The „Theatre of Dreams“ presents: Quarterfinal, Part I

Felix Trenner 02.04.2014

FC Bayern gegen Manchester United

Eines war denjenigen, die über den Seitenrand der Boulevardblätter hinausblickten, bereits vor dem Spiel klar: Manchester United würde sich von den Bayern nicht im heimischen Stadion auseinander nehmen lassen. Daraus war auch Moyes’ Taktik vorherzusehen. Von den zwei Varianten, mit denen man im Moment versuchen kann, den Münchner Sensationsfußball zu unterbinden, wählte er die defensive – und war von Anfang an nicht darauf aus, das Terrain auf der anderen Seite der Mittelfeldlinie zu erkunden. Gegenpressing? In den ersten 45 Minuten so gut wie gar nicht zu sehen. Konsequent wurde vor dem eigenen Strafraum mit zwei Viererketten verteidigt, die sich, bei einem Ausweichen der Münchner auf die Außen, variabel in ein 5-4-1 bzw. 5-5-0 verwandelte. Die Rolle der Engländer schrieben sie sich selber, sie erinnerte taktisch jedoch stark an einen Bundesligisten aus dem unteren Mittelfeld.

Dass sich die Bayern, die nominell mit der altbewährten Doppelsechs aufliefen, in der ersten Halbzeit schwer taten, lag zum einen daran, dass in der 9-er Kette der „Red Devils“ nicht gerade Hinz und Kunz verteidigen und zum anderen daran, dass in den Rochaden Müller-Robben-Ribery entweder zu wenig Tempo in den Laufwegen oder zu wenig Präzision in den Zuspielen war. Insgesamt ging ManU’s Matchplan auf – trotz 78 Prozent Ballbesitz in der ersten Halbzeit entstand direkte Gefahr für De Gea’s Tor nur in der 11. Minute, als Müller den Ball am Fünfer nicht traf, und hier und da durch Robbens Einzelleistungen und Schüsse. Das Publikum im Old Trafford war ob dieser „Chancenlosigkeit“ erstaunt – und bejubelte Einwürfe, angekommene Kurzpässe und Schiedsrichterpfiffe wie Tore. Dass die in Blau auflaufenden Roten am Ende froh sein konnten, mit einem 0:0 in die Kabine zu gehen, lag primär an einer starken Parade von Manuel Neuer, der im 1 gegen 1 einen Welbeck-Lupfer abwehrte. Entstanden war die Situation aus einem klassichen ManU-Spielzug in der Moyes-Ära. Rooney brachte einen seiner gnadenlos guten Steilpässe, Boateng stand einen Meter zu nahe an der Mittellinie – nur Welbeck schloss inkonsequent ab.

Der zweite Akt unseres Theaterstücks begann mit einem (kleinen) Höhepunkt. Er wollte doch nicht etwa…? Nein, Moyes wollte mit Kagawa für Giggs nicht auf einmal die Bayern am eigenen Strafraum einschnüren. Eine weise Entscheidung. Aber trotzdem: ManU stand ohne ihren Greis höher, attackierte früher und versuchte Fußball aus diesem Jahrzehnt zu spielen. Dass das den Münchnern in dieser Saison bereits oft in die Karten spielte, ist klar, jedoch war weiterhin vor allem über die linke Seite viel zu wenig Zug zum Tor zu spüren. Die „dramaturgische Wendung im zweiten Akt“ lieferte der serbische Laienschauspieler Nemanja Vidic, der in der 58. Minute nach einer Rooney-Ecke einköpfte. Das erfolgreiche Besinnen auf klassische, englische Tugenden, momentan das einzig erkennbare Konzept bei Manchester, wurde begünstigt durch Jerome Boateng, der sich in puncto Luftduell dem Lufthansa-Streik anschloss und Vidic gewähren ließ. Guardiola, wie immer eifriger Regisseur in der Coaching Zone, reagierte und brachte Mandzukic für Müller, der in der zweiten Halbzeit zunehmend in der Luft gehangen ist – ein Wechsel, der auch früher hätte erfolgen können, denn ein echter Neuner verleiht dem Bayern-Spiel wesentlich mehr Variabilität. Hohe Zuspiele waren auf einmal wieder eine Option. Bereits nach drei Minuten machte sich die Einwechslung bezahlt, als Rafinha eine Flanke von rechts schlug, Mandzukic sich wunderbar von Ferdinand löste und gefühlvoll ablegte auf – richtig, den Helden, der sich im ersten Akt mit der Nebenrolle begnügt hatte und gegen Ende hin als Retter in der Not hervortrat. Bastian Schweinsteiger, Fußballgott, schafft es mittlerweile zu den genau richtigen Momenten aus seiner Rolle als umsichtiger Spielgestalter hervorzutreten und im Strafraum per Dropkick sehenswerte Treffer zu erzielen. Es blieb in den Folgeminuten ein gutes Fußballspiel, Robben hatte noch einmal Pech bei einem seiner Abschlüsse, insgesamt schienen die Bayern aber auch mit dem 1:1 gut leben zu können.

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Nun ja, Stücke im Theatre of Dreams enden selten ohne Höhepunkt, ohne Drama. Und da moderne Theaterstücke gerne Non-Happy-Ends haben, musste in der Endszene eine Kernfigur runter. Aus dem eigenen Strafraum heraus nahm Rooney den Ball mit und wollte, so die Mutmaßung, einen Konter einleiten. Schweinsteiger fuhr ihm von der Seite in die Parade und selbst bei mehrmaliger Betrachtung ist nicht ganz zu klären, ob und wenn, wie er den Ball spielte. Was klar zu sehen war: Mit barcelonesker Theatralik fiel Rooney – dramaturigisch wertvoll – und der äußerst schwache und inkonsequente Schiedsrichter Carballo fiel auch. Nämlich darauf rein. Schweinsteiger musste mit Gelb-Rot vom Platz, während auf der anderen Seite zuvor Valencia bei mehrmaligem, teilweise brutalem und unfairem Einsteigen immer weitere Gnadenfristen erhalten hatte. Mehr als fragwürdig.

In jedem Fall fehlen für das Rückspiel Javi Martinez nach seiner dritten gelben Karte und eben genannter Schweinsteiger. Toni Kroos wird wahrscheinlich für ihn zurückrücken – und wird sich im Rückspiel steigern müssen. Zwar reicht auch ein 0:0, und die Bayern zeigten sich nach dem 1:1 durchaus zufrieden und mit frohem Blick in Richtung nächster Woche, aber München ist keine Stadt, in der Dramen-Gleichnisse zur Geltung kommen sollten. Wir schreiben über Spiele in der Allianz Arena am liebsten mit dem Bild der „uneinnehmbaren Festung“ im Kopf.

Manchester United – FC Bayern München 1:1 (0:0)
Manchester United de Gea – Jones, Ferdinand, Vidic, Büttner (74. Young) – Fellaini, Carrick, Giggs (46. Kagawa) – Valencia, Rooney, Welbeck (85. Hernandez)
Bank Lindegaard, Nani, Fletcher, Januzaj
FC Bayern Neuer – Rafinha, Martínez, Boateng, Alaba – Lahm, Schweinsteiger – Robben, Kroos (74. Götze), Ribéry – Müller (63. Mandzukic)
Bank Starke, Van Buyten, Shaqiri, Hojbjerg, Pizarro
Tore 1:0 Vidic (58.), 1:1 Schweinsteiger (66.)
Karten Gelb: Valencia / Mandzukic, Martínez; Gelb-Rot: Schweinsteiger (90./wiederholtes Foulspiel)