Präsenz war er kein Phantom, doch zum Spiel trug er trotzdem wenig mehr bei als sein holländischer Vorgänger.
Was ihn von Makaay ebenfalls trennt, ist ein bisschen sein großer Signature-Treffer, auf den ihn alle auch Jahre später noch ansprechen können. Bei Makaay denken alle an sein 10-Sekunden-Tor gegen Real, doch Toni war so eine große Story nicht vergönnt. Am ehesten wären hier seine zwei Tore beim “Wunder von Getafe” zu nennen, doch durch die anschließende klägliche Niederlage in St. Petersburg, war die Luft aus der Story auch schnell raus. Wären die Bayern ihrer Favoritenrolle im UEFA-Cup gerecht geworden, hätte man diesen jedoch sicherlich mit Luca Toni assoziiert. Bedauerlicherweise blieb es jedoch beim Konjunktiv.
Schnell verglüht
Der Italiener brachte viel Freude mit nach München, war mit seiner strahlenden Art direkt beliebt. Da störte es auch niemanden, dass kaum ein Ausländer davor oder danach sich so offensiv weigerte, die deutsche Sprache zu erlernen. Toni war einfach Toni. Er machte Tore, drehte am Ohr und sorgte für gute Laune.
Nach seinem exzellenten ersten Jahr -39 Tore in 46 Pflichtspielen sprechen eine deutliche Sprache- wurde es aber ruhiger um Toni. Nach immer noch akzeptablen neun Toren in der Hinrunde, kamen in der Rückrunde nur noch fünf weitere dazu. In dieser Zeit hatte er immer wieder mit seiner Achillessehne zu kämpfen.
Nach einer insgesamt katastrophalen Saison reagierte der Verein und verpflichtete im Sommer Mario Gómez und Ivica Olić. Als noch Arjen Robben dazu kam und der neue Trainer Louis van Gaal auf ein System mit nur einem Stoßstürmer wechselte, war der Weltmeister nur noch vierte Wahl. Im Winter flüchtete er zurück in die Heimat und der FC Bayern war sicherlich froh ihn von der Gehaltsliste zu bekommen.
Seine Zeit beim FC Bayern war vorüber, und das gleiche schien auch auf seine Karriere an sich zuzutreffen. Er wechselte sich munter durch die Serie A, war auch mal ein halbes Jahr in den Emiraten. Nirgends konnte der in die Jahre gekommene Weltmeister Anschluss finden. Bis, ja bis ihm im Alter von mittlerweile stolzen 36 Jahren erstaunliches passierte. Bei seinem nunmehr fünften italienischen Verein in vier Jahren erblühte er auf einmal im goldenen Spätherbst seiner Karriere. Im ersten Jahr beim Aufsteiger Hellas Verona schoss er ganze 20, im zweiten Jahr sogar 22 Tore, wurde mit 38 ein weiteres Mal Torschützenkönig der Serie A. Es allen nochmal gezeigt zu haben, konnte er im Jahr darauf dann endlich seiner stolzen Karriere würdig “Ciao” sagen.