Laimer zum FC Bayern – kommt der Wechsel ein Jahr zu spät?

Georg Trenner 10.06.2023

Laimer als klassischer Red-Bull-Spieler

Der 26-jährige Konrad Laimer ist in Salzburg geboren und aufgewachsen und schloss sich früh der Jugend von RB Salzburg an. Nach einem Abstecher zum RB-Farmteam in Liefering wechselte er 2017 im Alter von 20 Jahren zur deutschen Dependance des Brause-Imperiums. 

In seinen sechs Jahren dort absolvierte er 190 Spiele für Leipzig. Es hätten mehr Spiele werden können, hätte er nicht so oft verletzt gefehlt. In den letzten drei Jahren verpasste er aufgrund von Verletzungen 68 Spiele. Besonders lange setzten ihn ein Knochenödem und ein Syndesmosebandriss außer Gefecht. 

Zum Einsatz kam er überwiegend im zentralen und defensiven Mittelfeld, wobei er auch 24-mal als rechter Verteidiger. Sein Spielstil ist ein Spiegelbild seiner Red-Bull-Ausbildung. Nicht ohne Grund lobte ihn Ex-Trainer Nagelsmann als “Monsterballeroberungsmaschine”. Laimer gewinnt viele Zweikämpfe, foult wenn nötig, meist mit Bedacht. Mit Ball ist er kein Toni Kroos. Durchschnittlich 44 Pässe pro Spiele, von denen rund 80% ihr Ziel erreichen, sprechen eher für schnelles Umschaltspiel als für kontrollierende Ballbesitz-Phasen. Gut schneidet er darin ab, ballführend weite Räume Richtung gegnerisches Tor zu überbrücken, wo er durchaus auch Abschlüsse sucht und findet, wie zuletzt bei seinem Tor in der Allianz Arena zu sehen.

Finanziell ein guter Transfer für den FC Bayern

Laut „Transfermarkt“ beträgt Laimers Marktwert aktuell 28 Millionen Euro. Spieler der Kategorie Laimer wechseln nicht oft ablösefrei. Rein finanziell ist er alleine dadurch fast ein Muss-Transfer. Mit 28 Millionen Euro in den virtuellen Büchern – der FC Bayern kann ihn als ablösefreien Spieler nicht mit diesem Wert in die Bilanz nehmen – ist Laimer trotz Handgeld und Gehalt ein gutes Geschäft für den FC Bayern, noch vor seinem ersten Spiel.

„FBRef“ schätzt sein Gehalt in Leipzig auf 2,5 Millionen Euro pro Jahr. Beim FC Bayern dürfte er sein Gehalt vervierfachen und auf rund 10 Millionen Euro pro Jahr kommen. Damit würde er sich auf Rang 13 der Gehaltsrangliste auf einer Ebene mit Dayot Upamecano einreihen. 

Für einen Verein mit einem jährlichen Personaletat nördlich von 300 Millionen Euro eine überschaubare Größenordnung. 

Verrechnet man Laimer mit Marcel Sabitzer, der im Gegenzug den Verein verlassen könnte und eine Ablöse einspielen würde, sowie 12,5 Millionen Euro Gehalt einspart, wird die ökonomische Betrachtung noch positiver. 

Sportlicher Ausblick: Wo wird Laimer spielen?

Wie jeder Spieler hat Laimer es selbst in der Hand, wo und wie oft er zum Einsatz kommt. Überzeugt er im Training und in Spielen, spielt er. Einerseits. Da im Fußball aber immer nur elf Spieler in der Startelf stehen, hängt die Einsatzzeit in der Praxis natürlich ebenso sehr von der Konkurrenz im Kader und den taktischen Plänen des Trainers ab.

Konkurrenzkampf im Mittelfeld

Stand jetzt stehen fürs Mittelfeld für die kommende Saison Kimmich, Goretzka, Sabitzer, Gravenberch und Laimer im Kader. Mit Abstrichen muss man Musiala dazu zählen, auch er kann als “Acht” aufgestellt werden. Wahrscheinlich wechselt auch Raphaël Guerreiro zum FC Bayern. Tuchel stellte den Linksverteidiger zu seiner Zeit in Dortmund bevorzugt im Mittelfeld auf. Über allem schwebt der designierte Königstransfer von Declan Rice oder einem anderen defensivstarken Sechser. 

Es droht ein überladenes Mittelfeld. Gerade mit Blick auf noch offene Transfers und Gerüchte um Abgänge ist das aber keinesfalls sicher. 

Spielt Tuchel mit zwei oder drei zentralen Mittelfeldspielern?

Jährlich grüßt das Murmeltier. Bleibt der FC Bayern der Doppelsechs treu oder führt er ein V-Mittelfeld ein? Die Idee, einen tiefen Ankersechser zur Absicherung und Stabilisierung für Kimmich aufzustellen, scheint mittlerweile in München etabliert zu sein. Aber wird Tuchel Kimmich als zweiten Sechser/Achter neben diesen stellen oder zwei Achter vor ihn? 

Laimers Situation ist noch komplett offen

Laimers Chancen unter Tuchel hängen also noch von vielen Faktoren ab. Im für ihn schlechtesten Fall wird der Kader im Mittelfeld so gut besetzt sein, dass er sich in der zweiten oder dritten Reihe anstellen muss. Dann wird er sich in der Einsatzzeitenrangliste auf Platz 18-22 einpendeln und den Verein nach ein oder zwei Jahren wieder verlassen. Die dann mögliche Ablöse wäre zumindest für den FC Bayern eine Kompensation für die sportliche Enttäuschung. 

Läuft es normal, findet er sich als gute Nummer 13-17 nach Einsatzzeit ein: Er schafft es nicht in die Wunschelf, rotiert aber regelmäßig in die Startelf und sammelt weitere Spielzeit als Einwechselspieler. 

Im für ihn besten Fall kommt kein Star-Sechser, und er erobert sich die Rolle des Ankersechsers. Auch wenn er das in Leipzig nicht in der Form spielte, hat er die Anlagen, sich zu einem “Casemiro light” zu entwickeln. Auch der Brasilianer machte sich bei Real zunächst einen Namen als Balleroberungsmaschine und wurde lange belächelt, weil er im Schatten von Kroos und Modric so viel weniger elegant wirkte. Sein Anteil an fünf Champions-League-Titeln mit den Königlichen dürfte mittlerweile außer Frage stehen. 

Mehr Abwehr- und Mittelfeldpressing und weniger Angriffs- und Gegenpressing wären eine machbare Transformation für Laimer. Statt vertikalen Box-to-Box-Läufen müsste er mehr horizontale Räume abdecken. Im Passspiel bräuchte er Unterstützung von ballsicheren Nebenleuten, wie Kimmich und Musiala oder Gravenberch es sein könnten.  

Es ist das unwahrscheinlichste Szenario. Nach den kolportierten Plänen und Bemühungen um Rice würde es überraschen, wenn kein weiterer großer Name fürs Mittelfeld zum FC Bayern kommt. Zumal selbst ohne Star-Neuzugang Laimer nur der Außenseiter für die Rolle wäre. 

Ein Ass im Ärmel könnte Laimers Vielseitigkeit sein. Er spielte bereits als Rechtsverteidiger. Das bringt dem FC Bayern Sicherheit und ihm weitere Einsatzchancen, falls Pavard oder Mazraoui den Verein verlassen. Bis auf die fehlende Kopfballstärke könnte er von seinem Profil her auch in der Innenverteidigung oder halbrechts in einer Dreierkette auflaufen. 

Fazit: Der Wechsel kommt spät, vielleicht zu spät

Der FC Bayern verstärkt sich preiswert mit einem mindestens soliden Spieler im besten Fußballeralter, der auf mehreren Positionen einsetzbar ist und positiv überraschen könnte. Soweit die gute Nachricht. 

Die schlechte Nachricht ist, dass der Laimer-Transfer von Ex-Trainer Nagelsmann und Ex-Sportvorstand Salihamidžić geplant und durchgeführt wurde. Geplant, bevor Tuchel übernahm, dessen Fußball weniger auf Red-Bullsche Dynamiken setzt. Bevor Guerreiro kam, der besser zu Tuchels Stil passen würde. Bevor der Bedarf an einem Ankersechser erkannt wurde. 

Vielleicht kommt Laimers Wechsel ein Jahr zu spät. In der abgelaufenen Saison hätte Laimer die große Chance gehabt, sich statt Sabitzer als Absicherung für Joshua Kimmich zu etablieren. In der nächsten Saison wird es für ihn deutlich schwieriger. 



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