Bayern gegen Gladbach erneut ohne Sieg – aber mit weiteren Erkenntnissen

Justin Trenner 28.07.2021

Bei der Generalprobe zum Bundesliga-Auftakt ging es sowohl für die Bayern als auch für Gladbach darum, weiter Fahrt aufzunehmen. Auch wenn beide Mannschaften Teams auf den Rasen schickten, die in dieser Konstellation eher nicht am 1. Spieltag der Bundesliga auflaufen werden.

Julian Nagelsmann kündigte vor dem Spiel im Vergleich zu den anderen Partien Veränderungen an. Damit meinte er vor allem den taktischen Bereich und nannte „höheres Pressing“ und eine „Grundformation, die wir so noch nicht gespielt haben.“ Personell gab es hingegen nur wenige Anpassungen. Ron-Thorben Hoffmann und Malik Tillmann rückten in die Startelf.

Vom 4-2-3-1 wechselte Nagelsmann auf ein 4-1-2-3 mit Zirkzee als rechtem Flügelspieler und Tillman auf links. Im Dreiermittelfeld rückten Cuisance und Rhein von der Doppelsechs auf eine Doppelacht. Hinter ihnen begann überraschend Stanišić. Hinten änderte sich wenig. Links startete Omar Richards, rechts Bouna Sarr, innen wurde Upamecano von Nianzou unterstützt.

Bei Gladbach fehlten einige Spieler noch verletzt. In einer 4-4-1-1-Grundordnung brachte Trainer Adi Hütter unter anderem junge Spieler wie Scally, Bennets, Beyer oder Schroers.

Falls Ihr es verpasst habt

1. Halbzeit

In der ersten halben Stunde des Spiels hatten die Bayern zwar die Spielkontrolle, aber ohne Druck auf das Gladbacher Tor zu entwickeln. Die einzigen beiden nennenswerten Abschlüsse waren ein Choupo-Moting-Freistoß und ein ungefährlicher Schuss der Gladbacher.

In der 31. Minute gab es dann den ersten kleinen Aufreger: Tillman war nur eine Eins-gegen-eins-Situation davon entfernt, frei auf das Tor zuzulaufen. Er legte den Ball an Gladbachs Innenverteidiger Beyer vorbei und wurde anschließend zu Fall gebracht. Der Schiedsrichter pfiff jedoch keinen Elfmeter. Zirkzee erarbeitete sich kurz darauf noch einen Abschluss, der im Außennetz landete.

Und auch die nächste gute Chance gehörte den Bayern. Von links flog ein stark getretener Cuisance-Freistoß mit viel Effet in den Strafraum der Gäste. Nianzou verpasst mit dem Fuß allerdings knapp (38.). Deshalb ging es mit einem 0:0 in die Pause.

2. Halbzeit

Eigentlich bestätigte sich das Bild der leicht besseren Bayern im zweiten Durchgang. Die Führung erzielte aber Gladbach. Nach einer Flanke war es Wolf, der völlig frei einschießen konnte (59.). Pünktlich zur 60. Minute wechselte Nagelsmann dann wieder die komplette Feldspielerbesetzung aus. Neu mit dabei:

  • Gnabry, Chris Richards, Motika, Mamedova, Wenig, Vidovic, Vita, Lawrence, Booth und Mosandl

Auch Gladbach wechselte irgendwann seine Jugendspieler ein und so hatte die Schlussphase eher was von einem A-Jugend-Spiel. Bayern war nochmal bemüht darum, den Ausgleich zu erzielen, doch die Borussia kam ihnen zuvor. In der 76. Minute traf Wentzel nach einer weiteren Flanke.

Rhythmus und Luft waren nun etwas raus. In der 86. Minute gab es aber nochmal die Gelegenheit für die Bayern, die Schlussphase spannend zu machen. Allerdings stand Gnabry bei seinem Treffer knapp im Abseits. Und so gab es im dritten Spiel die zweite Niederlage für die Münchner. Auch wenn das Ergebnis klar im Hintergrund steht.

Trotzdem: Die jungen Spieler wussten erneut zu überzeugen und einige von ihnen zeigten, warum sie mit den Amateuren aktuell so erfolgreich sind.

Dinge, die auffielen

1. Flexibler Spielaufbau

Die Bayern zeigten sich gegen Gladbach in Probierlaune. Gerade mit der Positionierung der Außenverteidiger scheint Nagelsmann aktuell viel zu experimentieren. Je nach Situation standen sie mal breiter und mal enger. Mal stand einer hoch und einer tief, mal aber auch einer eng und einer breit. Das variierte je nach Druck des Gegners und Ballposition. In der Anfangsphase gab es mindestens eine Situation, in der die Bayern insgesamt extrem kompakt im eigenen Ballbesitz agierten.

Vorteilhaft an dieser Struktur ist einerseits die Nähe aller Spieler zum Ball. Dadurch sind die Spieler bei Ballverlusten sofort in guten Positionen für ein direktes Gegenpressing. Aber auch für die Ballzirkulation ist die enge Raumaufteilung förderlich, solange die Spieler sich nicht gegenseitig auf den Füßen stehen. Ein taktisches Prinzip von Nagelsmann war in dieser Situation aber sehr gut zu sehen: So breit wie nötig, aber nicht so breit wie möglich.

In einer anderen Szene kurz vor der Pause arbeiteten die Bayern mit asymmetrischen Außenverteidigern. Durch die hohe Positionierung der Achter und den einrückenden Zirkzee überluden sie das letzte Drittel. Gladbach reagierte mit einer deutlich engeren Viererkette und Sarr konnte deshalb in den Raum auf der rechten Seite starten. Der anschließende lange Ball war allerdings einen Tick zu lang.

Die variablen Laufwege der Bayern-Spieler führten dazu, dass sie für Gladbach schwer zu greifen waren. Trotz einigen Versuchen gab es für die Gäste nur wenige hohe Ballgewinne und wenn, dann war die Absicherung meist gut. Das lag auch an einer sehr spielstarken Innenverteidigung der Bayern. Nianzou und Upamecano spielten viele kluge Bälle. Zwar funktionierte noch nicht alles mit der für den Bundesliga-Alltag notwendigen Präzision, aber das liegt auch an der Personalsituation und dem aktuellen Stand der Vorbereitung.

2. Omar Richards

Auf der linken Seite agierte jetzt zum dritten Mal der Neuzugang Omar Richards. Zweimal startete er als Außenverteidiger, einmal als Flügelangreifer. In allen Partien zeigte sich seine Risikobereitschaft. Er scheut weder Zweikämpfe noch Einzelaktionen in der Offensive. Sein Stellungsspiel ist in manchen Situationen noch ausbaufähig, aber mit seiner Geschwindigkeit und einer guten Antizipation konnte er vieles reparieren.

Technisch hat Richards durchaus die Qualität, um der Mannschaft weiterzuhelfen. Seine Vorstöße sind gut gewählt und führen immer dazu, dass Gegenspieler aus ihrer Position gezogen werden. Auch wenn er ins Zentrum eingerückt ist, machte er einen soliden Eindruck, was Übersicht, Positionierung und Passspiel anbelangt.

Allerdings ist die Streuung in seinen Aktionen noch sehr groß. Er wird weitere Eingewöhnungszeit bekommen müssen und wahrscheinlich auch bekommen. Alphonso Davies wird den Bayern noch ein paar Wochen fehlen. Die ersten drei Spiele waren zwar nicht spektakulär, aber seine Anlagen sind vielversprechend.

3. Der tiefe Choupo-Moting

Als ältester Spieler der Startelf wusste Eric Maxim Choupo-Moting erneut zu überzeugen. Er war in allen drei Partien ein wichtiges Puzzleteil für Nagelsmann. Mit seiner Erfahrung und Gelassenheit konnte er den jungen Spielern um sich herum eine gute Stütze sein.

Auch taktisch scheint Choupo-Moting gut zu Nagelsmann zu passen. Mit seiner Spielintelligenz und seinen technischen Fähigkeiten ist er ein guter Anspielpunkt, um das Mittelfeld bei Bedarf gelegentlich zu überbrücken. Dafür lässt der Stürmer sich häufiger mal in den Zehnerraum fallen.

Gerade weil nicht immer alles mit Kurzpässen zu lösen ist, ist eine wuchtige, aber technisch starke Option im Angriff in Abwesenheit von Robert Lewandowski sehr wichtig. Es zeichnet sich jetzt schon ab, dass Choupo-Moting auch in dieser Saison ein wichtiger Rotationsspieler sein kann.

4. Weitere Beobachtungen

  • Das angekündigte hohe Pressing war nichts im Vergleich zu dem, was unter Hansi Flick teilweise angeboten wurde. Das war vor allem für die Defensive auch gut so. Die Bayern fanden gegen Gladbach in den meisten Spielphasen eine sehr gute Balance aus Offensivdruck und defensiver Absicherung. Sowohl horizontal als auch vertikal standen sie kompakt, aber nicht zu kompakt. Lange Bälle hinter die Kette gab es kaum, Gladbacher Seitenverlagerungen verpufften ebenfalls häufig. Zwei Probleme, die das Flick-Pressing hatte, schienen zumindest in der Partie keine zu sein. Die andere Seite der Medaille: Das Pressing war weniger spektakulär und es gab weniger hohe Ballgewinne.
  • Defensive Schwächen gab es hingegen in allen drei Testspielen nach Flanken. Gerade im Rücken der Spieler schaffen es immer wieder Gegenspieler, sich davon zu schleichen. Beim 0:1 stand Upamecano beispielsweise allein gegen zwei Gladbacher. Hier wird Nagelsmann nochmal nachjustieren müssen.
  • Offensiv erarbeiteten sich die Bayern aus ihrem Ballbesitz heraus zu wenige Chancen. Das lag auch daran, dass Rhein und Cuisance im letzten Drittel zu wenig Präsenz zeigten. Zwar waren sie wichtige Stützen für die Mannschaft im ersten und im zweiten Drittel, aber vorn fehlten zu oft die Anspieloptionen, um schnell hinter die gegnerische Kette zu kommen. Zwei-, dreimal gelang es den Bayern zwar, mit zwei Pässen die Seite zu verlagern, aber dann kam zu selten eine passende Anschlussaktion.
  • Trotzdem ist der Mannschaft die Spielfreude anzumerken. Viele Kombinationen auf engem Raum und die Bereitschaft für ein intensives Freilaufverhalten sind eine gute Basis für weitere Fortschritte. Es ist jetzt schon zu erkennen, dass es nicht nur ein oder zwei Angriffsmuster gibt, sondern verschiedene Optionen für verschiedene Gegner.



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