Round-Up: Der Mythos „La Bestia Negra“

Maurice Trenner 30.03.2017

Dazu muss als erstes mit einem weitverbreiteten Missverständnis über diesen Mythos aufgeklärt werden. Die Bezeichnung stellt den Gegner weniger als überlegen und unbezwingbar dar, sondern bezeichnet einen Rivalen, den man trotz eigener Überlegenheit einfach nicht besiegen kann.

Während von dem Titel also eine gewisse Wertschätzung ausgeht, ist dieser jedoch weniger respektvoll gemeint als dies oft in den deutschen Medien dargestellt wird. Eine Angst vor der „Bestia Negra“ haben die Spanier also eher nie gehabt. Vielmehr wird der unbändige Siegeswille der Münchner hiermit zum Ausdruck gebracht.

Diese Situation ist dabei durchaus vergleichbar mit Bayerns-Rivalität mit Borussia Dortmund zu den Hochzeiten unter Jürgen Klopp. Nachdem die Niederlagen in der ersten Meister-Saison des BVB noch als Ausrutscher abgetan wurden, ging die Serie 2012 weiter. Dabei wollte trotz einer vermeintlich besseren Mannschaft einfach kein Sieg gegen die Westfalen gelingen, wobei das ganze im dramatischen DFB-Pokalfinale 2012 gipfelte.

Während die Bezeichnung „Bestia Negra“ erstmals um die 2000er-Jahre in den spanischen Medien verwendet wurde, geht die Rivalität der beiden europäischen Spitzenclubs weiter zurück.

Feindschaften in den 1980er-Jahren

Wenn man Ex-Bayer Klaus Augenthaler fragt, dann begann die Rivalität im August 1980, als die Münchner in einem Freundschaftsspiel die Madrilenen mit 9:1 nach Hause schickten. Eine Demütigung, die sich Real so nicht gefallen lassen wollten.

Im Rahmen des Vorbereitungsturniers „Trofeo Stantiago Bernabéu“ im darauffolgenden Jahr sollte es zur Revanche kommen, wobei die spanischen Spieler die Bayern-Akteure bereits an der Mitteillinie mit unfairen Mitteln zu stoppen versuchten. Ein Spielabbruch war damals laut Augenthaler durchaus denkbar.

Die noch echauffierten Münchner lieferten im Spiel um Platz 3 einen weiteren Eklat, als bereits zur Halbzeit in Karl-Heinz Rummenigge und Paul Breitner nach Beleidigung von Publikum und Schiedsrichter zwei Spieler eine rote Karte sahen. Daraufhin ließ Uli Hoeneß als Manager das Spiel beenden.

In der Saison 1986/87 standen sich die beiden Rivalen auf großer Bühne im Halbfinale des Europacups der Landesmeister gegenüber. Das Hinspiel im Münchner Olympiastadion gewinnen die Bayern deutlich mit 4:1.

Klaus Augenthaler im Duell mit Real Madrid
(Bild: Bongarts/Getty Images)

Das Spiel wird jedoch wegen zwei Szenen rund um die frustrierten Stars von Real bekannt. Mittelfeldspieler Juanito verliert die Nerven und tritt Lothar Matthäus brutalst an der Mittellinie zusammen woraufhin er für fünf Jahre in internationalen Wettbewerben gesperrt wird. Ein weiteres berühmtes Bild: Nach einem Brusttritt gegen Augenthaler formt letzterer mit seinen Zeigefingern an der Stirn Stierhörner.

Daraufhin wurde Augenthaler vom Publikum in Madrid wenig freundlich empfangen. Im Rückspiel sollte Augenthaler erneut eine große Rolle spielen: Zuerst erzielte er per Eigentor die Führung für Real Madrid, danach ließ er sich von Strürmerstar Hugo Sanchez provozieren und flog nach einer Ohrfeige gegen selbigen vom Platz. Da das Eigentor der einzige Treffer der Madrilenen blieb, kam Bayern ins Finale, wo München jedoch gegen Porto verlor.

Neue Brisanz zur Jahrtausendwende

Aufgrund mangelnder Spielen von internationaler Relevanz verlor die Rivalität in den 90er-Jahren an ihrer Brisanz. Doch zur Jahrtausendwende trafen die beiden Vorzeigeklubs gleich viermal in einer Saison aufeinander. Nach zwei überragenden Siegen der Münchner in der zweiten Gruppenphase (4:2 und 4:1), drehte Real den Spieß im Halbfinale um. Mit einem Gesamtergebnis von 3:2 konnte man sich hier durchsetzen und im Finale gar die Champions-League gewinnen.

Deutlich prägender für den Mythos „Bestia Negra“ war das Aufeinandertreffen in der darauffolgenden Saison 2000/01. Erneut stehen sich die beiden Mannschaften im Halbfinale gegenüber. Doch hier entwickelt sich Oliver Kahn in seiner vielleicht besten Form zum neuen Feindbild der Madridista. Das Überteam rund um Raul und Figo ist der klare Favorit gegen die „Rumpelfußballer“ aus München, das aus Kämpfern wie Jeremies und Effenberg besteht.

Doch das Hinspiel im heimischen Bernabeu wird zum verzweifelten Sturmlauf auf das Tor von Kahn. Raul, Figo und Guti rennen dauerhaft an, doch es gelingt ihnen kein Tor. Der Titan kann alle Bälle abwehren und Bayern gewinnt durch ein Tor von Elber mit 1:0. Da auch das Rückspiel mit 2:1 an die Bayern geht, scheidet Real aus. Das Ende der Bayern-Saison mit dem Sieg in Mailand gegen Valencia ist mittlerweile legendär.

Durch eine solche Leistung, die so außergewöhnlich war, dass es quasi nicht mit rechten Dingen zugehen konnte, wurde Kahn zur neuen personifizierten „Bestia Negra“. Die Ambivalenz zwischen tiefer Abneigung und gleichzeitig insgeheimer Bewunderung für die Leistung und Widerstandsfähigkeit kann hier als Essenz des Phänomens „Bestia Negra“ gesehen werden.

Letztes Aufblühen der „Bestia Negra“

Auch im Frühjahr 2007, als sich die Bayern und Real erneut im Achtelfinale gegenüber stehen, ist Bayern krasser Außenseiter. Doch die spanische Presse erinnert sich an ihren Erzfeind von 2001 und so titelt zum Beispiel die Marca über einem verschwitzten und mit Gras verdrecktem Konterfeit von Kahn: „Dies ist der Feind“.

Die personifizierte „Bestia Negra“ Oliver Kahn im letzten Duell mit Real Madrid (Bild: Martin Rose/Bongarts/Getty Images)

Beim Hinspiel im Benabeu gelingt Mark van Bommel in der 88. Minute der 2:3-Anschlusstreffer, den er im per zur Faust geballten Hand in der rechten Armbeuge feiert. Eine üble Beleidigung in Spanien. Der ehemalige Barcelona-Spieler wurde am nächsten Tag von der Marca auf dem Cover unter dem Titel „Das werden Sie noch bereuen“ zum neuen Feindbild erkoren.

Das Rückspiel in der Allianz-Arena wird dann jedoch aufgrund von Roy Makaay historisch, der bereits nach 10 Sekunden die 1:0-Führung erzielt. Erneut kommt Bayern weiter.

Bayern auf Augenhöhe

In den letzten Jahren trafen die Bayern zwei weitere Male im Halbfinale auf Madrid: 2012 im Jahre des tragischen „Finale dahoam“ und im ersten Pep-Jahr 2014. Dabei behielten beide Teams jeweils einmal die Oberhand.

Der Mythos „Bestia Negra“ wurde jedoch von der spanischen Presse deutlich seltener erwähnt. Dies kann auf zwei Gründe zurückgeführt werden. Zum einen ist der FC Bayern mittlerweile auf einem Niveau, wo ein Sieg der Münchner keine Überraschung mehr ist. Vielmehr begegnen sich beide Teams auf Augenhöhe. So auch in diesem Jahr, wo die Teams auf Nr. 1 und Nr. 2 des ELO-Ratings stehen. Zum anderen fehlt den Madridista die Feindbilder im aktuellen Bayern-Team.

Die prägenden Figuren und Hitzköpfe wie Augenthaler, Kahn oder van Bommel sind einer eher ruhigeren Spielergeneration gewichen. Am ehesten würde noch Lewandowski den Ansprüchen eines Feindbildes gerecht werden, hatte er doch 2013 im Halbfinale mit vier Toren an dem Ausscheiden von Real erheblichen Anteil – damals noch in Diensten des BVB.

Für die beiden Partien in den nächsten Wochen im Viertelfinale kann also folgendes festgehalten werden: Der „Bestia Negra“-Mythos als Angstgegner der Madrilenen mag vielleicht nicht mehr zutreffend sein, jedoch ist das nichts Schlechtes. Vielmehr verfügt Bayern mittlerweile über die Fähigkeit Real aus eigenen Mitteln zu schlagen. Man darf gespannt sein, welcher Bayern-Spieler dieses Mal dem Spiel seinen Stempel aufdrückt und am nächsten Tag die Titelseite der Marca zieren darf.

Abschließend bedanke ich mich noch bei meinem Ghostwriter, dem großartigen @TfGnther.

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