Auf Tour mit dem FC Bayern: Teil I – Der Grund
Seit ich bei Miasanrot mitmache, habe ich schon viele unterschiedliche Meinungen zu diesen Touren gehört. Von einem Großteil der deutschen/europäischen Öffentlichkeit werden diese Touren mit einer Mischung aus offener Verachtung und großer Skepsis betrachtet. Von einem internationalen Publikum werden diese Reisen hingegen im Allgemeinen sehr positiv und in einigen Fällen sogar mit Neid betrachtet.
Was bedeutet das für uns hier? Die Wahrheit liegt, wie immer, irgendwo in der Mitte. Als Teil nicht nur dieses Blogs, sondern auch als Vorstandsmitglied des DC Bayern Fanclubs hier in den USA hatte ich vergangene Woche die einmalige Gelegenheit, die Sommerreise der Bayern aus nächster Nähe zu verfolgen.
In Vorbereitung auf diesen Artikel habe ich meine Kollegen aus dem Miasanrot-Team gefragt, welche Fragen sie für diesen Artikel haben oder was sie interessant finden könnten. Mein Ziel ist es, einen Einblick in das zu geben, was bei diesen Reisen für die Bayern funktioniert, was nicht funktioniert und wie sich die Tour im Großen und Ganzen auswirkt.
Für wen ist die Tour gedacht?
Die Fans im Ausland
Die erste offensichtliche Antwort ist die Fans, die wie ich im Ausland leben. Ich gehöre zu denjenigen, die das Glück haben, sowohl finanziell als auch zeitlich in der Lage zu sein, Spiele in Deutschland zu besuchen.
Die große Mehrheit der Fans hier hat diese Möglichkeit jedoch nie. Für einige sind diese Reisen die einzige Chance, die Spieler, die sie jede Woche auf dem Bildschirm sehen, einmal persönlich im Stadion spielen zu sehen. Auch wenn wir alle wissen, dass die Spiele an sich bedeutungslos sind und die sportliche Qualität des Wettbewerbs fragwürdig, so ist es doch ein ganz anderes Erlebnis, die Mannschaft in natura, auf dem Rasen und bei Flutlicht spielen zu sehen als im Fernsehen.
Einige von Euch können diesen Wunsch vielleicht nicht nachvollziehen, aber vielleicht hilft ein Quervergleich zur damaligen Entscheidung der NFL, ein paar Mal im Jahr auch in Europa zu spielen. Die Möglichkeit, eine Sportart einmal als Zuschauer im Stadion zu sehen, zu der man außer durch das Fernsehen sonst im Normalfall keine andere Zugangsmöglichkeit hat, erlaubt einem, eine völlig andere Perspektive auf das Spiel zu gewinnen und gibt einem eine ganz andere Wertschätzung für den Sport als Ganzes.
Den Club
Die zweite offensichtliche Antwort ist der Verein. In den letzten zehn Jahren ist der weltweite Markt für den FC Bayern dramatisch gewachsen. Das liegt zu einem großen Teil daran, dass es heute so einfach ist wie nie zuvor, Spiele live zu verfolgen. Vor 15 oder 20 Jahren war es sehr schwierig, hier in den USA ein Spiel zu sehen. Die Champions League und ein paar Spiele der englischen Premier League waren so ziemlich alles, was einigermaßen regelmäßig übertragen wurde.
Dank der Streamingdienste und Bemühungen der Clubs und Ligen, die weltweiten Fernsehmärkte für ihr Produkt zu erschließen, ist es heute möglich, in den meisten Teilen der Welt praktisch jede Liga auf fast jedem Niveau zu verfolgen. Diese Möglichkeit hat das globale Interesse für den professionellen Fußball drastisch erhöht.
Der FC Bayern hat diese Entwicklung weiter vorangetrieben, indem er Büros in den USA und in Asien eröffnet hat, um die Aufmerksamkeit für den eigenen Verein weiter zu stärken und als willkommenen Nebeneffekt auch das Wachstum des Fußballs insgesamt in diesen Märkten zu fördern. Die Büros in New York und Shanghai helfen dabei enorm über Kontaktaufnahme und Auseinandersetzung mit den Fanclubs vor Ort und als erste Anlaufstelle bei Anfragen.
Auch wenn sie oberflächlich oder sogar künstlich erscheinen mag, so fühlt sich die Verbindung zum Club für die Menschen hier doch sehr real an. Es gibt uns das Gefühl, Teil der FC-Bayern-Familie zu sein. Als würde es jemanden wirklich interessieren, dass wir diesen Verein unterstützen.
Das bringt dem Verein schließlich auch Geld ein. Der offensichtliche große finanzielle Vorteil liegt in den Fernsehrechten. Je größer das Interesse an den Bayern und der Bundesliga ist, desto mehr Geld erhält der Verein letztendlich aus dem Verkauf der Fernsehrechte im Ausland.
Die Anfassbarkeit und emotionale Bindung hat aber auch erhebliche Auswirkungen auf den Verkauf von Fanartikeln, da dadurch weltweit Milliarden potenzieller neuer Verbraucher erreicht werden. Darüber hinaus kann dies die Einnahmen aus dem Sponsoring erhöhen, denn je größer die Marke „FC Bayern“ ist, desto mehr Interessenten gibt es für ein Sponsoring des FC Bayern und desto mehr Geld wird dafür bezahlt.
Für wen ist die Tour nicht gedacht?
Die Spieler
Die erste Antwort auf diese Frage ist zweifellos die Spieler. Das ist der Teil, mit dem ich persönlich und ich denke viele von euch am meisten zu kämpfen haben. Es ist zwar weit hergeholt zu behaupten, dass die Spieler keine Vorteile haben, aber im Verhältnis zu den Nachteilen ist der Nutzen äußerst gering.
In den meisten Fällen können einzelne Spieler durch solche Reisen ihren Bekanntheitsgrad nur begrenzt erhöhen, während der Verschleiß ihres Körpers und die Beanspruchung ihrer Zeit im Vergleich hoch sind.
Die Reisen sind eine große Belastung für die Körper der Spieler. Beispielsweise ist es an den Reisezielen dieser Touren im Sommer häufig sehr heiß. Die benutzten Spielfelder sind für Fußball manchmal nicht besonders gut geeignet, was das Verletzungsrisiko erhöht. Die nebenläufigen Aufgaben, die die Spieler neben dem eigentlichen Spielen auch noch zu verrichten haben – Autogrammstunden, Museumsbesuche etc. – fügen den langen Trainings- und Reisetagen noch einmal eine Extra-Dimension Anstrengung und Ermüdung hinzu.
Es gab mehrere Momente während der Tour, in denen mir die Spieler wirklich leid taten. Sie sahen erschöpft aus. Und es ist kein Wunder, dass das passiert. Die ganze Tour muss sich für sie wie eine überfüllende und sinnlose Tortur anfühlen. Zum Glück gab es in diesem Jahr wenigstens kein großes Nationalmannschaftstournier, aber es dürfte wohl kaum zu bezweifeln sein, dass diese Touren die Spieler sowohl mental als auch körperlich überfordern.
Die Fans in Deutschland
Die zweite Antwort, die vielen von Euch kommen könnte, ist die, dass diese Reisen für die Fans in Deutschland und München keinen Nutzen bringen. Vielleicht fühlen sie sich im Vergleich zu den ausländischen Fans nicht genug gewürdigt und sie beschäftigt auch der Stress und die Beanspruchung der Spieler.
Ich bin mir bewusst, dass viele in Deutschland diese Touren als reine Geldbeschaffungsmaßnahme seitens des Vereins ansehen. Nüchtern betrachtet kann man dem kaum widersprechen. Das ist genau das, worum es geht. Letztlich hat jeder der oben von mir genannten Vorteile etwas mit der Schaffung eines monetär nutzbaren Wachstumspotenzials zu tun.
Ich weiß, dass dies für viele kein populäres Thema im Zusammenhang mit einem Fußballverein ist, aber die wirtschaftliche Dimension ist leider ein notwendiges Übel. Ohne die wirtschaftlichen Vorteile, die sich aus solchen geschäftlich motivierten Aktionen ergeben, würde der FC Bayern in Europa in die Bedeutungslosigkeit abrutschen. Jede Liga außerhalb Englands ist aufgrund der massiven Fernseheinnahmen, die die Premier League genießt, relativ gesehen extrem im Nachteil und muss sich nach alternativen Einkommensmöglichkeiten umsehen.
Denn solche „Summer Tours“ und die damit verbundene Stärkung der globalen Reichweite des FC Bayern würde diese Kluft weiter wachsen. Während ich also die Antipathie, die einige in Europa gegenüber solchen Showveranstaltungen in Übersee und sogar den Globalisierungsbestrebungen des FC Bayern insgesamt haben, emotional sehr gut nachvollziehen kann, kann es sich der FC Bayern nicht leisten, die wirtschaftlichen Gewinne durch solche Touren auszulassen, wenn er mit den besten Clubs der Welt konkurrenzfähig bleiben will.
Damit endet Teil I. Schaut morgen wieder vorbei für Teil II, in dem ich Euch einen genaueren Einblick in die „Fan experience“ während der Tournee geben möchte.