DFB Pokal: RB Leipzig 4:5 n.E. FC Bayern München (1:1)
Die Ausgangsposition war für RaBa gar nicht schlecht. Hasenhüttl konnte zuletzt viel rotieren und hatte so fast die beste Mannschaft auf dem Platz. Heynckes’ Team stellte sich hingegen beinahe von alleine auf.
Falls Ihr es verpasst habt:
Vor Ulreich gab es wenige Überraschungen.
Im Mittelfeld entschied sich Bayerns Trainer jedoch für Vidal und Tolisso, weil James kurzfristig absagen musste. Vor der Partie wurde spekuliert, dass Thiago die Zehner-Position 1:1 übernehmen würde. Der Spanier sollte Robben, Coman und Lewandowski tatkräftig unterstützen. Das roch schon vor Anpfiff nach vielen Mittelfeldüberbrückungen und einem harten Job für Boateng und Hummels.
In der Mannschaft von Ralph Hasenhüttl war höchstens Augustin eine kleine Überraschung. Allerdings war er zuletzt gut drauf und Werner schien nach seiner Verletzung noch nicht bei 100% zu sein. Allein dieser Luxus unterstrich, dass RaBa von der Bank mehr Optionen hatte als der FC Bayern. Außerdem begann Bernardo rechts hinten für Klostermann.
Die Grundformation der Bayern gestaltete sich zu Beginn dann doch etwas anders als zunächst erwartet. Thiago und Tolisso agierten etwas höher als Vidal, der die klare Sechserrolle übernahm. Hin und wieder entstand daraus eine flache Drei, manchmal aber auch eine 1-2-Staffelung.
So richtig funktioniert hat das zu Beginn aber noch nicht. Ausgerechnet Thiago verbuchte den ersten gefährlichen Ballverlust und auch der Rest wirkte im Aufbauspiel zu sehr unter Druck. Die erste große Chance der Partie hatten aber trotzdem die Münchner. In der 9. Minute setzte Robben Lewandowski elegant in Szene. Der Winkel wurde für den Polen jedoch zu spitz und im Zentrum gab es keine Anspielstation.
Es war die erwartete Konstellation. Die Bayern bemüht, aber ohne Lösung gegen das erdrückende Pressing des Gegners. So gab es zunächst kaum Möglichkeiten. Für das Heimteam bot sich die erste in der 25. Minute, als Forsberg nicht gestoppt werden konnte, allerdings auch kein Tor erzielte. Wenig später war es Augustin, der plötzlich vor Ulreich auftauchte, doch der Keeper parierte glänzend (29.). Leipzig bekam jetzt mehr vom Spiel, weil den Bayern die Entlastung fehlte.
Beinahe folgerichtig gab es in der 35. Minute einen Elfmeter für RB und damit die Chance auf die Führung. Doch der Schiedsrichter korrigierte seine Entscheidung. Das Foul war wohl knapp außerhalb des Strafraums, obwohl es da verschiedene Meinungen gibt. Forsberg setzte den Freistoß schließlich knapp über das Tor. Irgendwann war dann Pause in einer Partie, die vor allem von guten Defensivaktionen lebte.
In der zweiten Halbzeit gab es zunächst keine Veränderungen. Heynckes gab der Mannschaft, die die Kontrolle zunehmend verloren hatte, noch eine Chance. Felix Zwayer kam jetzt immer mehr in den Mittelpunkt. Nachdem er Tolisso mehrmals keine Karte gab, bekam Keita mit seinem ersten Foul die Gelbe im ersten Durchgang. Das sollte sich rächen.
In der 54. Minute vereitelte der Mittelfeldspieler einen Konter, indem er Lewandowski foulte. Zwayer entschied zurecht auf taktisches Foul und stellte Keita damit vom Platz. Unglücklich für Leipzig, weil die Linie vorher nicht da war.
Heynckes reagierte auf die Situation und brachte Rudy für Vidal, der ebenfalls am Rande zum Platzverweis agierte (57.). Hasenhüttl brachte zeitgleich Demme für Augustin, womit die Ausrichtung etwas defensiver wurde.
Nur wenig später waren die Bayern wieder zum Wechsel gezwungen. Aufgrund der fehlenden Optionen musste Heynckes Martínez für den angeschlagenen Coman bringen, der erneut eine gute Vorstellung lieferte.
Im Mittelfeld gab es jetzt eine spannende Raumaufteilung zu beobachten, bei der meist eine 2-2-Staffelung entstand, die unterschiedlich besetzt wurde. Thiago nahm sich zudem die Freiheit, Comans Lücke auf dem Flügel situativ zu schließen.
Die Kontrolle war jetzt eher bei den Bayern. Lewandowski bekam in der 66. Minute die große Chance, als er alleine auf Gulácsi zulief. Doch der Pole schoss den Ball knapp vorbei. Der verrückte Spielverlauf nahm kein Ende. Nur eine Minute später zieht Poulsen den Elfmeter, den die Leipziger vorher nicht bekamen. Eine klare Fehlentscheidung, aber die Führung durch Forsberg.
Es lag nun an den Bayern, in den letzten gut 20-25 Minuten die Partie zumindest auszugleichen. Der Anfang schien schnell gemacht. Ausgerechnet Boateng, der beim Elfmeter noch von der Fehlentscheidung benachteiligt wurde, chippte den Ball gefühlvoll in den Strafraum, wo Thiago den Ausgleich per Kopf besorgte (74.).
Die Mannschaft von Jupp Heynckes lief nun zwar an, konnte sich jedoch kaum Chancen herausspielen. Leipzig verteidigte leidenschaftlich und wechselte nochmal. Für Poulsen kam Werner (81.). Auch Heynckes tauschte ein drittes Mal aus und brachte Rafinha für Tolisso (88.).
In der 90. Minute hatte Kimmich dann die Chance, den Siegtreffer zu erzielen. Das Spielgerät segelte jedoch knapp am Tor vorbei. Als auch Lewandowski die Entscheidung verpasste, war klar, dass es in die Verlängerung gehen würde.
Auch dort ging es weiter wie zuvor. Bayern nun mit Ballbesitz, mehr Kontrolle, aber ohne großer Idee im letzten Drittel. Die Leipziger hingegen gut sortiert und auf Konter lauernd, die sie hin und wieder auch bekamen.
So richtig eröffnet wurde die Verlängerung von den Bayern. Eine Doppelchance sorgte fast für die Führung, doch Gulácsi parierte sensationell (101.). Kurz danach wechselte Heynckes Wriedt ein, der für Thiago zu seinem ersten Einsatz für die Profis kam und fast direkt zum Helden wurde. Nach einer Ecke köpfte der 23-Jährige an die Unterkante der Latte.
Leipzig wurde immer müder und Bayern bekam gerade durch hohe Hereingaben Chance um Chance. Auch Lewandowskis Hundertprozentige parierte Guláscsi (105.). Der Pole scheiterte auch im zweiten Durchgang der Verlängerung knapp (107.). Es schien, als würde der Ball einfach nicht reingehen wollen.
So war es letztendlich auch. Leipzig erzwang mit einer sehr guten Leistung in Unterzahl das Elfmeterschießen gegen unkreative Bayern und das trotz des Chancenplus der Münchner nicht mal unverdient.
Nachdem alle Schützen trafen, war es Sven Ulreich, der Timo Werners Elfmeter parierte und den FC Bayern dann doch noch in die nächste Runde beförderte. Für die Münchner gibt es bis Samstag viel zu analysieren, der Sieg war nach der roten Karte aber verdient.
3 Dinge, die auffielen:
1. Der Heynckes-Plan
Schon vor der Partie war klar, was Jupp Heynckes bezwecken wollte. Vidal und Thiago stellten sich fast von selbst auf. Die Entscheidung zwischen Rudy und Tolisso fiel positiv für den Franzosen aus. Ganz einfach deshalb, weil Heynckes sich Stabilität gegen den Ball erhoffte. Mit einer 1-2-Staffelung sollte dem Zentrum etwas entgegengesetzt werden, das Leipzig so gerne für Pressingfallen öffnet. Zu Beginn waren die Aktionen der Münchner aber noch zu ungenau und so schnappte die Falle schon nach 10 Minuten dreimal zu.
Der mögliche Vorteil im Gegenpressing, den Thiago, Tolisso und gerade Vidal als eine Art Notnagel dahinter boten, wurde aber trotzdem schnell deutlich. Das Dreiermittelfeld gewann einige wichtige Zweikämpfe. Gerade wenn der Rekordpokalsieger dann mal im Angriffspressing war, machte sich die Unterstützung der beiden Achter neben Lewandowski bezahlt. Vidal stopfte die Lücken dahinter phasenweise fast alleine.
Die offensive Entlastung war jedoch zu selten gegeben. Bayern fand in dieser Konstellation die Wege nach vorne nicht und spielte sich damit entweder auf den Flügeln fest oder war zu viel Risiko gezwungen. Dadurch bekam Leipzig ab der 20. Minute einige Ansätze, die sich auch mit dem besten Pressing nicht immer verteidigen lassen. Es schien, als würden die Bayern ihre defensive Stabilität immer mal wieder verlieren, weil sie selbst spielerisch keine Ruhe rein bekamen und nach Ballverlusten unsortiert waren.
Im zweiten Durchgang funktionierte zumindest die Kontrolle etwas besser, was aber vor allem am Platzverweis für Keita lag. Bayern bekam mehr Überzahlsituationen und auch mit der ungeplanten Einwechslung von Martínez einen Viererblock im Mittelfeld, der für eine sichere Ballzirkulation sorgte. Allerdings war ohne Coman dann auch endgültig zu wenig Zug zum Tor da. Umso wichtiger war aber die Dominanz im Zentrum.
Hummels und Boateng schoben immer weiter in die gegnerische Hälfte, um die Verbindungen nach vorn zu kürzen. So entstand auch der wichtige Ausgleich. Wenn im Mittelfeld niemand die Bälle vertikal verteilen kann, muss es eben das Weltmeister-Duo richten. Auch Kimmich, der in der Schlussphase immer wieder einrückte, tat alles, um im Zentrum zu überladen. Später kam dann Rafinha, der den Weg für Kimmich ins Zentrum endgültig öffnete.
Leipzig verteidigte trotz Unterzahl sehr leidenschaftlich, wenngleich sie zwangsweise mehr Chancen zuließen. Das lag auch an Spielern wie Rudy, die spielerisch mehr Qualität mitbringen als Vidal oder Tolisso. Dazu zählt übrigens auch Javi Martínez, der erneut überzeugen konnte. Klar, er ist kein Thiago im Spielaufbau. Aber der Spanier war sicher, setzte seine Mitspieler gekonnt in Szene und sorgte vor allem für eine sehr gute Konterabsicherung. Im Vergleich zu Tolisso und Vidal zeigte er eine deutlich bessere Leistung. Am Ende hat der Plan von Jupp Heynckes nicht wirklich funktioniert. Es brauchte eine Verkettung von Umständen, um schließlich Kontrolle und Dominanz zu erhalten. Und selbst dann war der FC Bayern nicht in der Lage, die Partie nach spätestens 120 Minuten für sich zu entscheiden. Das wird den eigenen Ansprüchen nicht gerecht.
2. Leipzig zeigt den Bayern Grenzen auf
Es war das erwartete Spitzenspiel. Zwar blieben die ganz großen Chancen in vielen Phasen der Partie aus, doch das lag vor allem deshalb, weil beide Mannschaften gegen den Ball hervorragend eingestellt waren. Gerade RB Leipzig wusste im Pressing zu überzeugen. Mit dem variablen 4-2-2-2 waren die Münchner häufig überfordert. Selbst Hummels spielte manchmal unter Druck in die Zonen, in denen die Bayern dann klar in Unterzahl waren. Die Pressingfallen der roten Bullen schnappten somit gelegentlich zu.
Die Umschaltmomente wussten die Münchner dann aber meist zu verteidigen und so entstand eine Partie mit wenigen spielerischen Höhepunkten. Bayerns größte Schwächen wurden an diesem Abend aber von den Leipzigern erneut offenbart. Im Spielaufbau fanden Vidal und Tolisso nicht die richtigen Räume, um Hummels, Boateng und Thiago miteinander zu verknüpfen. So entstanden immer wieder Unterzahlsituationen auf den Flügeln oder in der Zentrale.
Leipzig verstand es gut, diese Situationen zu provozieren. Es gab höchstens Gefahr durch die Heynckes-Elf, wenn das Mittelfeld mal überbrückt werden konnte und Thiago, Coman, Robben oder Lewandowski Lücken fanden, die sich von Boateng oder Hummels erreichen ließen. Zu wenig, um einen Gegner auf diesem Niveau dauerhaft unter Druck zu setzen. Die bewusste Entscheidung, ein kompaktes und bissiges Mittelfeld aufzustellen, machte die Bayern selbst vorne ungefährlich.
Das machten die Leipziger über weite Phasen besser, indem sie nach Ballgewinnen schnell vertikal spielten und die Bayern so zur Reaktion zwangen. Viel Kontrolle gab es damit zwar auf keiner Seite, aber RaBa hatte deutlich mehr Zug zum Tor und war gleichzeitig in der Defensive stabil. Insgesamt waren sie dadurch auch das leicht bessere Team. Zumindest bis zum Platzverweis, der die Kräfteverhältnisse umkippen sollte. Doch auch danach verteidigte RaBa sehr aggressiv und kompakt. Die Hasenhüttl-Elf untermauerte, dass sie auf Augenhöhe mit den Bayern spielen können. Zwar blieb die offensive Entlastung mit zunehmender Spieldauer aus, doch wie sie dem Rekordpokalsieger das Leben schwer machten, war schon beeindruckend.
3. Dankbare Spielgeschichte
Bayern schien also lange Zeit nicht die passenden Antworten auf die Probleme zu haben, die Leipzig ihnen stellte. Erst mit dem Platzverweis änderte sich alles. Doch schon die Vorgeschichte war ziemlich spannend. Der nicht gegebene Elfmeter, die darauffolgende Fehlentscheidung zur Führung für Leipzig und dann der Platzverweis für Keita. Bayern profitierte am Ende wohl mehr von der unglücklichen Leistung des Schiedsrichters als Leipzig.
Schlussendlich geht es aber nicht darum, die Schiedsrichterleistung zu bewerten, sondern vielmehr darum, dass der FC Bayern diese Spielgeschichte fast schon brauchte, um die Kontrolle über das Spiel zu erlangen. Die eigenen Ansätze waren rar. Das lag natürlich auch an der Personalsituation, die Heynckes gerade gegen Ende der Partie einige Hürden aufstellte.
Doch speziell von Beginn an hätte man sich von den Münchnern eine bessere und kreativere Leistung erhofft. Sie wussten auch mit der Überzahl zu wenig anzufangen. Ja, es gab Chancen und Bayern hätte das Spiel frühzeitig entscheiden müssen, doch wirklich zwingend war vieles davon nicht. In München wird es eine große Steigerung brauchen, wenn man die drei Punkte holen möchte. Und Heynckes sollte dann genau darüber nachdenken, welche Konstellation er im Mittelfeld aufbietet.