Musialas Rationalität – Spieler des Monats August
Der Miasanrot-Spieler des Monats August heißt natürlich Jamal Musiala. Spätestens mit seinem flammenden Saisonauftakt ist er zum absoluten Publikumsliebling avanciert – die Anzahl der Trikots mit seiner 42 bei Bayern-Heimspielen unterstreicht das. Doch anstatt jetzt haarklein Musialas einzelne Spiele aufzudröseln, soll es hier grundsätzlicher um ein Charakteristika des Spielers Musiala gehen: Seine Rationalität.
Das Dribbling
„Er erinnert mich schon ein bisschen an Messi.”Lothar Matthäus
Als sich Lothar Matthäus beim Gespräch über Jamal Musiala vor ein paar Wochen an Lionel Messi erinnert fühlte, dachte er wahrscheinlich nur an seine Dribblings. Wenn Musiala mit seinen spindeldürren Beinen – Bambi lässt grüßen – den Kopf auf den Ball senkt und an den Gegnern vorbei gleitet, springt einem dieser Vergleich natürlich förmlich ins Gesicht.
Nun ähnelt nicht jeder Dribbler gleich Messi. Neymar – allzu lang als dessen Nachfolger im Weltfußball gehandelt – ist da ein gutes Beispiel. Völlig wertfrei ausgedrückt, ist Neymar doch dutzendfach verspielter in seiner Kunst, Gegenspieler stehen zu lassen. Beim FC Bayern gingen Franck Ribéry und vor allem natürlich Douglas Costa in diese Richtung Showmaster. Hier ein Übersteiger mehr, da eine Zidane-Wende. Costa packte gegen Leverkusen einst gar den Rainbow-Flick aus.
Jamal Musialas Dribbling wirkt da pragmatischer. Wenn er mal wieder mit einer kleinen Gambetta-Körpertäuschung seinen Gegenspieler ins Leere laufen lässt oder er mit einer Croqueta einfach überläuft, ist es bei allem Spektakel fast immer eine zutiefst rationale Entscheidung bei Musiala. Er tut einfach das, was es nun einmal braucht, um seinen Gegenspieler im Dribbling auszuschalten, nicht weniger, aber nunmal auch nicht mehr. Zirkus-Nummern sind ihm fremd. Er wird nie mehr Übersteiger machen, als er sie braucht und Rainbow-Flicks packt er wahrscheinlich nicht mal im Training aus.
Genau bei dieser Rationalität sind erste leichte Vergleiche mit Messi angebracht. Auch Messi hat in all den Jahren kaum etwas für die Galerie gemacht, all der Spektakel folgte stets einer kühlen Kalkulation, wie er am besten zum Torerfolg kommen konnte. Arséne Wenger nannte ihn daher ungläubig einmal eine “PlayStation”, so mechanisch kalkulierend nutzte er Arsenals Fehler aus. Lukas Tank schlicht einen hyperrationalen Spieler.
Der Flachschuss
Hyperrational mag Musiala noch nicht sein, aber eine außergewöhnliche Fähigkeit zur Lesung des Spiels hat er durchaus. Diese Fähigkeit, blitzschnell die Situation zu erfassen, um die optimale Entscheidung anzusetzen, spiegelt sich an seinem vielleicht am wenigsten beachteten Skill wieder der: Dem Abschluss.
Musiala schießt weder außergewöhnlich hart, noch außergewöhnlich technisch versiert. Elogen auf seine Schusstechnik, wie es Kommentatoren gerne bei Toni Kroos tun, wird man bei ihm nicht hören. Und doch ist Musiala nicht nur der beste Bayern-Torschütze dieser nicht mehr ganz so jungen Saison, er schafft es auch immer wieder, fast das exakt gleiche Tor zu erzielen.
Gut 16 Meter halbmittig vor dem Tor umzingelt von Gegenspielern, setzt er zu einem kurzen Dribbling an, dreht ab und schießt – oft leicht verdeckt – flach und wuchtig exakt ins Eck ab. Diese Saison gesehen bereits gegen Wolfsburg, Stuttgart und im Supercup gegen Leipzig.
Sechs Tore hat er diese Saison geschossen. Sechs Flachschuss-Tore. Das Prinzip “Augen zu und durch” ist ihm fremd. Wenn der Ball seinen Fuß verlässt, dann nur wohl überlegt und präzise. Mit seinen immer noch erst 19 Jahren zeigt er hier eine Reife, die andere, wirklich gute Spieler, ihre ganze Karriere über nicht finden.