Gladbach-Bayern

Borussia Mönchengladbach – FC Bayern 3:1 (0:0)

Steffen Trenner 05.12.2015

Es war die erste in dieser Bundesliga-Hinrunde. André Schubert und sein Team haben Guardiola und dem FC Bayern einige Dinge zum Nachdenken auf den Weg mit nach Hause gegeben.

Falls ihr es verpasst habt:

Verletzungssorgen prägten die Woche des FC Bayern vor dem Aufeinandertreffen mit Borussia Mönchengladbach, der sich in den vergangenen Jahren zu einem kleinen Angstgegner der Münchner entwickelt hat. Nur drei der letzten acht Duelle in der Bundesliga konnten die Roten für sich entscheiden. Auch deshalb war etwas mehr Anspannung als sonst vor einem Liga-Spiel zu spüren.

Mit David Alaba, Douglas Costa, Thiago und Arjen Robben fehlten vier Spieler, die in den wichtigen Spielen zuletzt immer gesetzt waren. Guardiola hatte so deutlich weniger Auswahlmöglichkeiten als gewöhnlich. Zum ersten Mal seit Januar 2014 brachte der Coach zum zweiten Mal in Folge die gleichen elf Spieler von Anfang an. Im Vergleich zum Sieg gegen Hertha in der Vorwoche tauschten Javi Martínez und Jerome Boateng allerdings die Rollen. Martínez begann von Beginn an im Mittelfeld. Boateng auf seiner angestammten Position in der Innenverteidigung.

Auf der Gegenseite verhalf Fohlen-Coach Nico Elvedi, der in dieser Saison vor allem in der zweiten Mannschaft Spielpraxis sammelte, zu seinem Startelf-Debüt auf der rechten Seite. Der dribbelstarke Traoré fehlte verletzt. Drmic rotierte auf die Bank. Klar war dadurch, dass Schubert sein erfolgreiches 4-4-2 der vergangenen Wochen ein wenig umbauen würde. Heraus kam ein recht mutig interpretiertes 3-5-2, das sich stärker zu einem 4-4-2 oder gar 5-4-1 verschob, wenn die Münchner kontrolliert über die Mittellinie kamen.

Von Beginn an entwickelte sich eine tempogeladene Partie. Mönchengladbach attackierte früh und bemühte sich Manuel Neuer im Aufbauspiel zu isolieren indem alle übrigen Spieler in Manndeckung genommen wurden. Raffael hatte nach einem schnellen Gegenzug schon nach zwei Minuten die erste Halbchance mit einem Schuss aus der Distanz. Auf der Gegenseite köpfte Javi Martínez eine Ecke knapp über das Tor.

Nach 15 Minuten fanden die Münchner stärker zu ihrer Linie und spielten sich mehrfach zielstrebig durch die Gladbacher Defensivformation. Lewandowski und Müller scheiterten nach schönen Kombinationen aus kurzer Distanz am Gladbacher Schlussmann Yann Sommer (17., 19.). Kurze Zeit später rettete der Pfosten für den bereits geschlagenen Torhüter bei einem Nachschuss von Coman (25.). Den Bayern gelang es in dieser Phase immer wieder Coman in eins gegen eins-Situationen gegen Elvedi freizuspielen. Meist wurde es dadurch gefährlich im Strafraum.

Erst ab der 30. Minute konnte sich die Gladbacher etwas aus der Umklammerung der Gäste befreien. Korb spielte nun deutlich defensiver und half Elvedi gegen Coman. Klare Chancen blieben danach bis zur Pause auf beiden Seiten Mangelware – auch wenn die Fohlen insgesamt etwas mehr vom Spiel hatten.

Beide Teams kamen recht gemächlich aus der Pause. Das etwas niedrigere Tempo kam den Gladbachern zu Gute, die nun mehrere Nadelstiche setzten. Das 1:0 durch Wendt in der 57. Minute kam so nicht wirklich überraschend. Johnson riss mit einem sehenswerten Lauf die Bayern-Defensive auseinander und Rafael fand dann im Strafraum den aufgerückten Linksverteidiger, der nur noch einschieben musste.

Bayern reagierte wütend, fand jedoch kaum noch ein Mittel spielerisch in den Gladbacher Strafraum einzudringen. Stattdessen wählten die Hausherren ihre Momente im Umschaltspiel mit Bedacht und hatte nach der Führung die besseren Möglichkeiten. Neuer rettete nach einem Konter spektakulär gegen Korb. Der anschließende Freistoß landete aber über Umwege bei Stindl, der über den Bayern-Schlussmann hinweg zum 2:0 traf. So verdient wie eine Bayern-Führung zur Halbzeit gewesen wäre, so verdient war jetzt die Führung der Hausherren.

Bayern fehlte nun jegliche Struktur im Spiel. Weil Martínez und Vidal aufrückten boten sich riesige Räume vor der Münchner Viererkette. Johnson durfte in der 68. Minute völlig unbedrängt durchbrechen und überwand Neuer völlig freistehend zur 3:0 Führung.

Bayern brauchte bis zur 75. Minute, um wieder konstruktiv in Tornähe zu gelangen. Zunächst schlenzte Coman den Ball mit dem linken Fuß neben das Tor, dann traf der eingewechselte Franck Ribéry nach schöner Kombination zum 1:3-Anschluss (81.). Bayern versuchte es zwar nochmal, doch der Gladbacher Sieg blieb ungefährdet.

Ein bitterer Nachmittag für den Rekordmeister, der – so deutlich muss man es sagen – zumindest an diesem Samstag-Nachmittag die Grenzen aufgezeigt bekam.

3 Dinge, die auffielen:

1. Kontrollverlust in Halbzeit Zwei

Borussia Mönchengladbach spielte am Samstag-Nachmittag wie eine Mannschaft, die seit Mitte September kein Bundesliga-Spiel mehr verloren hat. Mit viel Selbstvertrauen, Klarheit in der Ausführung und hohem Engagement. André Schubert stellte dem Rekordmeister ein paar Aufgaben. Das hohe mannorientierte Pressing, das geschickte Überlagern der Flügel durch die immer wieder vorrückenden Korb und Wendt sowie die Dreierkette, die immer wieder zur Vierer- oder Fünferkette auffächerte wenn die Münchner Angriffe starteten. Schubert hat sich das Lob, mit dem er in den kommenden Tagen überhäuft werden wird, durch seine kreative Herangehensweise wohlverdient.

In der ersten Hälfte lösten die Münchner den Großteil dieser Aufgaben noch recht gut. Wenige Ballverluste in der Vorwärtsbewegung und die Provokation von eins gegen eins Duellen des besten eins gegen eins-Spielers (Coman) auf dem Flügel waren gute und effektive Ansätze, die mit guten Chancen in Halbzeit eins belohnt wurden.

Nach der Pause boten die Münchner allerdings ein völlig anderes Bild. Die Phase zwischen 50. und 75. Minute zählte vielleicht zu den schwächsten in der Ära Guardiola. Nicht nur wegen der Gegentore, sondern wegen der Art und Weise, wie die Münchner ihre Grundprinzipien vernachlässigten. Vor allem das zentrale Mittelfeld um Alonso, Vidal und Martínez ließ sich in dieser Phase die Kontrolle entreißen. Mit Alonso und Martínez hatten zwei Münchner zentrale Mittelfeldspieler am Ende laut whoscored.com eine Passquote von unter 80 Prozent. Sehr ungewöhnlich für ein Spiel des FC Bayern.

Auch unabhängig von den Gegentreffern, die nicht unbedingt komplex herausgespielt waren, stand Bayerns Viererkette mehrfach unter hohem Druck. Vier Mal gelang der Hintermannschaft die klärende Aktion nicht. Drei Mal klingelte es. Die Niederlage allein an Boateng und Benatia fest zu machen greift deshalb etwas zu kurz, auch wenn beide beim zweiten und dritten Gegentor jeweils zu spät reagierten und sicher eine Mitschuld an den Gegentreffern hatten. Die strukturellen Probleme entstanden jedoch vorher. Auch die Kombination in der Viererkette mit Rechtsfuß Rafinha auf Links ist sicher nicht optimal. Zumal auch Lahm erneut Geschwindigkeitsdefizite offenbarte.

Es gibt ein entscheidendes Grundprinzip in Guardiolas System. Die Kontrolle über das Spiel. Wie sehr diese den Münchnern in der beschriebenen Phase in der zweiten Hälfte verloren ging, wird den Coach in den kommenden Tagen beschäftigen müssen.

2. Substanzverlust in der Offensive spürbar

Es bleibt dabei: Der Substanzverlust durch die verletzungsbedingten Ausfälle von Douglas Costa, Arjen Robben, Thiago und Mario Götze ist nur begrenzt aufzufangen. Zwar erspielten die Münchner in der ersten Hälfte eine Reihe guter Möglichkeiten, waren dabei jedoch bis auf eine Szene komplett abhängig von Kingsley Coman (6 Torschüsse). Dem Franzosen ging auf Grund des hohen Anfangspensums im Verlauf der Partie sichtlich die Luft aus. Seine Aktionen wurden ungenauer und sein Aktionsradius kleiner.

Es war über weite Strecken nicht viel zu sehen vom variablen Offensivfeuerwerk der vergangenen Wochen, als Coman, Robben, Costa und Lewandowski häufig gemeinsam auf dem Feld ihr Unwesen trieben. Das Spiel wirkte statischer und leichter auszurechnen.

Bayern musste sehr hohen Aufwand betreiben, um Chancen zu kreieren. Ohne einen zweiten dribbelstarken Spieler auf dem Feld blieben dafür vor allem Ecken, Flanken oder eben das eins gegen eins mit Coman. Auch weil Mönchengladbachs Dreierkette zwar den Flügel etwas preis gab, aber das Zentrum geschickt verdichtete, wenn Xhaka in die Kette rückte und die Räume verengte.

15 Flanken sind ein recht hoher Wert für die Münchner und ein Beleg für die bis auf die gute Phase in Halbzeit eins fehlende Durchschlagskraft am Strafraum. Nur einmal gelang es den Bayern bis zur Gladbacher Führung mit einer schnellen Pass-Kombination durch das Zentrum eine große Chance herauszuarbeiten. Lewandowski scheiterte jedoch nach einer sehenswerten Vorarbeit an Sommer.

Vidal übernahm durch die verletzungsbedingten Ausfälle deutlich mehr Verantwortung im Offensivspiel und bereitete am Ende bemerkenswerte neun Torschüsse vor. Müller und Lewandowski waren dagegen zusammen nur an sechs Torschüssen beteiligt. Zum Vergleich: Im Schnitt sind es in dieser Saison über elf Torschussbeteiligungen der beiden. Acht erfolgreiche Dribblings verbuchte die Statistik insgesamt für die Bayern. Ansonsten sind es über 13 pro Partie. Wie gesagt: Der Substanzverlust war spürbar.

Dass Pep Guardiola überhaupt auf den gerade erst wiedergenesenen Franck Ribéry zurückgreifen musste unterstreicht zudem wie angespannt die Situation in der Offensive ist. Andere Möglichkeiten in der Offensive nachzujustieren hatte der Coach am Samstag nicht. Ribérys Tor stimmt hoffnungsvoll, dass mit dem Franzosen im weiteren Saisonverlauf zu rechnen ist.

Costa wird seiner Mannschaft genau wie Götze noch bis zur Winterpause fehlen. Bei Thiago und Robben gibt es zumindest eine Chance auf ein früheres Comeback. Die Phase bis zur Winterpause werden die Münchner aber sicher auch so irgendwie überstehen. Das Spiel gegen Mönchengladbach war aber auch eine Erinnerung daran wie entscheidend Bayerns offensive Playmaker gegen gute Gegner sind.

3. Xhakas Bewerbungsschreiben

Nicht nur einmal wurde der 23-Jährige Granit Xhaka in den vergangenen Monaten mit dem FC Bayern in Verbindung gebracht. Indirekt bestätigte der Schweizer Nationalspieler auch ein Interesse der Münchner in diesem Sommer. Wer Xhaka am Samstag spielen sah, verstand vielleicht etwas besser warum sich die Verantwortlichen des Rekordmeisters intensiver mit dem Mittelfeldspieler beschäftigt haben.

Xhaka zeigte keine spektakuläre Partie. Den meisten Beobachtern wird sein Wirken vielleicht gar nicht aufgefallen sein, auch weil er manchen Fehlpass einstreute. Doch gerade in der Phase als Mönchengladbach die Partie an sich riss, war er ein entscheidender Fixpunkt in Gladbachs Spiel. Die Ruhe und die Klarheit in seinem Spiel beeindruckt. Seine strategischen Fähigkeiten und sein gutes Stellungsspiel sind ohnehin bekannt. Xhaka gewann einige wichtige Zweikämpfe und war mit seinem raumgreifenden Spiel an vielen Orten des Feldes präsent. Gemeinsam mit dem ebenfalls starken Dahoud kaufte er dem Bayern-Mittelfeld in einer entscheidenden Phase den Schneid ab.

Xhaka hat in einem großen Spiel gezeigt, dass er höheren Ansprüchen absolut genügt. In München wo sicher noch ein zentraler Mittelfeldspieler für die Zeit nach Xabi Alonso gesucht wird, hat man dies ganz sicher registriert.

BORUSSIA MÖNCHENGLADBACH – FC BAYERN 3:1 (0:0)
Borussia M’gladbach Sommer – Korb, Christensen, Elvedi, Nordtveit, Wendt – Dahoud (85. Schulz), Xhaka, Johnson, Stindl (90. Hazard) – Raffael (88. Drmic)
Bank Sippel – Brouwers, Hrgota, Jantschke
FC Bayern Neuer – Lahm, Benatia, Boateng, Rafinha – Martínez, Xabi Alonso (66. Rode), Vidal – Müller, Lewandowski (75. Ribéry), Coman
Bank Ulreich – Kirchhoff, Badstuber, Kimmich
Tore 1:0 Wendt (54.), 2:0 Stindl (66.), 3:0 Johnson (68.), 3:1 Ribéry (81.)
Karten Stindl / Benatia, Rafinha
Schiedsrichter Felix Zwayer (Berlin)
Zuschauer 54.010 (ausverkauft)