Sommer-Round-Up: Wo ist Thomas Müller?
Im Sommer-Round-Up halten wir euch wöchentlich über die Nationalspieler des FC Bayern auf dem Laufenden.
Lewandowski trifft und verliert
Es war nicht der große Auftritt des Robert Lewandowski bei dieser Europameisterschaft. Bis zum Viertelfinale gegen Portugal traf der Stürmer kein einziges Mal. Ausgerechnet er erzielte dann aber das 1:0 für die Polen. Portugal kam jedoch zurück und so war es Renato Sanches, der mit seinem ansehnlichen Tor den Ausgleich besorgte. Die Partie ging ohne größere Höhepunkte in die Verlängerung und schließlich ins Elfmeterschießen, wo Lewandowski und Sanches sicher verwandelten.
Jakub Błaszczykowski verschoss auf Seiten der Polen als einziger und wurde damit der tragische Held des Abends. Portugal wird im Halbfinale auf Wales treffen, die mit Belgien einen der Favoriten mit 3:1 besiegten. Renato Sanches gewann zum zweiten Mal in Folge den Award für den Spieler des Spiels. Auch abgesehen von seinem Ausgleichstor zeigte der 18-Jährige eine ansprechende Leistung. 93,8% Passquote, drei Abschlüsse, eine Torschussvorlage, drei Interceptions, zwei erfolgreiche Tacklings und sieben erfolgreiche Dribblings stehen am Ende auf seinem Konto. Cristiano Ronaldo beispielsweise ist über 120 Minuten kein einziges Dribbling gelungen.
Deutschland besiegt „Italien-Fluch“
Schon vor dem Spiel waren große Diskussionen über die Taktik von Joachim Löw entbrannt. Deutschland agierte gegen Italien mit einer Dreier- beziehungsweise Fünferkette. Der Bundestrainer verzichtete dabei bewusst auf die offensive Durchschlagskraft, um Italiens Offensive zu stoppen. Auf der einen Seite stehen nun die Argumente, dass ein Weltmeister sich auf seine Stärken besinnen solle und die Anpassung auf den Gegner unnötig war. Andererseits gibt es aber auch Leute, die Löw für seine taktische Leistung beglückwünschen. Von seinem System abzuweichen, um sich auf den Gegner besser einstellen zu können, muss ja nicht immer verkehrt sein. Das zeigte auch Pep Guardiolas Zeit beim FC Bayern. Auf welcher Seite man auch steht, Löws Mannschaft kontrollierte die Partie über die vollen 120 Minuten und somit lag der Trainer richtig, auch wenn das Elfmeterschießen schlussendlich glücklich war. Mit Müller, Özil und Schweinsteiger verschossen drei Schützen auf deutscher Seite. Kroos, Draxler, Hummels, Kimmich, Boateng und Hector verwandelten. Manuel Neuer avancierte jedoch zum großen Helden. Vier Italiener verschossen, zwei davon hielt der Torhüter selbst. Vermutlich hätte er auch den von Pellè gehabt, der weit an seinem Tor vorbei kullerte.
Vor Manuel Neuer agierte Benedikt Höwedes neben den beiden Bayern-Verteidigern Boateng und Hummels. Hector und Kimmich hatten somit genügend Absicherung für ihre offensiven Läufe auf der Flügelverteidiger-Position. Vor der Fünferkette spielten Toni Kroos und Sami Khedira. Letzterer musste allerdings bereits nach 15 Minuten ausgewechselt werden. Ein Einsatz im Halbfinale gegen Gastgeber Frankreich kommt wahrscheinlich nicht in Frage. Ein weiterer ehemaliger Münchner kam mit Bastian Schweinsteiger aufs Feld. Der Kapitän machte ein außerordentlich gutes Spiel und war überall zu finden. Zwar hatte man gerade in der zweiten Halbzeit das Gefühl, dass er durch seine offensive Spielweise die ein oder andere Lücke aufriss, doch das wurde von Italien nicht bestraft. Der Defensivverbund funktionierte über die komplette Distanz sehr gut. Speziell Mats Hummels antizipierte viele Situationen und konnte auch aufgrund der Absicherung immer wieder aus der Kette herausrücken. Ausgerechnet der sonst fehlerfreie Boateng leistete sich dann aber kurz vor Schluss eine Unaufmerksamkeit. Nach einem unnötigen Handspiel gab es Elfmeter für die Italiener. Bonucci verwandelte und sicherte seinem Team so die Verlängerung. Ein individueller Fehler war es also, der Deutschland den Sieg nach 90 Minuten kostete. Allein diese Tatsache zeigt, dass das System so funktionierte, wie es sich Löw erhofft hatte. Es war zudem sehr interessant zu sehen, wie sich Hummels und Boateng in einer solchen Formation auf höchstem Niveau verhalten. Ob Ancelotti auf eine Dreierkette zurückgreifen könnte ist natürlich fraglich, aber die Leistung der beiden Verteidiger und gerade die Freiheiten, die Hummels dadurch nach vorne hatte, sind sicher eine Bewerbung dafür.
Auch Joshua Kimmich zeigte erneut eine solide Leistung, wenngleich er diesmal deutlich häufiger gefordert wurde. Gerade einige Abstimmungsprobleme mit Schweinsteiger ließen ihn in zwei, drei Situationen nicht gut aussehen. Diese blieben aber ohne Konsequenzen und so war seine Leistung eine gute, die sicherlich noch ausbaufähig ist. Bei aller Kritik darf jedoch auch nicht außer Acht gelassen werden, dass Kimmich erst sein viertes Länderspiel machte. 43% der deutschen Angriffe liefen über seine Seite. Außerdem hatte der 21-Jährige 105 Ballkontakte und eine Zweikampfquote von 54%. Seinen Elfmeter verwandelte er unter allerhöchstem Druck. Hätte er verschossen, wäre Deutschland draußen gewesen. Es ist beeindruckend wie abgeklärt, ruhig und selbstbewusst Joshua Kimmich ist. Für Löw dürfte es keinen Grund geben ihn aus der Mannschaft zu nehmen.
Wo ist Thomas Müller hin?
Eine Frage beschäftigt den DFB allerdings seit Tagen. Thomas Müller wird vermisst. Zwar spielt vorn im Angriff jemand, der ihm in seinen Bewegungsabläufen ähnelt, doch irgendwie ist er nicht derselbe. Sein Double vergibt große Chancen, verschießt Elfmeter und wirkt im Strafraum etwas unbeholfen. Untypisch für einen Müller. Gerade jetzt, wo das Turnier für Mario Gomez aufgrund einer Verletzung beendet ist, wäre es wichtig, dass Thomas Müller zurück kommt.
Versucht man herauszufinden, wann der echte Müller verloren gegangen ist, so kommt man zu dem Entschluss, dass das schon während der Rückrunde passiert sein muss. Bereits beim FC Bayern wirkte der 26-Jährige am Ende der Saison müde, überspielt und unkonzentriert. Guardiola ließ ihn sogar in wichtigen Spielen auf der Bank. Doch wie groß ist das Ausmaß seiner Formschwäche wirklich? Nicht so groß, wie man aufgrund der öffentlichen Reaktionen vermuten könnte. Müller fehlen plötzlich einfach die Fähigkeiten im Strafraum. Es sind Nuancen. Vielleicht denkt der Angreifer derzeit zu viel nach. Ein Tor könnte seine Situation komplett verändern. Er macht weiter die wichtigen Laufwege für seine Mannschaft, er beteiligt sich am Kombinationsspiel, lässt sich auch mal tief ins Zentrum fallen und spult für sein Team essenzielle Kilometer ab. Zudem erarbeitet er sich wieder mehr Chancen als zu Beginn der Europameisterschaft. Gegen Italien lag es nur an der artistischen Abwehraktion von Florenzi, dass Müller kein Tor gelang. Ohne Gomez fehlt der Mannschaft von Jogi Löw jetzt einer, der aus wenigen Chancen ein Tor machen kann. Potenziell wäre Müller, der noch nie ein Tor bei einer EM erzielte, der ideale Ersatz für ihn. Ob er diesen Fluch besiegen kann, könnte entscheidend dafür sein, ob das deutsche Nationalteam am Sonntag im Finale steht.
Coman oder Deutschland im Finale
Kingsley Coman und seine Franzosen werden sicher etwas dagegen haben. Frankreich besiegte am Sonntag Island klar mit 5:2 und sicherte sich somit das Halbfinal-Ticket. Dort treffen sie nun auf Deutschland. Während Joachim Löw wahrscheinlich Schweinsteiger, Khedira, Gomez und auch sicher Hummels fehlen, kann Deschamps auf seinen ganzen Kader zurückgreifen. Der Gastgeber zeigte erstmals bei diesem Turnier eine flexible Offensivleistung. Griezmann ist dabei der Schlüssel zum Erfolg. Atléticos Stürmer rotiert oft die Positionen und kommt so auch mal über den Flügel, bevorzugt aber über die Zentrale. Hinten sind die Franzosen gelegentlich unkonzentriert. Evra und Sagna sind anfällig für Ballverluste, aber auch in der Innenverteidigung standen sie nicht immer sicher. Es wird das Duell einer durchschlagskräftigen, französischen Offensive gegen den vielleicht besten Defensivverbund der EM. Gleichzeitig wird Deutschland aber versuchen das Umschaltspiel der Franzosen mit Kontrolle zu unterbinden. Für die Elf von Joachim Löw nehmen Kroos, Özil und Boateng die wichtigsten Rollen ein. Kroos muss gemeinsam mit dem zweiten Sechser die Kontrolle über das Zentrum gewinnen. Schafft er das, ist schon viel gewonnen. Boatengs Eröffnung ist dafür aber auch sehr wichtig. Er umspielt die erste Pressinglinie und bringt das Mittelfeld in Position. Gerade ohne Mats Hummels wird er eine noch höhere Verantwortung tragen müssen. Vorne ist es dann vor allem an Mesut Özil Chancen zu kreieren. Gegen eine massive italienische Defensive leitete er viele Angriffe klug ein. Arsenals Mittelfeldakteur bereitet die meisten deutschen Torschüsse vor. Diese gilt es dann zu verwerten und wie bereits erwähnt, wird dafür vor allem Müller sehr wichtig sein. Vielleicht setzt Löw aber auch auf Mario Götze, der nach der Gruppenphase komplett außen vor zu sein scheint. Wer auch immer dieses Duell gewinnen wird, mindestens ein Bayern-Spieler steht mit Sicherheit im Finale.
Die nächsten Termine im Überblick
- Renato Sanches trifft mit Portugal im Halbfinale der EM auf Wales. (Mittwoch, 6. Juli um 21:00 Uhr)
- Manuel Neuer, Jérôme Boateng, Mats Hummels, Joshua Kimmich, Mario Götze und Thomas Müller treffen mit Deutschland im Halbfinale der EM auf Kingsley Coman mit Frankreich. (Donnerstag, 7. Juli um 21:00 Uhr)
- Das Finale der Europameisterschaft mit mindestens einem Bayern-Spieler. (Sonntag, 10. Juli um 21:00 Uhr)
Bayern-Spieler der Woche
Seit wenigen Tagen gehört er offiziell zum FC Bayern und schon ist Renato Sanches unser Akteur der Woche. Mit 18 Jahren der entscheidende Spieler seiner Mannschaft zu sein, sollte eigentlich schon reichen, um diese Auswahl zu rechtfertigen. Dass er dabei aber auch Spieler wie Cristiano Ronaldo in den Schatten gestellt hat, ist ebenso erwähnenswert. Mit sieben erfolgreichen Dribblings hat der Neuzugang von Benfica sieben erfolgreiche Dribblings mehr als eben jener Ronaldo.