Analyse: Bayern spaziert in Unterzahl zum 3:1 gegen Fürth
Julian Nagelsmann hatte mit ein paar Personalproblemen zu tun. Das führte am Freitagabend dazu, dass er eine Dreierkette aufs Feld schickte. Niklas Süle, Dayot Upamecano und Lucas Hernández begannen in der ersten Reihe des Spielaufbaus. Davor agierten wie gewohnt Joshua Kimmich und Leon Goretzka. Der Dreiersturm mit Leroy Sané, Robert Lewandowski und Thomas Müller wurde von den hochstehenden Flügelverteidigern Alphonso Davies und Benjamin Pavard flankiert.
Auf Seiten der Gastgeber setzte Trainer Stefan Leitl auf das gewohnte 4-4-2. Die große Frage war eher, wie weit sich Fürth in dieser Partie nach vorn trauen würde, um die Bayern unter Druck zu setzen.
Falls Ihr es verpasst habt:
1. Halbzeit
Eine Antwort darauf gab es schon in der Anfangsphase: Bayern übernahm direkt die Kontrolle und kam bereits zu einigen ordentlichen Angriffen. Fürth versuchte dennoch, seiner Philosophie treu zu bleiben und lief mit den beiden Angreifern Hrgota und Nielsen immer mal wieder die zweite Phase des Spielaufbaus beim Gegner an.
Nach gut sechs Minuten schafften sie es sogar, sich für einige Zeit in der bayerischen Hälfte festzusetzen und den einen oder anderen Fehler des Rekordmeisters zu erzwingen. Ein erster Eckball in der neunten Minute wurde vom Publikum fast wie ein eigener Treffer gefeiert.
Doch wie schon in vielen anderen Momenten dieser noch jungen Saison, offenbarten die Fürther auch in diesem Spiel ihre großen Schwachstellen in der Rückwärtsbewegung. In die eigentlich gute Anfangsphase hinein schafften es die Bayern, die anlaufenden Grün-Weißen zu überspielen und sich über Davies Raum zu erarbeiten. Der Kanadier legte auf Müller quer und es stand 1:0 für die Gäste (10.).
Bayern drückt aufs zweite Tor
Trotz der Führung im Rücken versuchten die Münchner aber, das Tempo hoch zu halten. Gerade wenn Fürth durch Standards nach vorn kam, war die Nagelsmann-Elf darauf aus, die Lücken dahinter bei Ballgewinn schnell zu bespielen. Das gelang nicht immer mit der notwendigen Präzision und so bekam der Aufsteiger den einen oder anderen Angriff zu viel für den Geschmack der Gäste.
Viele wirklich bis zum Ende durchgespielte Angriffe gab es auf beiden Seiten nicht, aber die Bayern brauchten diese auch nicht wirklich. In der 31. Minute schloss Joshua Kimmich eine längere Ballbesitzphase aus der zweiten Reihe ab und traf den Ball perfekt, sodass er flach neben dem rechten Pfosten ins Netz ging – 2:0.
Bayern hatte prinzipiell alles im Griff, holte Fürth aber ab und zu durch leichtfertig verschenkte Standards ins Spiel. Kurz vor der Pause wurde es nach einer Ecke gefährlich, aber es blieb beim 2:0.
2. Halbzeit
Ohne Änderungen ging es in den zweiten Durchgang, aber dafür mit einem denkbar schlechten Start für den Tabellenführer. Benjamin Pavard versuchte einen Konter mit einer beherzten Grätsche zu verhindern. Zunächst traf er den Ball, dann den Knöchel von Green – da Hernández noch in der Nähe war, wurde hier wohl die Härte des Vergehens bewertet und der Franzose flog vom Platz (47.).
Nagelsmann stellte auf eine Viererkette mit Süle als Rechtsverteidiger und somit auf ein 4-4-1 um, das teilweise durch den herausschiebenden Müller zum 4-3-2 wurde. Nach einer guten Stunde wechselten die Bayern zum ersten Mal aus: Für Sané kam Marcel Sabitzer und vermutlich mit ihm die Idee, das Zentrum zu stabilisieren.
Fürth bekam in der Folge mehr Spielanteile, wurde aber kaum gefährlich. Wie schon zuvor spielten sie ihre Angriffe nicht gut genug aus. Stattdessen waren es erneut die Bayern, die ihre Effizienz zur Schau stellten. Nach einem Standard schien es zunächst so, als würde Lewandowski zum 16. Mal in Folge in der Bundesliga treffen und so mit Gerd Müller gleichziehen – doch es war nicht sein Fuß, sondern der von Griesbeck und somit ein Eigentor (68.).
Damit war der Deckel drauf, aber die Spielvereinigung spielte weiter auf den Ehrentreffer. In der 82. Minute war es fast soweit, aber im Zentrum fand sich kein Fürther, der in das leere Tor von Neuer hätte einschieben können. Nur sechs Minuten später konnten sie sich dann aber für ihren Aufwand belohnen. Nach einer Flanke köpfte der freistehende Itten ein. Letztendlich kam dieser Treffer aber zu spät, um noch ernsthaft etwas bewirken zu können und so blieb es beim 3:1-Auswärtssieg für den FC Bayern.
Dinge, die auffielen:
1. Gegneranalyse: Hinten mit Risiko, vorne mit Power
Bei einem Duell zwischen Aufsteiger und Abomeister spielt Taktik eher eine untergeordnete Rolle. Und doch, das bestätigte Manuel Neuer unter der Woche, ist die theoretische Vorbereitung auf jedes Spiel sehr intensiv. Julian Nagelsmann legt großen Wert darauf, dass seine Spieler wissen, wo die Stärken und Schwächen beim Gegner liegen und wie sie das am besten für sich nutzen können.
Legt man die bisherigen Spiele übereinander, so sieht das im Kern immer ähnlich aus. Natürlich ist der FC Bayern mit seiner enormen Qualität nicht dazu gezwungen, alles dem Gegner unterzuordnen und von Woche zu Woche mehr als Details zu ändern, wäre verrückt. Doch in eben jenen Details lassen sich fast immer Unterschiede erkennen.
Gegen Fürth beispielsweise gingen die Bayern ganz bewusst ein großes Risiko in offensiven Umschaltsituationen. Statt den Ballbesitz zu sichern und dem Gegner die Möglichkeit zu bieten, sich zu sortieren, setzten sie auf ein sehr vertikales Umschaltspiel. Bei Standards der Fürther standen teilweise drei Bayern-Spieler an der Mittellinie, um einen Konter zu antizipieren. Nagelsmann ging dieses Risiko einerseits ein, weil er darum weiß, dass Fürth große Probleme beim Ausspielen der eigenen Angriffe hat und andererseits zeigten die Kleeblätter zuletzt Schwächen in der Rückwärtsbewegung, nachdem sie aufgerückt waren.
Bayern wurde dafür belohnt: Das frühe 1:0 entstand durch einen Tempoangriff, der die Lücken der Fürther offenbarte und dass es den einen oder anderen Ballverlust im Mittelfeld gab, wurde vom Gegner nicht bestraft. Ein weiterer Punkt, den Nagelsmann offensichtlich in der Analyse herausgearbeitet hat, war das teils unterbesetzte Mittelfeldzentrum im Defensivverbund bei Greuther Fürth. Bayern versuchte es mit einigen Distanzschüssen aus dem Zehner-Raum, wo Kimmich, Goretzka, Sané oder Müller häufig sehr frei standen. Ob das 2:0 von Kimmich nun aus der Gegneranalyse oder zufällig entstand, muss aber das Trainerteam beantworten.
Hinten notfalls Mann gegen Mann, vorn mit mindestens sechs Spielern für die volle Offensivpower – Nagelsmanns Plan ging bis zur roten Karte jedenfalls auf. Ob die Bayern das aber so auch gegen stärkere Gegner spielen würden? Wohl eher nicht.
2. Stabile Drei, dynamische Sechs und Kimmich
Diese sechs Offensivspieler – also Sané, Lewandowski, Müller, die beiden Flügelverteidiger Pavard und Davies sowie der aufrückende Goretzka sorgten für große Unsicherheit bei der Spielvereinigung. Viele gegenläufige Bewegungen, viele Positionswechsel, eine sehr dynamische Besetzung des Zwischenraums – Fürth konnte den Rekordmeister in keiner Phase wirklich greifen.
Im Zusammenspiel konnten sie auch deshalb ins Risiko gehen, weil die Absicherung der Bayern in der Restverteidigung stabil war. Süle, Upamecano und Hernández präsentierten sich zweikampfstark bei Ballverlusten und verhinderten große Chancen der Heimmannschaft oft im Ansatz.
Zwischen der stabilen Drei und der dynamischen Sechs hatte Kimmich viel zu tun. Gegen den Ball war er die erste Absicherung der Offensive, mit dem Ball musste er die Offensive in Szene setzen. Dass Nagelsmann auf dieses 3-1-6 zurückgreifen konnte, lag auch an seiner Verlässlichkeit.
3. Zu viele Standards hergeschenkt
Bei allem Lob für die gute Analyse des Gegners wird Nagelsmann nicht damit zufrieden gewesen sein, dass seine Mannschaft trotz hohem Risiko zu viele Bälle leichtfertig hergab und sich so immer mal wieder in enge Situationen brachte. Der Platzverweis zu Beginn der zweiten Halbzeit war in erster Linie zwar eine unnötige Aktion von Pavard, doch sie entstand erst, weil die Bayern es mit ihrem Offensivdrang übertrieben haben und zu schnell nach vorn spielen wollten. Gerade bei einer 2:0-Führung war das nicht notwendig.
Wenn Fürth mal gefährlich wurde, dann meist nach Standards und die gab es zu oft für ein Spiel, das die Münchner oft im Griff hatten. Ein Resultat der vielen einfachen Ballverluste im Ballvortrag.
4. Lewandowski meist abgemeldet
Gefährlich wurden die Bayern wiederum auch nicht ganz so oft. Das lag auch daran, dass Lewandowski in weiten Teilen der Partie abgemeldet war. Unterdurchschnittlich viele Ballkontakte, kaum Abschlusssituationen und ein Fast-Tor, das ein wenig stellvertretend für seine Situation war. Denn beim 3:0 musste er mit ansehen, wie sein Gegenspieler den Ball ins Netz spitzelte.
Je länger das Spiel dauerte, desto mehr versuchte der Pole, mit dem Kopf durch die Wand zu kommen. Dass er mal in einem Spiel nicht trifft, hatte sich zuletzt sogar angedeutet. Das mag bei der fast schon absurden Torserie paradox klingen, aber schon gegen Barcelona und auch gegen Bochum hatte er nicht viele Szenen, in denen er im Strafraum von Mitspielern freigespielt wurde. Stattdessen übernahm er Läufe nach außen, öffnete Räume für Sané, Müller oder Gnabry und ließ sich ins Mittelfeld fallen.
Ob das nun die Anzeichen einer veränderten taktischen Rolle sind, lässt sich zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht aufklären. Auffällig ist es aber schon, dass er zuletzt nicht mehr der eine Zielspieler im Ballvortrag war. Den Bayern muss das perspektivisch gar nicht schaden. Gerade Sané und Müller haben zuletzt sehr davon profitiert, dass Gegenspieler sich mehr auf Lewandowski und seine Läufe konzentrierten. Womöglich wird die Offensive dadurch noch flexibler. Nur die Rekordjagd des Polen könnte darunter leiden – wenn es denn tatsächlich ein Trend ist.