Zwischen zähem Spiel & Genialität – FC Bayern München schlägt den FC Kopenhagen mit 2:1
Zum derzeitigen Trainingsgast an der Säbener Straße wird hier bald ein einordnender Kommentar veröffentlicht.
Falls Ihr es verpasst habt
Die Aufstellung
Thomas Tuchel vertraute weitgehend auf seine etablierte Stammelf, mit der Ausnahme der Versetzung Konrad Laimers ins Mittelfeldzentrum. Mazraoui bekam dafür mal wieder die Chance von Anfang an, Goretzka blieb auf der Bank. Dieser Entschluss überraschte ein wenig, wo doch Konrad Laimer am Samstag erhebliche Probleme gegen seine alten Teamkameraden offenbarte.
1. Halbzeit
Nach kurzer Anfangsphase hohen Pressings, zog Kopenhagen sich fast gänzlich zurück und erwartete den Favoriten tief. Regelmäßig befanden sich alle bayerischen Feldspieler in des Gegners Spielhälfte. Tiefe fanden sie dabei nie. Entlang der Seitenlinien passten sich die Spieler ideenlos die Bälle zu. Mitte der 20er Minuten schnupperte Kopenhagen ein wenig an Offensivaktionen, das gefährlichste allerdings war ein kläglich vergebener Schuss meilenweit aus dem Abseits. Ansonsten passierte nichts im gesamten ersten Spielabschnitt.
2. Halbzeit
Thomas Tuchels Antwort auf diese wahnsinnig zähe Halbzeit war es, logischerweise komplett auf Wechsel zu verzichten. Zäh blieb es zunächst weiterhin, wodurch das im Fußball passierte, was in solchen Fällen immer im Fußball passiert: Der Außenseiter traf aus heiterem Himmel. Nach einem Steckpass brannte es so lichterloh im bayerischen Strafraum, wie in der dazugehörigen Fankurve. Kim blockte einen ersten Schuss schlussendlich mit solch perfektem Drall, dass Lerager ihn überlegt auf dem Boden aufsetzend in den Winkel hämmern konnte (56.).
Mit Wut im Bauch kamen zwar keine durchdachten Spielzüge wieder, aber wenigstens die individuelle Klasse blitzte einmal auf. Jamal Musiala bekam den Ball zentral gut 20 Meter vor dem Tor, behauptete sich fintenreich und donnerte das Spielgerät anschließend kompromisslos mit einem Flachschuss auf den zweiten Pfosten (67.). Tuchel sah diese glückliche Einzelaktion und quittierte sie, indem er seine geplanten Wechsel aufschob.
Zehn Minuten später kam dann doch der Dreierwechsel. Müller, Tel und Goretzka gingen für Musiala, Sané und Laimer aufs Feld. Sofort strahlten die Joker mehr Gefahr aus, als die gesamte Mannschaft zuvor (abseits des Tores, logischerweise). So passierte es dann, dass Kane sein Kopfballduell gewinnend steil auf Müller spielte, der nach einem wilden Ablauf der Dinge (für mehr, siehe Punkt 4 unten) zu Tel gab, der mal wieder in den 80er Minuten sein Tor machte.
Gänzlich aus war es allerdings noch nicht, denn Kopenhagen bekam noch eine Großchance. In der letzten Minute der Nachspielzeit kam Larsson noch mehr schlecht als Recht zum Abschluss, von Choupo-Moting abgefälscht flog die Kugel zielsicher ins lange Eck, doch Sven Ulreich – der 90 Minuten rein gar nichts zu halten bekam – flog, streckte sich und fischte die Kugel von der Linie. Ein Wahnsinns-Finish des oft kritisierten Keepers!
Dinge, die auffielen
1. Großes U-des-Todes
Das U-des-Todes, es war wieder da beim FC Bayern. Erfahrene Fans erschaudern noch heute an dem Begriff, der aufzeigen soll, dass eine Mannschaft um den Strafraum des Gegners sich in einer u-Formation aufgestellt hat und ideenlos den Ball hin- und herschiebt. In Kopenhagen war das ganze nochmal eine ganze Stufe schlimmer. Man campierte gar nicht so sehr um den Strafraum des Gegners herum, der Druck auf die gefährliche Zone war gar nicht erst da! Die Bälle wurden sich viel mehr parallel zur Werbebande zugespielt. Es entstand so eine noch schlimmere Version des u-des-Todes: Ein U-des-Todes mit Großbuchstaben, in dem das Tal des Us die Innenverteidiger am Rande des Mittelkreises waren.
All das war so unglaublich ineffektiv, dass der FC Bayern es auf sage und schreibe nur 0,17 xG schaffte. Ja, Expected Goals ist ein problematisches Werkzeug mit vielen Fehlern, doch ein so niedriger Wert in einer Halbzeit ist ein alarmierendes Signal.
2. Konrad Laimer auf verlorenem Posten
Effektiv spielte der FC Bayern heute in einem sehr offensiven 4-1-4-1 mit Konrad Laimer als zweiten offensiven Mittelfeldspieler. Es ist nicht ganz klar, ob dies von Anfang an so dezidiert vorgesehen war, oder sich einfach ganz natürlich ergab, als man bemerkte, wie tief Kopenhagen verteidigte. In jedem Fall wirkte Laimer auf dieser Position hilflos verloren. Sein Mittelfeldspiel ist das des Zweikampfes und einfachen Balles. Auf der Position des offensiven Mittelfeldspielers sind allerdings andere Dinge zu suchen.
Raphaël Guerreiro wäre hier die Variante Kreativspieler, Leon Goretzka des wuchtigen Box-to-Box-Angreifers, Thomas Müller des Schleichers und Spielmachers, Musiala (in tieferer Position) des wendigen Dribblers. Die letzten beiden Varianten sind grundsätzlich eigentlich zu offensiv, gegen so einen defensiven Gegner allerdings eine Überlegung wert.
Sie alle waren hier besser aufgehoben als der verlorene Laimer des heutigen Abends. Seine unglückliche Rolle bei Kopenhagens Führung rundet dessen Abend hier leider noch ab.
3. Thomas Tuchels Wechsel
Wenn es etwas gibt, was alle Fußballfans rund um den Globus eint, dann die tiefe Überzeugung, dass Spielerwechsel zum einen immer richtig seien und vor allem natürlich, dass sie durch die Bank konsequent zu spät kämen. Thomas Tuchels Wechsel am heutigen Abend waren mal wieder ein Paradebeispiel für die Leiden des gemeinen Fans.
Ist das Spiel so derart zäh, wäre es durchaus vernünftig, schon vor der Halbzeitpause einen Wechsel (primär das Herunternehmen des verlorenen Laimers) vorzunehmen.
Spätestens nach einer 0,17 xG-Hälfte, konnte man den einen oder anderen Spielertausch vornehmen.
Als nach einer Stunde allerdings immer noch so absolut gar nichts lief, war das Fehlen der Wechsel frappierend.
Und doch hat Tuchel am Ende die berühmten Argumente auf seiner Seite, denn das Spiel gewinnt man eben unmittelbar, nachdem er dann doch dreifach tauschte. Ob Goretzka, Müller und Tel nicht allerdings viel früher dem Spiel ihren Stempel hätten aufgedrückt, hätten sie auch viel früher gespielt, steht in den Sternen.
4. Thomas Müller Wonderland
Was Thomas Müller vor dem 2:1-Siegtor macht, ist ganz großes Kino. So groß sogar, dass es seinen eigenen Unterpunkt verdient. Schon während des Laufduells muss ihm klar gewesen sein, dass er hier mit klassisch athletischen Mitteln kein Land sehen wird, also nimmt er schlussendlich mit einer Körpertäuschung kontraintuitiv Geschwindigkeit raus, lässt seinen Gegenspieler passieren und drückt ihn dann mit einem seichten, aber wunderbar fairen Bodycheck weg. Anschließend stoppt er den Ball, täuscht den Linksschuss an, blockt ab, als er den Keeper zu Boden gehen sieht und gibt ihn dann zum heranstürmenden Tel. Jede einzelne Aktion hier ist für sich genommen schon gut, alles zusammen macht sie zu einem Müllerschen Gemälde.
5. Hauptsache drei Punkte
Ein Paradebeispiel, wofür die Floskel “Hauptsache drei Punkte” existiert. Nicht nur als Beschreibung des eigenen schlechten Spiels, sondern auch mit Blick auf den Favoritensturz im Parallelspiel. Der FC Bayern, ja, er wankt. Er fällt aber nicht.