Thiago Alcántara – Auf dem Weg zum Schlüsselspieler? Vier Fähigkeiten sprechen dafür

Felix Trenner 04.12.2013

Und dann, auf der vorletzten Pressekonferenz am Gardasee, wo generelle Aussagen (»Die Mannschaft ist noch nicht da, wo ich sie haben will«, »Wir brauchen mehr Zeit«, »Es ist eine große Ehre hier zu arbeiten«) erwartet werden, lässt der neue Trainer die Bombe platzen.

»Ich will Thiago unbedingt haben. Er kann fünf Positionen spielen. Wir brauchen ihn.»
Pep Guardiola

Fünf Tage später absolviert der 21-jährige den Medizincheck und wird am 16. Juli offiziell beim FC Bayern München vorgestellt.

Wer ist Thiago?

Alcántara, Sohn des ehemaligen Weltklassespielers Mazinho, galt schon früh als eines der größten spanischen Talente des letzten Jahrzehnts, was bei der Stärke und der Vielzahl an hochtalentierten Weltklasseakteuren in der spanischen Nationalelf durchaus beachtenswert ist. Auch Jupp Heynckes lobte ihn bereits 2011 als größtes Talent im europäischen Fußball neben Toni Kroos. 2005 vom FC Barcelona unter Vertrag genommen, spielte er bereits mit 16 in der 2. Mannschaft und debütierte 2009 für die Erste. Beide Male unter: Richtig, Pep Guardiola. Doch Thiago bekam, vor allem nach Guardiolas Ende in Barcelona 2012, zunehmend Probleme. Der starken Konkurrenz im Mittelfeld des Vereins und in der Nationalmannschaft war er unterlegen was in wenig Einsatzzeit resultierte. Oftmals musste er sich mit Auftritten in der 2. Mannschaft und der spanischen U21 zufrieden geben. Umso interessanter, dass gerade die Jugendauswahl für ihn zum Karrieresprungbrett wurde. Denn bei der kleinen Europameisterschaft 2013 führte er die »pequeña furia« als Kapitän zum Titel und wurde zum besten Spieler des Turniers gewählt. Während er bei Barcelona nicht mehr gebraucht wurde, weckte er mit seinen starken Leistungen das Interesse zahlreicher internationaler Topvereine. Darunter auch Manchester United. Und doch: Dem Ruf des Champions-League-Siegers und des wohl besten Vereinstrainers der Welt (der obendrein auch noch der persönliche Förderer ist) konnte er nicht widerstehen.

Vier entscheidende Fähigkeiten

Nun durfte man sich vor der Saison die Frage stellen, welche Rolle er beim Triple-Sieger einnehmen sollte. Waren doch talentierte Offensivkräfte zur Genüge da. Und die Fragen, wie sinnvoll die Verpflichtung war, wurden lauter, als sich der Neuzugang im August einen Syndesmosebandriss zuzog und 3 Monate ausfiel. Monate, in denen der FC Bayern auch ohne ihn funktionierte und sich hervorragend entwickelte. Allerdings sprach Guardiola in dieser Zeit auch immer wieder an, er sei mit der Mannschaft noch nicht da, wo er sich hin entwickeln wollte, es fehle immer noch an Automatismen und dem nötigen Etwas. Es fehlte ihm, auch wenn er es so nicht sagen konnte, eine Prise Genialität – eine Prise Thiago.

Um zu erkennen, wie wichtig er für Bayern sein kann und wird, muss man sich Alcántaras Stärken vor Auge führen:

  1. Seine Vielseitigkeit: Thiagos Lieblingsposition mag das zentrale Mittelfeld sein. Aber es gibt keine Position im bayrischen System, die er nicht spielen kann. Ob als spielstarker Sechser vor der Abwehr, wo er, wie gegen Braunschweig gesehen, im Wechselspiel mit Javi Martinez den Spielaufbau leitet. Oder als offensiverer Achter, wo er neben Kroos oder Götze seinen vollen Offensivdrang ausleben kann, ohne sich Gedanken ums Verteidigen machen zu müssen. Auch die Modeposition »falscher Neuner« kann er, wie Götze, spielen. Und als Alternative für etwaige Verletzte auf den Außenbahnen, eine Rolle, die er in Barcelona häufiger spielte, kommt er ebenfalls in Frage, wenn auch andere hier vor ihm einzuordnen sind.
  2. Seine Übersicht: Bereits in den wenigen Spielen zeigt sich diese Qualität. Das beste Beispiel lieferte er wenige Minuten nach seinem Comeback in Dortmund, als er mit einem wunderbaren Pass aus dem Halbfeld Robben schickte und das vorentscheidende 2:0 einleitete.
  3. Seine Ballsicherheit: Die Ausbildung in Barcelonas »La Masia« spielt hier die entscheidende Rolle. Keine Nachwuchsschule der Welt legt mehr Wert auf das Attribut Ballsicherheit als die katalanische. Und wer es schafft, sich bis in die erste Elf neben Xavi und Iniesta hochzuarbeiten, der ist einer der besten seines Fachs.
  4. Seine Risikofreude: Der entscheidende Faktor in seiner Spielweise. Wie er selbst in Interviews von sich sagt, würde er immer den Risikopass dem Sicherheitspass vorziehen. Dass dadurch auch gefährliche Kontersituationen entstehen können, sei angemerkt, doch wenn Thiago in guter Form ist, ist die Fehlerquote äußerst gering. Auffallend ist schon jetzt seine Liebe zum riskanten Lupfer in die Spitze, wie er ihn gegen Moskau und Braunschweig einige Male gezeigt hat. Und womöglich ist gerade diese Eigenschaft das, was dem FCB noch zur Perfektion fehlt. Mit Götze und Alcántara wurden zwei Spieler geholt, die diesen entscheidenden, riskanten Pass aus der Zentrale heraus spielen können, während Robben, Müller und Ribery die Außenbahnen beackern, Kroos und Schweinsteiger die Bälle verteilen und Martinez und Lahm hinten absichern. In der Theorie ist das Spiel der Bayern damit nahe an der Perfektion.

Nun war natürlich der bisherige Saisonverlauf bei weitem nicht optimal für einen jungen Spieler. Um seine Qualitäten wirklich einzubringen und für die Mannschaft unabdingbar zu werden, braucht Thiago das Vertrauen, das er nur von Guardiola bekommt. Und trotzdem sollte man ihn keinesfalls als seinen Lieblingsspieler sehen. Denn Pep hat einen klaren Plan mit dem FC Bayern, in dem Alcantara eine Rolle spielen kann, aber nicht muss.

Im Moment ist er über seinen Talentstatus noch nicht hinaus und muss – ähnlich wie es Toni Kroos seit zwei Jahren schafft – Konstanz in sein Spiel bringen. Sollte er das schaffen, ist er jedoch die entscheidende Waffe im Mittelfeld des besten Vereins der Welt.