Vorschau FC Bayern Basketball: „Wir werden gut sein!“
„Ich habe einen Bilderrahmen, aber die Farben des Gemäldes noch nicht gewählt. Gehen wir ins Holländische? Kubismus? Oder doch eher Picasso? Mal sehen.“ Bayern-Trainer Andrea Trinchieri ist bereits vor Saisonstart wieder in Top-Form, besonders was seine blumige Sprache angeht, um basketballerische Sachverhalte zu beschreiben.
Der Maestro, der die Mannschaft in der Vorsaison erstmals in die Playoffs der EuroLeague geführt hatte und dort nur haarscharf an Armani Mailand gescheitert war, hat für sein mannschaftliches Gemälde einige neue Farben und Pinsel bekommen – je nachdem wie er seine Spieler nur bezeichnen mag. Trotz der erfolgreichen Spielzeit in Europa, dem Pokalsieg und der Vize-Meisterschaft hat sich einiges getan im Bayern-Kader.
Die beiden Leistungsträger Wade Baldwin und Jalen Reynolds sind lukrativen Angeboten gefolgt und haben den Klub nach Spanien respektive Israel verlassen. Auch James Gist und JaJuan Johnson stehen nicht mehr im Aufgebot. Trinchieri: „Ich wollte alle Spieler zurückhaben, aber wir wussten, dass dies nicht geht. Ich bin superhappy, dass ich Pauli (Zipser), Šiško, Lučić, Leon (Radošević) und Babb zurückhabe.“ Zudem hat man sich prominent verstärkt und den Kader vergrößert, um an die Erfolge der Vorsaison anknüpfen zu können und gleichzeitig einer weiteren 90-Spiele-Saison gewachsen zu sein.
Besonders die Riege der ausländischen Profis liest sich elitär: Mit Othello Hunter kommt ein EuroLeague-Sieger aus Tel Aviv, Darrun Hilliard stößt vom Spitzenklub CSKA Moskau zu den Bayern. DeShaun Thomas ist ein Routinier, der auf höchstem europäischen Level mit allen Wassern gewaschen ist. Dazu gesellen sich alte Weggefährten Trinchieris: Corey Walden ist der neue Spielermacher, er arbeitete genau wie der Serbe Ognjen Jaramaz bei Partizan Belgrad mit dem Italiener zusammen. Augustine Rubit feierte mit Trinchieri große Erfolge in Bamberg. Gemeinsam mit den angesprochenen Zan Šiško, Vladimir Lučić und Nick Weiler-Babb bilden die sechs Neuen die wohl tiefste Ausländer-Rotation, die ein deutsches Team je vorzuweisen hatte.
Besonders der 35-jährige Hunter hat es Trinchieri angetan: „Manchmal merkst du nach nur drei Sätzen, dass der andere unerwartet sofort die gleiche Sichtweise hat. Othello ist ein Leader, sehr erfahren; er kam sehr gut vorbereitet an, besser in Form als manch Jüngerer, das sagt mir alles. Er will gewinnen, ich will gewinnen, Lučić will gewinnen. Sie sind unser Rückgrat.“
Trotz der namhaften Zugänge bei den Import-Spielern ist der eigentliche Königstransfer ein anderer: Nationalspieler Andi Obst kommt aus Ulm an die Isar! Er verstärkt die Bayern genau dort, wo sie im Endspurt um die deutsche Meisterschaft Probleme hatten, bei den deutschen Spielern. Nach den Verletzungen von Leon Radošević und Nihad Đedović und der Hirn-OP von Paul Zipser gingen den Bayern im Saisonendspurt die deutschen Spieler aus. Hintergrund: In der Bundesliga dürfen maximal sechs ausländische Profis im Spieltagskader stehen. Obst, Joshua Obiesie aus Würzburg, Gavin Schilling aus Braunschweig und Leih-Rückkehrer Marvin Ogunsipe aus Hamburg geben dem Trainerstab nun auch hier Möglichkeiten zur Rotation.
Mit Obst, der Trinchieri ebenfalls aus gemeinsamen Bamberger Zeiten kennt, konnten sich die Verantwortlichen die Dienste eines der besten Dreierschützen der ganzen Liga sichern. „Andi macht sich sehr gut. Ich habe ihn als Kind zurückgelassen – und jetzt ist er ein Mann. Ich denke, er hat noch viel Raum, sich zu verbessern“, sagt Trinchieri über seinen Zögling.
Obsts Spezialdisziplin ist wie angesprochen der Distanzwurf, ebenfalls eine Kategorie, in der die Bayern in der vergangenen Spielzeit nicht immer geglänzt haben. Die Trefferquote aus der Distanz war durchaus in Ordnung, aber man nahm so wenige Versuche wie kein anderes Team in der EuroLeague. Das soll sich nun ändern, denn Trinchieri will die Vielseitigkeit seines neuen Kaders nutzen und eine variable Offense spielen lassen. Der Dreier soll vermehrt in den Fokus rücken, denn neben Obst sind auch Hilliard und Walden sehr gute Schützen. Markenzeichen soll aber weiterhin die Verteidigung sein, hier zählt man ohnehin zum Besten, was der europäische Basketball zuletzt zu bieten hatte.
Schafft es Trinchieri alle zur Verfügung stehenden Farben zu einem harmonischen Gemälde zu komponieren, steht einer erfolgreichen Spielzeit nichts im Wege. Die Auswahl ist in jedem Fall groß und Trinchieri ist sich sicher: „Wir werden gut sein. Ich weiß noch nicht wie gut, aber wir werden gut sein.“
Dieser Artikel wurde von Robert Heusel geschrieben. Robert schreibt sonst für das BIG Magazin und ist im Postgame Podcast zu hören. Wir sind froh, dass er für uns diese Saison der Basketballer immer wieder beleuchten wird.