Miasanrot-Awards 2021/2022: FC Bayern unerfülltes Versprechen der Saison
Sind wir ehrlich: Auch wenn die Meisterschaft zum nun zehnten Mal hintereinander souverän eingetütet wurde, war es eine enttäuschende, eine unerfüllte Saison. Die Kandidatenliste der unerfüllten Versprechen ist dementsprechend lang. Ist es ein einzelner Spieler? Dann springt einem Marcel Sabitzer geradezu ins Auge, so schwach wie durch die Bank all seine Spiele doch waren. Auch die jungen Franzosen Tanguy Nianzou und Dayot Upamecano sind Kandidaten. Beides Abwehrspieler, die die Abgänge von David Alaba und Jérôme Boateng nicht auffangen konnten. Überhaupt zeigt sich damit, dass auch das zugrunde liegende Transferfenster eine gewaltige Enttäuschung für den FC Bayern war. Und wer waren die Strippenzieher hinter dem Transferfenster? Hasan Salihamidžić und Oliver Kahn. Beides Enttäuschungen. Zum Schluss kann man es sich auch einfach machen und die gesamte Mannschaft in die Pfanne hauen. Sie waren es schließlich, die im Pokal, Rückrunde und Champions League so müde wirkten.
Ja, die Redaktion konnte unter vielen Optionen wählen, am Ende mochte man aber nicht ganz so abstrakt sein und entschied sich für nur einen einzelnen Spieler. Dayot Upamecano machte das Rennen.
Die Erwartungen wogen schwer
Um enttäuschen zu können, muss es ja erst einmal Erwartungen gegeben haben. Das ist insbesondere bei Upamecano die zentrale Komponente, denn im Gegensatz zu gerade Marcel Sabitzer kam der junge Franzose die gesamte Saison auf seine Spielminuten, am Ende waren es über 3.000. Das sind die fünftmeisten im Kader und mehr als alle anderen Abwehrspieler. Doch Upamecano wurde für mehr als das Minutenhamstern verpflichtet.
Er kam, um David Alaba vergessen zu machen. Er kam, um seine sporadische Weltklasse in Leipzig zu konservieren und sich in der Weltspitze zu etablieren. Er kam, um in der französischen Nationalmannschaft unverzichtbar zu werden. Er kam als große Lösung für durchaus viel Geld (auch wenn sein Partner Hernández mehr als doppelt so viel kostete).
Keiner dieser Erwartungen vermochte er zu erfüllen. Man muss sich hier den Sommer vor Upamecanos Wechsel zu den Bayern vor Augen führen. Damals attestierte man ihm noch bereitwillig bereits Weltklasse. Er war der heißeste junge Innenverteidiger auf dem Transfermarkt, verteidigte mit graziler Athletik Atleticos Offensive weg, führte seine Mannschaft bis ins Champions-League-Halbfinale. Internationale Lobhudeleien folgten.
Das Stahlbad in München
Im Trikot des FC Bayerns jedoch war allzu oft Slapstick an der Tagesordnung. Er wirkte ständig überfordert, konnte keinerlei Führung übernehmen. Er rückte raus, als er in der Kette zu bleiben hatte und ging zum Tackling, als Begleiten besser wäre. Upamecano machte Fehler, die man in München zuletzt vom blutjungen Boateng so sah. Doch selbst da waren sie nicht in der Anzahl präsent.
Lowlights waren hier die Spiele gegen Mönchengladbach und den VfL Bochum in Pokal und Liga. In beiden Spielen verursachte er ganz direkt mit schrecklichsten Fehlern Gegentore und musste schließlich von seinem Trainer vorzeitig erlöst werden. Er wirkte keinesfalls als der Neuzugang, der er eigentlich war: Ein gestandener Stammspieler eines langjährigen Konkurrenten.
Upamecano erlebte im Laufe der Saison einen klaren Abstieg. Im Achtelfinale gegen seinen früheren Verein Salzburg spielte er nur noch eine halbe Stunde, mit der französischen Nationalmannschaft hat er mittlerweile gar nichts mehr am Hut. Stattdessen wurde zu den sommerlichen Nations-League-Spielen sein früherer RaBa-Partner Konaté nominiert. Dass sein Vorgänger David Alaba mit Real Madrid medienwirksam gerade die Zeit seines Lebens hat, setzt dem Ganzen nur die Krone auf.
Noch ist nicht aller Tage Abend
Doch Tatsache ist auch, dass Upamecano noch hoffen kann. In beiden Viertelfinalspielen der Champions League durfte er wieder ran. Zugegeben, in Spanien bestätigte er seine schlechte Form, doch in der neuformierten Dreierkette zeigte er eine sehr ansprechende Leistung im Rückspiel. In der Bundesliga stabilisierte er sich zum Ende auf solidem Niveau. Am erfreulichsten für ihn sind jedoch die momentanen Transferspekulationen. Einen Achter und Rechtsverteidiger hat der Verein bereits verpflichtet, dazu wird über Mané und andere Offensivspieler spekuliert, nicht jedoch über die Innenverteidigung. Nach einer derartigen Saison hätte man durchaus damit rechnen können, dass der FC Bayern für viel Geld einen neuen Zweikämpfer holt, doch das Vertrauen des Vereins in den jungen Franzosen scheint noch nicht erschöpft.
Dayot Upamecano, aber auch Tanguy Nianzou werden nächste Saison einen neuen Anlauf starten können. Man muss sich keine Illusion machen, dies wird eine Make-or-Break-Season, gerade für Upamecano. Reihen sich erneut die Spiele an, bei denen man fast mitleidig dem Verteidiger das Gewicht des Bayern-Trikots anmerkt und allerspätestens nächsten Sommer stehen teure neue Abwehrspieler in den Startlöchern. Noch ist die Geduld nicht aufgebraucht, noch kann er das Ruder herumreißen. Für jetzt jedoch bleibt er ein unerfülltes Versprechen.