Salihamidžic wird Sportdirektor: Merkwürdig träge
Hasan Salihamidžic hat sich in seinen neun Jahren als Spieler beim FC Bayern große Verdienste erworben. Auch nach seinem Karriereende im Jahr 2012 war er als Repräsentant der Münchner stets präsent. Mit ihm kehrt ein Publikumsliebling in prominenter Rolle zurück in den Verein.
Die Entscheidung für Salihamidžic verdeutlicht aber auch, dass die Münchner in Wahrheit keinen Sportvorstand mit starker Entscheidungskompetenz in strategischen Transfer- und Personalfragen gesucht haben, sondern eher einen Team-Manager. Als Bindeglied zwischen Mannschaft, Trainerteam, Nachwuchsabteilung, medizinischer Abteilung und Vorstand. Als Vertreter der Vereinsführung, der anders als Rummenigge und Hoeneß immer bei der Mannschaft ist und gleichzeitig auch einen gewichtigen Teil der Medienarbeit übernimmt. Einen Kümmerer.
Das ist für einen Weltverein wie den FC Bayern erstaunlich unambitioniert. Gewiss weiß der FC Bayern Scouting und Kaderplanung bei einem Fachmann wie Michael Reschke in guten Händen. Und doch würde ein Sportvorstand auf Augenhöhe, der durch seine Persönlichkeit und vielleicht sogar visionäre Ideen in der Lage ist, die Führungsriege immer wieder herauszufordern und anzutreiben dem Verein gut tun. Vor allem jetzt, da der FC Bayern auf europäischer Ebene Wege finden will, die sportliche Lücke zur absoluten Spitze wieder etwas zu schließen, ohne dafür finanzielle Abenteuer einzugehen.
Philipp Lahm und Max Eberl hätte man sich in dieser Rolle durchaus vorstellen können. Sicher auch Jörg Schmadtke. Vor allem Lahm machte schon als Spieler deutlich, dass er sich vertieft damit beschäftigt hat in welche Richtung sich der Verein in Zukunft entwickeln muss, um sportlich absolute Weltklasse zu bleiben. Warum die Münchner offenbar mit Eberl und Lahm Gespräche führten, aber nicht wirklich Ernst machten, ist eine von mehreren Fragen, die die Pressekonferenz zur Vorstellung von Salihamidžic offen ließ.
Rummenigge und Hoeneß bleiben unumstritten
Seit der Rückkehr von Uli Hoeneß lassen manche Entscheidungen und Äußerungen die sportliche Innovationsfreude vermissen, die den Club wirtschaftlich und in den letzten Jahren auch fußballerisch so groß gemacht haben. Der gesamte Prozess und letztlich auch die Entscheidung über den Sportdirektor-Posten gehören dazu.
Salihamidžic, der seine neue Aufgabe sicher mit dem gleichen Engagement bearbeiten wird wie früher Roberto Carlos, ist das nicht vorzuwerfen. Er wird die Chance bekommen zu beweisen, dass er wie bei seiner Verpflichtung als Spieler im Jahr 1998 positiv überraschen kann. Dass der Sohn des Bosniers in Bayerns U15 aktiv ist, spricht dafür, dass er die Strukturen und mögliche Defizite im Nachwuchsbereich bereits gut kennt. Als Markenbotschafter des Vereins hat er zuletzt immer häufiger repräsentative Aufgaben übernommen. Medial ist er unter anderem durch seine Tätigkeit als TV-Experte ohnehin bewandert, sympathisch und eloquent. Als glaubwürdiger Vermittler und interner Kommunikator muss er sich nun beweisen. Im Bereich Transfers und Scouting wird er auf die bestehenden Strukturen aufbauen können und das Geschäft als Teil eines größeren Transfergremiums erlernen müssen. Ob er in die Rolle eines starken Sportdirektors oder Sportvorstands mit Gestaltungskraft hineinwachsen kann ist offen. Ob er es überhaupt soll allerdings auch.
An der nach wie vor vorherrschenden Dominanz der Doppelspitze Hoeneß/Rummenigge ändert sich auf absehbare Zeit jedenfalls nichts. Der Übergang in der Führungsetage, der im Bereich Finanzen und Marketing längst vollzogen ist, wird für den sportlichen Bereich erneut vertagt. Neue, innovative Impulse sind erst einmal nicht zu erwarten. Es wirkt als sehne sich die Vereinsspitze nach anstrengenden Jahren mit gleichsam rastlosen wie herausfordernden Charakteren wie Guardiola und Sammer nach Erholung.
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Dazu passen die Personalentscheidungen der jüngeren Vergangenheit. Hermann Gerland, als Leiter des Nachwuchsleistungszentrums, Willy Sagnol als Co-Trainer, und nun Salihamidžic als Sportdirektor. Allesamt Wohlfühllösungen. Die Familie bleibt zusammen. Aufbegehren wird von ihnen keiner. Schon die Verpflichtung von Carlo Ancelotti versprach vor allem mehr Ruhe und Harmonie.
Sicher: Der Kader der Münchner ist zu gut, um sich ernsthaft Sorgen über die sportliche Perspektive zu machen. Und doch sollten sich die Entscheider beim FC Bayern bewusst sein, dass Trägheit und fehlende Innovationsfreude in einer sich stetig wandelnden Branche wie dem Profifußball manchmal schneller bestraft werden, als man denkt.