FC Bayern München – Bayer 04 Leverkusen 2:1 (1:1)
Gegen Leverkusen steht am Samstagabend das nächste Top-Spiel auf dem Plan. Da Konkurrent Leipzig erneut an einem Freitagabend gewonnen hatte, ist der Abstand auf die Spitze vor dem Spiel bereits auf sechs Punkte angewachsen.
Falls ihr es verpasst habt:
Carlo Ancelotti nimmt erwartungsgemäß einige Änderungen in der Aufstellung vor. Neuer, Hummels, Martinez und Alonso kehren in die Mannschaft zurück. Thomas Müller darf ebenfalls wieder von Beginn an spielen.
An der taktischen Grundformation, welche zuletzt aufgrund der wenigen Tempowechsel und dem statischen Spielaufbau viel Kritik erntete, ändert sich nichts. Einzig die Rochaden von Lahm und Kimmich ist auffällig. In der ersten Halbzeit wechselten beide je nach Spielsituation die Position. Überwiegend ist Lahm auf der Acht, aber hin und wieder übernimmt Kimmich diese Position.
Leverkusen setzt auf das bekannte 4-2-2-2 Pressing. Bemerkenswert ist der Einsatz von Havertz, der aufgrund seiner Zweikampfstärke den Vorzug vor Volland bekommt. Auf der Bank sitzt neben ihm etwas überraschend auch Chicharito. Für ihn stürmt Mehmedi. Hier gilt wohl das gleiche Argument wie bei Havertz.
Wenig überraschend indes ist der Spielverlauf. Leverkusen presst hoch und versucht viel Druck auf den bayerischen Spielaufbau zu machen. Alonso, aber auch Martinez und Hummels, werden konsequent angelaufen. Carlo Ancelotti versucht die Spielweise etwas zu kontern, indem die Außenverteidiger, namentlich Alaba und Kimmich, sehr hoch schieben. Sie stehen fast auf einer Höhe mit den Außenstürmern. Dadurch kann Leverkusen das Pressing nicht ganz so aggressiv spielen, weil die Außenverteidiger Wendell und Henrichs sich defensiver positionieren.
Trotzdem ist es zunächst Leverkusen, das die besseren Chancen hat. Meist nach einfachen Ballverlusten der Münchner im Zentrum. Die Erste bereits in der zweiten Spielminute, als Brandt Calhanoglu bedient, doch sein Abschluss vom linken Strafraumeck zu ungenau ist.
Die Bayern versuchen in der Anfangsphase viel über lange Bälle und damit das sehr stark verschiebende Pressing der Leverkusener zu umspielen. Alonso und Hummels schlagen einen langen Ball nach dem anderen, doch weil die Münchner zum Teil schlecht aus dem Mittelfeld nachschieben, verpuffen die zum Teil doch sehr guten langen Schläge.
Die Münchner haben ihre erste Chance in der 12. Minute, als Lewandowski relativ frei im Strafraum an den Ball kommt. Allerdings steht er mit dem Rücken zum Tor und versucht sich zu drehen, anstelle auf den heranrückenden Alaba abzulegen. Die Möglichkeit versandet, weil Henrichs den Schuss von Lewandowski letztlich ohne Probleme blocken kann.
Mitte der ersten Halbzeit verflacht die Partie zunehmend, bzw. wohlwollend ausgedrückt, verlagert sie sich zunehmend ins Mittelfeld. Es gelingt keiner Mannschaft sich Feldvorteile zu erspielen. Den Bayern gelingt es nicht, sich nachhaltig ins letzte Drittel zu kombinieren. Die wenigen Ausnahmen enden meist mit ungenauen Flanken von der linken Seite. Leverkusen auf der Gegenseite hat zwar verhältnismäßig viel Ballbesitz – zwischen 35 und 40% – kann sich aber in den längeren Ballbesitzphasen auch nicht durch das 4-4-2 Defensivsystem der Münchner kombinieren.
Die Bayern erzielen in der 30. Minute etwas überraschend die 1:0 Führung. Nach einer erneuten Flanke von Alaba klärt die Hintermannschaft von Roger Schmidt nicht, so dass Kimmich am zweiten Pfosten den Ball nochmals ins Zentrum bringen kann. Dort findet er den aufgerückten Lahm, der erwartungsgemäß an Leno scheitert, doch Thiago kann den Abpraller im Tor unterbringen.
Nur 120 Sekunden später hat der FC Bayern erneut eine gute Chance. Lewandowski kommt nach einem ganz ähnlichen Spielzug wie beim 1:0 zum Abschluss. Leno pariert erneut ins Zentrum und diesmal köpft Kimmich. Sein Ball trifft die Querlatte. Ein Treffer hätte aber ohnehin nicht gezählt, da Kimmich im Abseits stand.
Die Führung der Münchner hält aber nicht lange, da erneut ein krasser individueller Fehler ein Gegentor für die Mannschaft von Carlo Ancelotti einleitet. Kimmich verliert einen 50:50 Zweikampf als Achter gegen Wendell. Dieser spielt einen vertikalen Pass auf Calhanoglu, der Lahm einfach aussteigen lässt. Brandt nimmt den Querpass von Calhanoglu ohne weiteres auf, da er schneller als Alonso ist. Sein Doppelpass findet Calhanoglu, da Martinez rausrückt und versucht zu reparieren, was nicht mehr zu reparieren ist. Der türkische Nationalspieler nutzt seine brillante Schusstechnik und verwandelt mustergültig aus 14 Metern.
So ging es mit dem 1:1 in die Kabine. Die Münchner haben seit der 15. Minute die Partie weitestgehend kontrolliert, doch beraubten sich durch einen abermals individuellen Fehler in der Hintermannschaft leichtfertig der Führung.
Ohne Wechsel kommen beide Mannschaften zurück aus der Kabine. Leverkusen presst nun nicht mehr so aggressiv wie in den ersten 45 Minuten. Dadurch ergeben sich für die Münchner eine Reihe von Flanken. In der 56. nutzen die Münchner mal einen guten Umschaltmoment. Alonso spielt einen klugen Vertikalpass auf Douglas Costa. Dieser ist frei durch, scheitert aber mit einem zentralen Abschluss an Leno. Die anschließende Ecke bringt Bayern dann aber die Führung. Kimmich findet den frei mitten im Strafraum stehenden Hummels. Dieser muss nicht mal hochspringen und kann den Ball aus dem Stand zum 2:1 einköpfen.
Die Führung gibt den Münchnern aber keinerlei Sicherheit. Auch die frühen Einwechslungen von Robben und Ribery für den erneut glücklosen Müller und Douglas Costa sorgen nicht für Entlastung. In den letzten 15 bis 20 Minuten verteidigten die Bayern den Sieg am eigenen Strafraum. Die Münchner Kontersituationen wurden teilweise kläglich verspielt. Am ehesten lässt sich das in der Passquote der eingewechselten Flügelzange ablesen. Robben kam nur auf 50%. Ribery auf 72,5%. Ballgewinne wurden schlichtweg zu schnell hergeschenkt.
In der 82. Minute schlägt Tah einen langen Ball und überspielt die komplette Defensive. Martinez muss den diagonal einlaufenden Volland verteidigen. Neuer eilt derweil aus dem Tor und versucht Volland zu stören, wird aber überlupft. Volland ersprintet seinen eigen Lupfer und scheitert aus sehr spitzem Winkel am Außennetz. Zuvor, daß zeigen die Zeitlupen recht deutlich, war aber Martinez mit der Hand am Ball. Ein Elfmeter und eine rote Karte für Martinez wären hier wohl die richtige Entscheidung gewesen.
In der 92. Minute zittern die Bayern-Fans erneut. Calhanoglu tritt aus 22 Metern zum Freistoß an. Sein scharfer Schuss gerät aber zu zentral. Neuer kann den Ball ohne Probleme halten. Das war die letzte Aktion des Spiels.
Der FC Bayern gewinnt am Ende aufgrund des Handspiels von Martinez glücklich mit 2:1 und verkürzt den Rückstand auf Leipzig auf 3 Punkte.
3 Dinge, die auffielen:
1. Javi “Diego” Martinez
71% gewonnene Zweikämpfe verzeichnet die Statistik für Javi Martinez. Der Spanier, der in den vergangen Wochen verletzungsbedingt fehlte, knüpfte fast nahtlos an die Leistungen davor an. Und die war gut – phasenweise sogar sehr gut. Steht Martinez auf dem Platz – egal, ob neben ihm Hummels oder Boateng spielen, die Abwehr wirkt stabiler. Martinez findet meist den richtigen Moment des Eingreifens. Das fehlt gegenwärtig den meisten seiner Kollegen. Aber auch das gute Raumgefühl macht sich bezahlt. Drei Interceptions, eine Klärung und zwei geblockte Schüsse zeugen von einem guten Spiel.
In der 82. Minute rettet Javi Martinez dann noch einen halb selbst verursachten Stellungsfehler durch ein klares Handspiel. Er hatte Glück, dass der Schiedsrichtergespann dieses nicht gesehen hat. So paradox es klingt, es war dennoch eine wichtige Aktion, da es letztendlich den Sieg für die Bayern bedeutet hat. Obgleich dieser eher mit sportlichen als mit unsportlichen Mitteln errungen werden sollte.
2. Silver Surfer im Mittelfeld
Xabi Alonso ist seit ein paar Tagen 35. Philipp Lahm, der sich wohl eher früher als später Sportvorstand nennen darf, ist mittlerweile 33. Beide sind in einem gesetzten Alter für Fußballer. Man merkt ihnen gerade in dieser schwierigen Phase an, dass sie das Tempo nicht mehr über die volle Distanz gehen können. Lahm hat als Achter bzw. Rechtsverteidiger keinen Zweikampf in dieser Partie gewonnen. Vor dem Ausgleich hatte er die Chance Calhanoglu zu stoppen, doch scheitert, dass er dabei noch ausrutscht versinnbildlicht seine aktuelle Situation. Auch Alonso hätte nochmals eingreifen können, kam aber aufgrund seiner fehlenden Schnelligkeit erst gar nicht in die Verlegenheit. Alonso indes gewann immerhin 71% seiner Zweikämpfe, doch auch er baute mit fortschreitender Spieldauer merklich ab. Zwar leitete sein Zuspiel auf Costa mehr oder weniger das 2:1 der Münchner mit ein, doch nach wie vor ist sein Spiel im Herbst 2016 zu fehleranfällig. Gerade als die Mannschaft die Führung mit Ruhe hätte über die Runden spielen sollen, kam von Alonso im Mittelfeld schlichtweg zu wenig. Das Notfoul in der Nachspielzeit unterstreicht diese These eindeutig.
Ancelotti hat hier nach wie vor ein Problem. Er findet nicht die richtige Mischung. Provokant könnte man fragen, wie ein Mittelfeld mit einem 35- und 33-Jährigen funktionieren soll. Einerseits will und kann er wohl nicht auf die Stärken, die Lahm und Alonso noch immer einbringen verzichten, aber andererseits hat er bisher noch kein Konzept die Schwächen der Silver Surfer zu kaschieren. Pep Guardiola löste das mit viel Ballbesitz. Über kurz oder lang wird Ancelotti nicht an taktischen Änderungen vorbei kommen, wenn er nicht personell reagieren will.
3.Flanken, Flanken & Flanken
Nur 13 Schüsse gaben die Münchner gegen Leverkusen ab. Für ein Heimspiel ein extrem niedriger Wert. Roger Schmidt hat seine Mannschaft sehr gut eingestellt und ließ lediglich ein Einfallstor auf der linken Seite offen. Alaba und Costa kamen je auf sechs Flanken. Die meisten waren schlichtweg zu ungenau, auch wenn das 1:0 mehr oder weniger durch eine Alaba-Flanke eingeleitet wurde. Warum die Münchner weiterhin auf diese Taktik setzen, ist nicht zu erklären. Dadurch schaffen sie es nicht, ihren Zielspieler Robert Lewandowski und mit abstrichen Thomas Müller in Abschlusspositionen zu bringen. Lewandowski kam nur auf einen Torschuss und dieser wurde auch noch geblockt. Nach wie vor fehlt es an Dynamik und Tempowechseln in Ballbesitzphasen. Das Zentrum, welches mit Thiago und Kimmich/Lahm durchaus kreativ besetzt war, ist offensiv zu schlecht eingebunden. Lücken werden nicht konsequent genug bespielt. Ancelotti wollte dies in dieser Partie etwas auflösen, indem Lewandowski diesen Raum als hängende Spitze besetzte. Das ging insofern auf, dass sich die Münchner etwas weiter kombinieren konnten, da Lewandowski eine sehr gute Relais-Station ist, aber natürlich fehlt im Zentrum dann ein Abschlussspieler.
Ancelotti muss auch hier ansetzen und mehr Abschluss-Aktionen generieren. Immerhin waren in dieser Partie die Standardsituationen der Münchner gefährlich. Zum ersten Mal in dieser Saison konnten die Münchner vom Einkauf von Mats Hummels profitieren. Immerhin wird der Sieg ihm etwas Ruhe unter der Woche verschaffen. Eine Verbesserung nach Dortmund und Rostov war ohnehin nur punktuell zu erwarten, fand aber nur in wenigen Spielphasen statt.
FC Bayern München – Bayern 04 Leverkusen 2:1 (1:1) | |
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FC Bayern München | Neuer – Kimmich, Martínez, Hummels, Alaba – Lahm, Alonso, Thiago (81. Vidal) – Müller (65. Robben), Lewandowski, Costa (74. Ribéry) |
Bank | Ulreich – Rafinha, Bernat, Sanches |
Bayer 04 Leverkusen | Leno – Henrichs, Tah, Dragovic, Wendell – Kampl, Aranguiz – Havertz, Calhanonglu – Brandt (59. Volland), Mehmedi (59. Chicharito) |
Bank | Özcan – Baumgartlinger, Jedvaj, Da Costa |
Tore | 1:0 Thiago (30.), 1:1 Calhanoglu (35.), 2:1 Hummels (56.) |
Karten | Gelb: keine |
Schiedsrichter | Marco Fritz (Korb) |
Zuschauer | 75.000 (ausverkauft) |