Thomas Müller 710: Ein langjähriger Begleiter

Sophia Trenner 07.09.2024

Hier geht’s zur Übersichtsseite der Serie

Schon früh hatte ich erste Berührungspunkte mit dem Fußball, doch an den Moment, als ich Bayern-Fan wurde, kann ich mich nicht mehr erinnern. Wahrscheinlich gab es auch gar nicht diesen einen, magischen Moment. Wohl eher war es ein schleichender Prozess. Mit Sicherheit jedoch kann ich sagen, dass viele meiner anfänglichen Erinnerungen an den FC Bayern verknüpft sind mit Thomas Müller. Als dieser am 15. August 2008 unter dem damaligen Trainer Jürgen Klinsmann sein Debüt für die Profimannschaft des FC Bayern sammelte, war ich sechs Jahre alt. Über Jahre hinweg wurde Thomas Müller zu einer Konstante. Eine Tatsache, die mir häufig gar nicht bewusst war. Im Gegenteil, oftmals sah ich seine Präsenz als Selbstverständlichkeit an. In Anbetracht seines Rekordes und dem zweifelsohne nähernden Karriereende, kann ich das nur bereuen. Zeitlos in rot. Diese Beschreibung trifft meine Gedanken bezüglich seiner Person wohl am besten. 

Rekorde dienen als Erinnerungen für die Ewigkeit, bis sie eines Tages ihre Bedeutung verlieren und irgendwann in Vergessenheit geraten, denn jemand anderes konnte die unerreichbar scheinende Marke durchbrechen und steht im Rampenlicht. Doch 710 Profi-Einsätze für den FC Bayern München, und da lehne ich mich jetzt aus dem Fenster, sind einmalig und werden es auch bleiben. Ehrlich gesagt schäme ich mich etwas diese Zeilen zu schreiben, denn würdig sind sie dem Status einer lebenden Legende nicht. 

Schon öfter hatte ich die Möglichkeit, die Genialität von Thomas Müller live im Stadion zu erleben. Das Wort Genialität wirkt im Anbetracht des Kontexts zu einfach, vielleicht sogar abwertend, da es die Komplexität seines Spielverständnisses nicht erfasst. Dennoch finde ich keine andere Beschreibung, denn es gibt keinen Spieler, der nur annähernd so agiert wie Thomas Müller es tut. Manchmal wirkt es für mich so, als würde das Bayern-Wappen auf seiner Brust ihm grenzenlose Fähigkeiten verleihen. Woche für Woche, Jahr für Jahr. Zeitlos eben. 

Unvergessen bleibt für mich eine Szene gegen Roter Stern Belgrad in der Champions League. In der Nachspielzeit erhielt der FC Bayern nochmal einen Freistoß unweit vor dem gegnerischen Tor. Die ersten Leute haben das Stadion schon verlassen und auf den Treppen herrschte Gedränge. Langsam wurde es spät und die Leute machten sich auf den Weg nach Hause. Bayern dominierte den Gegner über 90 Minuten souverän, was soll da noch geschehen? Sie verpassten Genialität. Thiago chippte den Ball über die Kette. Gedankenschnell rannte Thomas Müller als einziger in den Strafraum ein und verwandelte den Ball im Tor, souverän vorbei an einem überraschten Torwart. Müller fällt kurz darauf hin, rappelt sich aber gleich wieder auf und schreit seine Freude über die gelungene Aktion in den Münchner Nachthimmel. 3:0. Es hat gemüllert. 

Gleichzeitig muss ich an die vielen Stunden denken, die ich an der Säbener Straße verbrachte. Lang ist es her, da war ich zu schüchtern, um Thomas Müller nach einem Autogramm zu fragen, also schickte ich meinen Vater vor. Die unterschriebene Handyhülle habe ich heute noch, aufbewahrt in einer Box, wo ausgewählte Andenken sich stapeln. Über die Jahre hinweg ist sie etwas verblasst, mit Klarlack versuchte meine Mutter damals, den Zustand zu retten. Egal wie viel Zeit verging, bei jedem meiner Besuche nahm Thomas Müller sich Zeit für die Fans. Während manche seiner Mannschaftskollegen in der Kabine verschwanden bei Münchner Regen und einer Eiseskälte, drehte Müller nach einer schweißtreibenden Trainingseinheit seine Runden. Erwachsene Männer wurden wieder zu kleinen Kindern, als sie ihr Idol sahen. Geduldig posierte Müller für Selfies, unterschrieb Trikots und hielt dazwischen immer mal wieder an für kleine Pläuschen. Aber manchmal, da ist auch Müller still, beobachtet die Situation vor ihm und lässt seinen Kollegen den Vortritt. 

Ein Autogramm als Andenken
(Foto: Sophia)

Thomas Müller hat seine bisherige Karriere voll und ganz dem FC Bayern verschrieben. Er durchlebte schmerzhafte Niederlagen und bejubelte großartige Siege. Hierfür hat Müller, vor allem in dem schnelllebigen Fußballgeschäft, meinen vollsten Respekt. Wenn er eines Tages seine rot-weißen Fußballschuhe an den Nagel hängt, dann können wir alle auf sein Lebenswerk zurückblicken und uns sicher sein, dass Müller zu jeder Sekunde alles für den FC Bayern gegeben hat. Doch für Bedauern ist es noch zu früh. 

Hier weiterlesen

♥ Artikel teilen

Jetzt teilen!

Jetzt teilen!