Miasanrot-Awards 2022/2023: FC Bayern – Leihe der Saison
Beim Chelsea FC hat das Verleihen von Spielern in großer Zahl Tradition. Die Londoner sprechen liebevoll von ihrer „Loan Army“. Seit vielen Jahren schon verleihen die Blues jedes Jahr eine Reihe von Spielern an andere Vereine, manche von ihnen spielen über viele Jahre kein einziges Spiel für Chelsea. In der Vergangenheit gehörten unter anderem auch Kevin de Bruyne und Romelu Lukaku zu den Spielern.
Auch beim FC Bayern baut sich nun in den letzten Jahren zunehmend eine „Loan Army“ auf. Dabei geht es gar nicht primär darum, die Spieler auf die eigenen Profis vorzubereiten. Vielmehr ist das Verleihen von Spielern ein Geschäftsmodell geworden, aus dem sich ein finanzieller Gewinn erzielen lässt. Viele Spieler sind am Ende ihrer Ausbildungszeit am Campus zu gut für die Amateure in der Regionalliga, Aber eben auch noch nicht gut genug, um eine Ablösesumme zu generieren, die den Kosten, die der FC Bayern in die Ausbildung des Spielers gesteckt hat, gerecht wird.
Mit einer Leihe in einer höheren Liga verschafft man den Spielern somit nicht nur Spielpraxis auf hohem Niveau, man steigert gleichzeitig auch ihren Marktwert. So konnten im Sommer 2022 unter anderem Chris Richards (12 Mio.), Joshua Zirkzee (8,5 Mio.), Lukas Mai (1,6 Mio.) , Nicolas Kühn (0,5 Mio.), Alex Timossi Andersson (0,5 Mio.) und Armindo Sieb (0,2 Mio.) nach ihren Leihen monetarisiert werden.
Tillmans Geschichte beim FC Bayern
Auch in der abgelaufenen Saison hat der FC Bayern zahlreiche Spieler überall in Europa verliehen. Die erfolgreichste Saison spielte dabei Malik Tillman (21), der mit den Rangers aus Glasgow schottischer Vizemeister wurde und dabei auch zum besten jungen Spieler der Saison gewählt wurde.
Tillman kam im Jahr 2015 zum FC Bayern, gemeinsam mit seinem älteren Bruder Timothy, der damals das eigentliche Transferziel des FC Bayern war. Schnell wurde den Verantwortlichen jedoch bewusst, dass der junge Malik noch ein wenig talentierter war als sein Bruder. Anfangs wurde er als zentraler offensiver Spieler hinter einem Stürmer eingesetzt. Schnell wurde jedoch klar, dass seine herausragende Spielintelligenz ihm ermöglichte, nahezu alle Positionen auf dem Feld spielen zu können. Unter Scouts und Beobachtern des Jugendfußballs scherzte man zwischenzeitlich auch, dass Torwart die einzige Position sei, auf der Malik noch nicht gespielt hätte.
Schnell ragte Tillman so heraus, dass er einen Jahrgang höher spielte. In der Saison 2017/18 wurde er mit der U17 deutscher Vizemeister und spielte an der Seite von Angelo Stiller den offensiveren Part der Doppelsechs. Anschließend verblieb er in der U17 und führte die Mannschaft von Trainer Miro Klose als Kapitän aufs Feld. Seine Leistungen in der Hinrunde nun wieder als offensiver zentraler Spieler waren derart überzeugend, dass er zur Winterpause vorzeitig in die U19 aufrückte. Dort bekleidete erneut die ganze Palette an offensiven Positionen, immer mehr jedoch wurde er vorwiegend als Stürmer aufgestellt.
Als nach der Coronapandemie der Spielbetrieb in der 3. Liga wieder Fahrt aufnahm, rückte neben einem gewissen Jamal Musiala auch Malik Tillman vorzeitig zu den Amateuren und überzeugte dort auf Anhieb. Mit fünf Toren in zehn Spielen trug er wesentlich zur Meisterschaft der Amateure bei. Anschließend war er in der folgenden Saison als Leistungsträger in der dritten Liga vorgesehen und ähnlich wie Musiala auf dem Sprung in den Profikader. Doch gerade, als die Karriere so richtig Fahrt aufzunehmen schien, schlug das Schicksal zu. Im zweiten Saisonheimspiel der Bayern Amateure riss nach 14 Minuten das Kreuzband im linken Knie – Saisonaus.
Rückkehr nach Verletzung und Leihe nach Glasgow
Erst ein ganzes Jahr später stand er anschließend wieder auf dem Platz, im August 2021 bei einem Regionalligaspiel gegen Schalding Heining. Es folgte ein Jahr mit Pendeln zwischen den Amateuren und den Profis, bei denen er immerhin zu sieben Einsätzen kam. Schnell wurde jedoch klar, dass er regelmäßige Spielpraxis auf höherem Niveau benötigt.
Mehrere Optionen lagen für Tillman im Sommer 2022 auf dem Tisch, am Ende entschied man sich gemeinsam mit dem FC Bayern für das Angebot der Rangers aus Schottland. Leihe über ein Jahr mit Kaufoption in Höhe von 7 Mio. Euro, gleichzeitig gäbe es für den deutschen Rekordmeister dann eine Rückkaufoption. Besonders die Möglichkeit, mit den Rangers Champions League zu spielen, war ausschlaggebend für die Entscheidung, nach Schottland zu gehen. Und sie stellte sich als absolut richtig heraus. Unter Trainer Michael Beale war er von Beginn an Stammspieler, meist im offensiven Mittelfeld, manchmal auch auf den Flügeln. Zwölf Tore und fünf Vorlagen steuerte er zur Vizemeisterschaft der Rangers bei.
Auch in der Gruppenphase der Champions League kam er zu vier Startelfeinsätzen, konnte sich jedoch nicht weiter in der Statistik verewigen. Mit sechs Niederlagen in der Todesgruppe mit Neapel, Ajax und Liverpool waren die Rangers nicht konkurrenzfähig. In die Schlagzeilen geriet er vor allem mit einem Tor im Pokal. Tillman war verletzt behandelt worden und sich nicht bewusst, dass der Gegner den Ball den Rangers nach einem Einwurf zurückspielen würde. In vollem Wettkampfgedanken nahm er dem verblüfften gegnerischen letzten Verteidiger den Ball ab und erzielte das zwischenzeitliche 2:1, was auf dem Spielfeld für viel Trubel und letztlich für ein anschließenden nicht verteidigten gegnerischen Treffer sorgte.
Auch wenn er sich Ende April eine Oberschenkelverletzung zuzog und im Saisonfinale fehlte, haben die Rangers bereits erklärt, die Kaufoption für Tillman ziehen zu wollen. Mit dem FC Bayern sei alles geklärt, erklärte Rangers-Trainer Beale zuletzt. Doch Tillman scheint zu zögern, an alternativen Optionen dürfte es ihm nach einer starken Saison nicht mangeln. Möglicherweise auch eine positive Nachricht für den FC Bayern, der mehr als die sieben vereinbarten Millionen Euro von den Rangers verhandeln könnte. Am Ende des Tages wird jedoch auch das Transferteam des FC Bayern um Karl-Heinz Rummenigge abwarten müssen, wofür sich der Spieler entscheidet. Es wird spannend zu sehen, wo sich die Karriere des immer noch jungen Malik Tillman in den nächsten Jahren entwickelt wird. Ohne die Kreuzbandverletzung wäre er möglicherweise sogar eine ernsthafte Option für den FC Bayern selbst geworden. Dass er unabhängig von seiner aktuellen Entscheidung früher oder später wieder in der Bundesliga zu sehen sein wird, dürfte jedoch außer Frage stehen. Wichtig aus bayrischer Sicht ist, dass der FC Bayern momentan noch die Hand drauf hat. Sei es über die Rückkaufoption mit den Rangers oder den anstehenden Verhandlungen mit einem anderen Verein.