Pack ma’s! Worauf es gegen Dortmund ankommt

Steffen Trenner 22.05.2013

Nun ist es also (fast) da. Das dritte Champions League-Finale innerhalb von 3 Jahren. Ein Jahr nach dem Trauma von München. Dass der FC Bayern sich von den Tiefschlägen des Vorjahrs so schnell erholt hat und nach herausragenden Leistungen gegen Arsenal London, Juventus Turin und Barcelona erneut die Chance auf den wichtigsten Titel des Vereinsfußball hat, ist außergewöhnlich. Der FC Bayern ist, wenn man diese Champions League Saison betrachtet, wahrscheinlich die beste Mannschaft des Turniers. Aber Finalspiele werden nicht unbedingt von der besten Mannschaft gewonnen, sondern von der Mannschaft, die in ein oder zwei spielentscheidenden Situationen die richtige Entscheidung trifft und sicherlich auch das Glück auf ihrer Seite hat. Wer wüsste das besser als der FC Bayern München.

Ein Spiel. Ein Sieg trennt diese Mannschaft von der sportlichen Unsterblichkeit. Sie hat die Chance als Repräsentant der dritten große Ära des FC Bayern München in die Geschichte einzugehen. Nach Sepp Maier, Franz Beckenbauer, Paul Breitner und Gerd Müller in den 70ern. Nach Oliver Kahn, Stefan Effenberg, Mehmet Scholl und Giovane Elber zur Jahrtausendwende. Ein Spiel. Ein Sieg. Pack ma‘s.

Worauf es gegen Dortmund ankommt:

1. Das physische Spiel annehmen

Dortmund ist es in vielen Champions League Spielen in dieser Saison gelungen den Gegner durch die hohe Intensität und die riesige Laufbereitschaft zu überraschen. Gerade in den Spielen gegen Real Madrid, als die Dortmunder häufig pro Spiel über 10 Kilometer mehr liefen als der Gegner, wurde dies besonders deutlich. Real war mit dieser Spielweise überfordert. Der hohe Einsatz der Dortmunder, die ihren Gegner mit intensiven Läufen erbittert über den ganzen Platz jagen, ist ein wesentlicher Bestandteil der Borussen-Spielphilosophie. „Der Gegner ist so übermächtig, dass wir nur eine Chance haben wenn wir doppelt so viel rennen“, so beschrieb „Der Spiegel“ vor kurzem die Methode Klopp. Wie erfolgreich er damit ist, zeigen einige weitere Statistiken. Unter den fünf laufstärksten Spielern der Champions League sind mit Marcel Schmelzer, Marco Reus, Lukasz Piszczek und Robert Lewandowski vier Schwarz-Gelbe. Einzig Thomas Müller kann in diese Phalanx einbrechen. Als Sinnbild dieser Dortmunder Spielweise kann sicherlich auch Kevin Großkreutz gelten. Er hat zwar nur 561 Minuten gespielt, legte dabei aber knapp 80 Kilometer zurück – das bedeutet 143 Meter pro Minute und knapp 13 Kilometer pro Spiel.

Auch Bayern ließ sich in der Vergangenheit von dieser Spielweise überrumpeln. Noch in der Vorsaison lief Dortmund in den Duellen gegen München jeweils über 120 Kilometer. Die Bayern bewegten sich im Bereich zwischen 110 und 112 Kilometer. Auch in dieser Saison läuft Dortmund pro Spiel knapp 5 Kilometer mehr als Bayern. In den direkten Aufeinandertreffen gelang es den Münchenern jedoch den Abstand zu verringern. Im 1:1 im Bundesliga-Hinspiel kam Dortmund auf 118 Kilometer und Bayern auf 116. Dafür zog Dortmund 167 Sprints an. Bayern nur 152. Das liegt natürlich auch an den unterschiedlichen Spielweisen der beiden Mannschaften, aber klar ist: Leichte Spiele gegen Dortmund, zumal in einem Finale der Champions League gibt es nicht. Im Gegenteil. Dortmunds Finaleinzug ist keine Überraschung, sondern die logische Folge der sportlichen Entwicklung des BVB’s in den vergangenen zwei Jahren. Die Schwarz-Gelben werden am Samstag angetrieben von Jürgen Klopp ein läuferisches Feuerwerk abbrennen. Bayern muss dieses physische Duell annehmen.

2. Das BVB-Pressing aushebeln

Bei der Partie Bayern gegen Dortmund treffen auch zwei der besten Pressingsysteme Europas aufeinander. Dortmunds Pressing war es, das in der Serie von 5 Pflichtspielsiegen von 2010 bis 2012 den Unterschied ausmachte. Bayern hat inzwischen ein eigenes herausragendes Pressing entwickelt und hat sowohl beim 1:1 im Ligaspiel im November 2012, als auch im Pokal-Viertelfinale im Februar die Pressingschlacht im Mittelfeldzentrum insgesamt dominiert.

Im Pokal-Duell coachte Heynckes sein Pendant nach allen Regeln der Kunst aus, indem er das Pressing der Dortmunder mehrfach durch einen einfachen Schachzug aushebelte.

Spielfeld Pressing Ausgangslage Kopie

Spielfeld Pressing KopieHier ein Beispiel aus der 5. Minute im DFB-Pokalviertelfinale in diesem Jahr. Der BVB presste schon in der Abwehr zu und setzte den ballführenden Spieler unter Druck. Bayern überlud als Reaktion darauf in diesem Spiel häufig die ballferne Seite auf der Außenbahn, indem David Alaba oder in diesem Fall Philipp Lahm extrem weit nach vorn schoben und damit einen offensiven Mittelfeldspieler der Dortmunder banden. In der oben dargestellten Szene muss sich Marco Reus nach hinten orientieren und der jeweilige Münchener Aufbauspieler hat so immer mindestens zwei Optionen. Entweder den dadurch freien Innenverteidiger (in diesem Fall van Buyten), der keinen Druck von Reus zu erwarten hat oder einen langen Diagonalball auf die rechte Seite. Dort setzte der kopfballstarke Mandzukic die BVB-Abwehr zusammen mit den spielstarken Müller und Lahm unter enormen Druck. In der konkreten Szene provozierten die Münchener nach einem langen Diagonalball eine Ecke. Diese Muster wiederholte sich mehrfach.

Dortmunds Pressing verlor so deutlich an Wirkung, denn selbst wenn der lange Diagonalball nicht kam, war Dortmund gezwungen das gewohnte Pressingsystem zu verlassen. Frühe Ballgewinne waren dadurch extrem selten. Klopp hatte dagegen kein Gegenmittel. Dortmund war seiner größten taktischen Stärke beraubt.

Der Dortmunder Coach hat auf mehreren Pressekonferenzen bereits angekündigt sich für das Finale „etwas besonderes“ überlegt zu haben, was bisher nicht zur Anwendung kam. Man darf gespannt sein, was das ist. Denkbar wäre zum Beispiel, dass Dortmund versucht Jerome Boateng in den Spielaufbau zwingen und dafür einen Spieler opfert, um Dante oder Bastian Schweinsteiger als wichtigste Aufbauspieler der Münchener aus dem Spiel zu nehmen. So oder So: Dortmund ist keine Mannschaft, die sich von hinten bis vorn durch kombiniert, sondern braucht frühe Ballgewinne, um ein schnelles Umschaltspiel aufzuziehen. Wenn es den Münchenern gelingt das Dortmunder Pressing auszuhebeln stehen die Chancen für einen Sieg sehr gut.

3. 1 gegen 1-Duelle auf den Flügeln provozieren

Auch hier heißt das Schlüsselwort Pressing und damit verbundene Ballgewinne der Münchener. Franck Ribéry und Arjen Robben sind über 90 Minuten im 1 gegen 1 nicht zu kontrollieren. Vor allem dann nicht wenn die Gegenspieler Schmelzer und Piszczek heißen. Auch deshalb gehen die meisten Teams dazu über die Münchener Flügelspieler zu doppeln oder zu trippeln. Auch Dortmund hat dies in den Duellen der Vergangenheit immer wieder versucht und teilweise auch perfekt umgesetzt. Das Ziel der Dortmunder in der Verteidigung der Bayern Flügelspieler ist es, sie möglichst dazu zu zwingen den Ball mit dem Rücken zum Tor anzunehmen, um somit gar nicht erst zuzulassen, dass sie mit Tempo auf einen Gegenspieler treffen. Durch die gute Ordnung der Dortmunder gelang es über weite Strecken die Passwege aus dem Zentrum in Richtung Ribéry und Robben zuzustellen. Die Folge war, dass beide häufig von den Außenverteidigern angespielt wurden und den Ball so meist, wie es die Dortmunder vorgesehen haben, mit dem Rücken zum Tor und zwei oder drei Gegenspielern in der Nähe verarbeiten mussten.

 

In den beiden Dortmunder 1:0-Siegen in der Saison 2011/2012 gelang es dem BVB Franck Ribéry auf durchschnittlich 75 und Arjen Robben auf im Schnitt 55 Ballkontakte zu begrenzen. Zusammen schossen Beide in diesen Spielen nur 3 mal aufs Tor. Bayern muss es also gelingen beide Flügel so frei zu spielen, dass sie mit Ball am Fuß und Tempo auf einen Gegenspieler zu laufen können. Dann sind sie kaum zu verteidigen.

Ein erster wichtiger Schritt dafür ist die neue Variabilität der Münchener in dieser Saison. Da Ribéry, Robben und Müller häufiger die Positionen tauschen und sich ihre Räume im Offensivspiel ein Stück weit selbst suchen können, sind alle Drei anders als noch im van Gaal’schen Positionsspiel, besser in der Lage sich aus dem oben beschriebenen Defensivsystem der Dortmunder zu befreien. Hinzu kommt Bayerns Gegenpressing. Frühere Ballgewinne sorgen dafür, dass der Gegner in einer Situation relativer Unordnung erwischt werden kann. Ein schnelles Umschalten und präzise Pässe auf die Flügel können genau die 1 gegen 1-Duelle auf den Flügeln provozieren, die Bayern am Samstag benötigt. Ein gutes Beispiel für den Wert des Gegenpressings ist das 1:0 der Münchener durch Robben im DFB-Pokal Viertelfinale gegen die Schwarz-Gelben. Nach einem Ballgewinn durch Lahm im gegnerischen Sechzehner kommt Robben in eine unbedrängte Schussposition, die er in einem normalen, geordneten Aufbauspiel wohl nur selten erreicht hätte. Auch das ist ein Schlüssel zum Erfolg.

4. Manuel Neuer

Ich habe es hier schon oft gesagt. Wer die Champions League gewinnen will braucht fast immer einen besonderen Torwart. Auch deshalb kommt am Samstag sehr viel auf den Bayern-Schlussmann an. Schmeichel 1999, Kahn 2001, Casillas 2002, Dida 2003, Dudek 2005, Dida 2007, van der Saar 2008, Cech 2012. Sie alle hatten mit großartigen Leistungen im Finale und davor einen riesigen Anteil am Erfolg ihrer Mannschaft. Selbst in dem im Nachhinein sehr klar wirkenden Finale von 2010 war es Inter-Schlussmann Julio Cesar, der Inter Mailand beim Stand von 1:0 zwei mal glänzend gegen Müller und Robben vor dem Ausgleich bewahrte. Dass Manuel Neuer in dieser Champions League wenig gefordert war, lag vor allem an den hervorragenden Leistungen seiner Vorderleute, die viele Spiele klar entschieden. Roman Weidenfeller auf der Gegenseite hat dagegen einen riesigen Anteil am Finaleinzug der Dortmunder. Es spricht viel dafür, dass am Samstag auch die Mannschaft mit dem besseren Torhüter den Pokal in die Luft stemmen darf.

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