FC Bayern: „We’re going with Sabitzer“

Justin Trenner 30.08.2021

Oliver Kahn bezeichnete den Kader des FC Bayern kürzlich als „exzellent“. Es lag auf der Hand, dass das sehr euphorisch formuliert war. Einen Punkt hat der neue Vorstandsvorsitzende dennoch. Auch wenn der Kader breit ausdiskutiert wird: Wer es sich in der Bundesliga erlauben kann, Spieler wie Eric Maxim Choupo-Moting, Kingsley Coman oder Leroy Sané von der Bank zu bringen, sollte sich nicht beschweren. Zumal Marc Roca, Lucas Hernández und Benjamin Pavard aktuell nicht mal zur Verfügung stehen.

Manchmal wird die Diskussion zu sehr so geführt, als wäre der FC Bayern in dieser Konstellation nicht konkurrenzfähig. Das ist keinesfalls so. In der Spitze stellen die Münchner elf, vielleicht sogar vierzehn Spieler, die in Europa und auf der Welt jeden Gegner schlagen können.

Dahinter wird es insbesondere bei einigen Verletzungen oder Formschwächen etwas dünner. Und deshalb war trotz aller Komplimente und Selbstbeweihräucherung immer zwischen den Zeilen zu lesen und zu hören, dass der FC Bayern bereit ist, nochmal etwas Geld in die Hand zu nehmen.

Marcel Sabitzer: Ein echter Steal?

Gerüchte gab es viele, aber keines kristallisierte sich in den vergangenen Tagen so klar als wahr heraus wie jenes um Marcel Sabitzer. Der Ex-Kapitän der Leipziger hatte nur noch ein Jahr Vertrag und auch der finanzstarke Red-Bull-Konzern hat das Geld in Zeiten von Corona nicht so locker zu sitzen, dass man ihn einfach ablösefrei hätte gehen lassen können – zumal Sabitzer selbst seinen Wechselwunsch schon vor einigen Tagen hinterlegt hatte.

Interessenten gab es dem Vernehmen nach einige, laut Fabrizio Romano gab es drei Klubs in der engeren Auswahl des Spielers. Für Sabitzer, der schon mal verlauten ließ, dass er FC-Bayern-Fan war und ist, war München jedoch stets das präferierte Ziel.

Sabitzer, das wurde am Stammtisch des Doppelpass am Sonntag wieder überdeutlich, ist ein stark unterschätzter Fußballer. Er sei nicht die „Bombe-Bombe“, sagte beispielsweise Sport1-Experte Stefan Effenberg. Dabei zeigt er aber schon seit Jahren auf hohem Niveau, dass er ein sehr guter Spieler ist. Er ist torgefährlich, technisch stark, übernimmt Verantwortung und ist fast immer anspielbar. Sein präzises Passspiel passt optimal in die Philosophie von Julian Nagelsmann und auch gegen den Ball ist er ein wertvoller Spieler.

Ein Hauch von Modrić

2017 wurde Sabitzer sogar nach sechs Jahren Dominanz von David Alaba als Fußballer des Jahres in Österreich ausgezeichnet – eine kleine Sensation. Seine Konstanz ist in den letzten Jahren bemerkenswert gewesen. Er entwickelte sich in Leipzig zum Führungsspieler und zum Dreh- und Angelpunkt des Mittelfelds.

Sabitzer kann vorangehen, eine Mannschaft lenken und er kann aus der Tiefe heraus Torgefahr erzeugen – mit Fernschüssen, Steckpässen und Läufen. Ein großes Plus dürfte es für den FC Bayern sein, dass er flexibel einsetzbar ist. Er kommt nicht als Sechser oder als Achter, sondern als vielseitiger Mittelfeldspieler.

Sabitzer hat sogar schon häufiger als offensiver Außenspieler agiert, wenngleich seine Stärken klar im Zentrum liegen. Vom Spielstil her lässt sich der Österreicher ein wenig mit Luka Modrić vergleichen. Im ersten Moment mag das hochgestochen anmuten, aber Sabitzer muss sich trotz kleiner Qualitätsunterschiede keinesfalls verstecken. Beide sind dafür bekannt, aus tieferen Positionen des Mittelfelds heraus die Fäden zu ziehen und mit kurzen Dribblings für geniale Momente zu sorgen.

Sabitzer kommt nicht als Bankdrücker

Beim FC Bayern dürfte Sabitzer auf Anhieb Teil der ersten 13 oder 14 Spieler sein. Seine Konkurrenz im Mittelfeld ist groß, aber mit Nagelsmann hat er nicht nur einen entscheidenden Fürsprecher, sondern auch einen Trainer, dem zuzutrauen ist, dass er taktische Grundordnungen findet, in denen alle ausreichend Minuten sammeln werden. Sabitzer kann Sechser, Achter, Zehner, Halbraumzehner und einiges mehr spielen, was dem Trainer die Möglichkeit verschafft, perspektivisch auch mal auf eine Mittelfeldraute oder eine andere zentrumsfokussierte Grundordnung zurückzugreifen.

Sabitzer ist jedenfalls niemand, der sich zufrieden auf die Bank setzen und abwarten wird, bis er den Kimmichs und Goretzkas Pausen verschaffen kann – und das ist auch gut für den FC Bayern. Denn diese Qualität an Spielern braucht es, um den Kader voranzubringen. Es ist sicher ein wichtiger Aspekt des Transfers, dass die Dauerläufer im Mittelfeld Entlastung bekommen, zugleich wird Sabitzer aber auch dafür sorgen, dass seine Konkurrenten und Mitspieler Topleistungen abrufen müssen, um weiter unangefochten zu bleiben.

Mit diesem Transfer sorgen die Bayern dafür, dass ihr Mittelfeld tatsächlich „exzellent“ besetzt ist. Und Sabitzer, so viel steht fest, hat ausreichend Qualität, um die eine oder andere kritische Stimme schnell verstummen zu lassen. Wer glaubt, dass der 27-Jährige kein Top-Transfer ist, könnte schon bald überrascht werden. Sabitzer war in Leipzig und auch für Österreich schon oft der unbesungene Held.

Gut für die Bayern, schlecht für die Liga

Deshalb hat der Wechsel für die Bundesliga natürlich auch ein kleines Geschmäckle. Denn er zeigt abermals, wohin sich die Liga entwickelt hat. Es ist sicher nicht verwerflich, dass der FC Bayern sich bei der direkten Konkurrenz bedient. So funktioniert der Transfermarkt und so funktioniert das gesamte System. Dortmund kauft in Gladbach, Bayern in Leipzig und Dortmund. Dass es für die Münchner aber so einfach ist, drei tragende Säulen des letztjährigen Vizemeisters zu holen, ist ein bemerkenswerter Status-quo, der erneut offenbart, wie weit der Rekordmeister enteilt ist. Dass das aus neutraler Sicht ernüchternd ist, ist nachvollziehbar.

Vielleicht trägt dieser Umstand auch entscheidend dazu bei, dass Sabitzer nicht als „Bombe-Bombe“ betrachtet wird – was auch immer das bedeuten soll. Allerdings sagt das mehr über die öffentliche Wahrnehmung als über den Spieler selbst aus. Einen Fußballer mit dieser Qualität und im besten Alter für rund 15 Millionen Euro Ablösesumme (plus Gehalt und weitere Vereinbarungen) zu verpflichten? Für ähnliche Konditionen wurden schon schwächere Spieler transferiert, die öffentlich als „Steal“ gefeiert wurden.

Für den FC Bayern ist Sabitzer ganz ohne Übertreibung eine Riesenverstärkung. Für den nationalen Konkurrenzkampf an der Spitze der Bundesliga ist es hingegen ein weiterer Rückschlag. Das jedoch wäre ein Thema, das einen eigenen Artikel verdient hätte. Denn die Kritik sollte sich nicht an den FC Bayern richten, sondern die Frage in den Vordergrund stellen, wie man den Wettbewerb verstärken kann, ohne eine Schwächung der Münchner zu forcieren. Eine Meisterschaft, die nur spannend ist, weil die Bayern schwächer werden, dürfte nicht im Interesse der DFL liegen.



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