Schützenfest und Elfmeter-Chaos – Bayern schlägt Mainz 05 mit 6:2
Falls Ihr es verpasst habt
Die Aufstellung
Julian Nagelsmann überraschte, indem er rein gar nichts änderte. Mazraoui durfte erneut beginnen, Pavard blieb auf der selben Bank, auf der es sich auch Sabitzer und Coman bequem machen mussten.
Der FSV Mainz 05 begann mit einer Fünferkette im 5-3-2.
1. Halbzeit
Schon in der fünften Spielminute klingelte es erstmals. Über Choupo-Moting wurde das Spielgerät zu Mané getragen, der den Kopf hochnahm und flach in die Mitte spielte. Dort ließ Musiala mit einem Sprung den Ball durch, Gnabry hatte dann kurz vor Zentner keine Probleme mehr.
In der Folge blieben die Bayern am Drücker, wurden vor dem Mainzer Tor jedoch selten gefährlich. Die erste wirklich größere Torchance war dann sogleich auch wieder drin. Musiala nahm per Doppelpass Choupo-Moting mit, der sich im Stile eines echten Wandstürmers behaupten konnte. Die Kugel zurückerlangt, zielte der junge Nationalspieler ganz genau und schloss aus gut 18 Metern flach ins Eck ab.
Irritierenderweise schien dieses Gegentor Mainz 05 regelrecht wachzuküssen. Auf einmal war Präzision, Schwung und Wille in ihren Angriffen drin. Postwendend kamen sie zu einer Doppelchance, die das 1:2 hätte sein müssen. Entgegen dieses Spielverlaufs bekam der FC Bayern dann einen unstrittigen Elfmeter zugesprochen. Hack hatte zuvor Mané schräg von hinten zerfleischt. Irritierenderweise brauchte Cortus die Unterstützung des VAR für diesen Pfiff. Mané scheiterte zunächst mit einem schrecklich schwach geschossenen Elfmeter an Zentner um dann beim Nachschuss alles besser zu machen (43.).
In der Nachspielzeit wurde es dann noch einmal vogelwild rund um eben diesen VAR: Sven Ulreich rang bei einer Ecke Burkardt nieder, spielte möglicherweise jedoch zuvor den Ball mit den Fingern. Cortus und erneut dem Videoassistenten war es egal, sie entschieden auf Strafstoß für Mainz 05. Ulreich parierte zunächst Burkardts schwach geschossenen Elfmeter, nur um dann durch die anschließende Ecke doch das Gegentor hinzunehmen. Widmer verlängerte die Hereingabe vor dem kurzen Pfosten per Kopf in die lange Ecke. Danach war endlich bei einem Stand von 3:1 Halbzeit.
2. Halbzeit
Matthijs de Ligt ließ sich Ende der Halbzeit behandeln und kam nicht wieder auf das Feld, Pavard durfte mal wieder in sein geliebtes Zentrum. Sogleich kamen die Mainzer zu einer Großchance, dann begann die Parade an Münchener Halb- und Großchancen, die jeweils von Mané, Choupo-Moting und Gnabry versiebt wurden, eher in der 58. Spielminute Mané eine mustergültige Bananenflanke ins Zentrum hievte, wo Leon Goretzka in die Luft stieg und die Kugel scheinbar mühelos ins Tor ballackte.
Danach war für ihn und Gnabry Feierabend, Sabitzer und Coman kamen. Rund zehn Minuten später kam noch Gravenberch für Musiala, kurze Zeit darauf noch Tel für den starken Mané, der mit seiner ersten Aktion auch sogleich beinahe traf. Wenige Minuten später machte Tel es dann besser. Nachdem er Bell ausspielen konnte, zog es ihn Robben-esque in die Mitte, wo er aus rund 20 Metern ins lange Eck schoss (79.)
Sven Ulreich gönnte keine drei Minuten später den tapferen Mainzern dann offenkundig noch ein Tor, denn sein fataler Fehlpass in die Füße Burgzorgs ermöglichte Ingvartsen ein leichtes Tor. Den Schlusspunkt setzte -wie konnte es anders sein- der Mann der vergangenen Wochen: Eric Maxim Choupo-Moting. Per Kopf leitete er sein Tor selbst ein, indem er Coman fand. Der zockte sich in den Strafraum, gab schräg zurück, wo Choupo-Moting keine Mühen mehr hatte. Das letzte Tor in der 86. Spielminute war die letzte nennenswerte Aktion des Spiels. Unter der Woche empfängt der FC Bayern Inter Mailand für ein bedetungsarmes letztes Champions-League-Gruppenspiel.
Dinge, die auffielen
1. Startelf als Fingerzeig
Bei all den Spielen, die der FC Bayern vor der WM hat, wäre eine größere Rotation eigentlich nachvollziehbar gewesen. Nagelsmann verzichtete darauf. Mehr noch, er verzichtete auf jedwede Rotation. Stattdessen spielte einfach die exakt gleiche Elf vom Mittwoch wieder. Dabei gäbe es gerade drei Kandidaten, die prädestiniert für die Startelf schienen. Der nominelle Stammspieler Pavard, der Stammspieler des Saisonanfangs Sabitzer, sowie der langjährige Stammspieler Coman.
Während das Fehlen des Ersteren durch Mazraouis guter Form und dem Mangel an Innenverteidiger-Alternativen sehr verständlich ist, gilt das weniger für die anderen. Goretzka hatte sich in den vergangenen Wochen zwar absolut berechtigt festgespielt, doch Sabitzer war vor Wochen noch so gut, dass diese komplette Degradierung zum 12. Mann doch überrascht. Nagelsmann scheint keinerlei Notwendigkeit zu sehen, sein Selbstvertrauen durch Rotation stabil zu halten. Immerhin ist er wirklich fast immer erster Einwechselspieler.
Comans Fehlen indes könnte gar als schockierend bezeichnet werden. Viele Wochen fehlte er in der Bundesliga durch verschiedene Sperren, dass er nun trotz Sanés und Müllers Fehlen gleich zweimal hintereinander nicht in der Startelf steht, ist bemerkenswert. Für nicht wenige begann er die Saison noch als bester und einziger sicherer Außenstürmer der Bayern. Von diesem Status ist mittlerweile wenig übrig geblieben.
2. Starke Bayern-Form lässt gute Mainzer Auflaufen
Zeit für eine steile These: Vor der Länderspielpause hätte der FC Bayern gegen dieses Mainz 05 allerhöchstens noch ein Remis geholt. Die Mainzer hatten heute zahlreiche Chancen, wenn auch der Expected-Goals-Wert von 2,57 mutmaßlich durch die nicht einkalkulierte Kausalität zwischen vergebenem Elfmeter und 1:3 überhöht scheint. Dazu verteidigten sie über weite Strecken sogar ziemlich gut. Gerade in der ersten Hälfte hatte der FC Bayern bis auf die Tore kaum was zu melden vorne. Nimmt man das in der Entstehung zwar vogelwilde, aber effektiv verdiente Gegentor in der ersten Hälfte und rechnet man die Druckphase Anfang der zweiten Halbzeit hinzu, ist man schon nicht weit entfernt von einem Spiel, dass im zweiten Spieldurchlauf zu kippen droht, wie es viele Bayern-Spiele vor der Länderspielpause taten.
Doch wo gute Auftritte von Bundesliga-Mittelfeld-Teams vor Wochen den Rekordmeister noch in aller Regelmäßigkeit zu Punktverlusten trieben, werden nun etatmäßige Siege eingetütet. Trotz des berechtigten Lobs für die Mainzer Defensive steht das Ergebnis von 6:2 schwarz auf weiß festgeschrieben und allzu hoch scheint die Münchener Torausbeute nicht einmal zu sein.
Wie die Mannschaft sich vom Aufwind der Mainzer zwischen Minute 30 und 50 gar nicht beeindruckt zeigte, zeugt von einem weiteren Entwicklungsschritt dieser Mannschaft. Gegen Barcelona und Hoffenheim bewiesen sie neuartige Reife im Spieleverwalten, nun bläst sie auch Gegenwind nicht mehr um.
3. Bayern sucht den Super-Schützen
Einer der schmerzhaftesten Verluste des Lewandowski-Abgangs ist der Verfall des sicheren Strafstoßschützen. Wenige irrelevante Fehlschüsse mal ausgeklammert: Wenn es um die Wurst ging, konnte man sich auf den Polen verlassen. Nun scheint Sadio Mané erster Elfmeterschütze zu sein und zum wiederholten Male enttäuscht er vom Punkt. Durch seinen Nachschuss wird es heute keine Diskussionen geben, doch der FC Bayern wäre gut beraten, nicht nur sich ausgiebig mit dem Thema “1. Elfmeterschütze” zu beschäftigen, sondern womöglich ein regelrechtes Casting danach zu betreiben. Immerhin erinnert sich noch der gesamte Verein, wie er in jüngerer Vergangenheit gleich zweimal aus der Champions League wegen verschossenen Elfmetern flog.
Die Kandidaten sollten hier nicht nur aus den vordersten Angreifern bestehen. Just heute drängte sich ein Kandidat durch ein völlig anderes Tor auf: So sehr wie Leon Goretzka beim Toreschießen und Zweikämpfen Michael Ballack ähnelt, scheint er als Mannschaftsratsmitgleid eigentlich prädestiniert zu sein, auch bei Elfmetern Verantwortung übernehmen zu können. Ein rechzeitiger Fokus des Trainers auf diese Problematik könnte noch entscheidend für die Saison sein.